Zahnärzte nach Großbritannien

Reif für die Inseln

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Heftarchiv Gesellschaft
Als Zahnarzt nach Großbritannien zu gehen, könnte für manchen deutschen Kollegen eine spannende berufliche Perspektive bedeuten. Viele deutsche Mediziner arbeiten bereits auf den britischen Inseln. Doch dass inzwischen auch deutsche Zahnärzte dringend gesucht werden, ist noch wenig bekannt. Einige britische Dentalketten werben bereits hier zu Lande. Am Beispiel der Praxis-Kette Associated Dental Practices (ADP) aus Surrey soll gezeigt werden, wie man als deutscher Zahnarzt reif für die Inseln wird.

Am 10. Oktober 2003 fand in den Räumlichkeiten der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn erstmalig eine Informationsveranstaltung für Zahnärzte statt, die sich für eine Tätigkeit in Großbritannien interessieren. Während derzeit bereits rund 2 000 deutsche Ärztinnen und Ärzte in Großbritannien arbeiten und damit das größte Kontingent ausländischer Ärzte auf den Britischen Inseln bilden, sind die Beschäftigungsmöglichkeiten für Zahnärzte dort weniger bekannt.

Immerhin 36 Interessenten hatten sich in Bonn eingefunden, um sich eingehend über die Perspektiven zu informieren, die ADP Dental Co.Ltd. aus Reigate in Surrey (Südengland) deutschen Zahnärzten zu bieten hat. Zunächst stellte Chairmann Richard Flaye das Unternehmen ADP (Associated Dental Practices) vor. Es wurde 1985 gegründet und ist seither auf 34 Praxen angewachsen, die rund 145 000 Patienten in Südengland betreuen. Etwa 90 Zahnärzte und 230 weitere Mitarbeiter werden beschäftigt. Wegen der beabsichtigten Expansion der Praxis- Kette hat sich ADP erstmalig dazu entschlossen, auch in Deutschland eine Informationsveranstaltung durchzuführen verbunden mit Bewerbungsgesprächen, die im Anschluss sofort stattfanden und auch von etlichen Teilnehmern genutzt wurden.

Andere Rechtslage

Die Eigenheiten der britischen Situation in der Zahnmedizin und die Philosophie von ADP darzustellen, nahm fast zwei Stunden in Anspruch und erwartungsgemäß ergaben sich in der Diskussion zahlreiche Fragen. Etwas anders als in Deutschland erlaubt es die Rechtslage im Vereinigten Königreich,als selbständiger Zahnarzt für eine Firma wie ADP oder andere zu arbeiten. Es handelt sich dabei nicht um ein Angestelltenverhältnis, sondern um eine freiberufliche Tätigkeit mit einem entsprechenden Contract (Arbeitsvertrag), in dem die Rechtsbeziehungen festgelegt werden. Kleinere Praxen in ländlichen Gebieten sind bei ADP und der neu erworbenen Healy Dental Group in East Anglia nahe Cambridge ebenso vorhanden wie in den größeren so genannten Home Counties in und um London.

Dabei handelt es sich nicht um Privatpraxen, sondern um eine Mischung aus Privatbehandlung und NHS (National Health Service). In Großbritannien werden gegenwärtig 65 Prozent der Einnahmen aus NHSLeistungen erzielt, der Rest kommt aus Privatabrechnungen mit steigender Tendenz. Einzelpraxen und reine Privatpraxen sind in Großbritannien meist weniger bis unrentabel. Daher ist die Teilnahme am Nationalen Gesundheitsdienst unverzichtbar, um sicherzustellen, dass eine ausreichende Anzahl von Patienten für eine Gruppenpraxis zur Verfügung steht. Diese müssen sich registrieren lassen und können dann selbst entscheiden, ob sie mit der meist sehr einfachen Grundversorgung zufrieden sind oder die anspruchsvolleren Versorgungen wählen.

Die Privatbehandlung ist schon allein wegen des geringeren bürokratischen Aufwands rentabler und verschafft den Zahnärzten ein entsprechend höheres Einkommen und eine interessantere Tätigkeit. Dazu gehören die Versorgung mit Veneers oder Implantaten und die ästhetische Zahnheilkunde ganz allgemein, aber auch Kieferorthopädie oder Parodontologie. Das Brutto-Einkommen wird auf 50 000 bis 100 000 Pfund geschätzt und es gibt ein Bonussystem für besonders umsatzstarke Praxen. Die Kosten für die Praxen und deren Ausstattung, die Materialien sowie das Personal sind dabei bereits berücksichtigt. Die Hälfte der erzielten Erträge bleiben zur Investition und Expansion bei ADP, der Rest ist das persönliche Einkommen des Zahnarztes.

Etliche Formalien für die Einwanderungsbehörde UK Immigration Department sind zu berücksichtigen, bevor man eine zahnärztliche Tätigkeit in Großbritannien antreten kann. Zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis bedarf es einer Art Fürsprache (References of good standing) zweier Personen, die einem persönliche und berufliche Integrität bestätigen. Der Arbeitsvertrag ist vorzulegen sowie die Registrierung beim GDC (General Dental Council), der für Verwaltungsbelange zuständig ist

Anspruchsvoller Sprachtest

Zwar werden die Examina innerhalb der EU- Länder gegenseitig anerkannt, allerdings ist eine Sprachprüfung zu absolvieren. Diese ist sehr anspruchsvoll und verlangt Englischkenntisse auf sehr hohem Niveau. Es handelt sich um das IELTS (International English Language Testing System). Der Test kann kurzfristig beim British Council, zum Beispiel in Köln oder anderen Großstädten, abgelegt werden und prüft Schreiben, Lesen, Sprechen und Verstehen. Die Kosten liegen bei zirka 160 Euro. Er ist als Level 7 Test (dritthöchste Schwierigkeitsstufe) abzulegen. Die Arbeitserlaubnis (Work Permit) gilt bis zu 48 Monate und ist innerhalb von zwei Wochen erhältlich, wobei man in allen Belangen von ADP unterstützt wird.

Richard Flaye betonte auf der Bonner Veranstaltung die Bedeutung der Registrierung beim GDC (Jahresbeitrag 200 Pfund), da dieser auch das Berufsrecht und die Fortbildungspflicht (Continuing Professional Development) regelt. Wenigstens 250 Fortbildungsstunden sind innerhalb von fünf Jahren nachzuweisen, wobei die Art der Fortbildung im Detail geregelt ist. Der Nationale Gesundheitsdienst zahlt seinen Zahnärzten deren Teilnahme an der Fortbildung mit 52 Pfund pro Stunde für eine begrenzte Anzahl von Stunden.

Ohne Kosten erfolgt die vorgeschriebene Registrierung beim lokalen PCT (Primary Care Trust), einer Art regionaler Gesundheitsverwaltung. Ein weiterer Kostenfaktor ist die Haftpflichtversicherung, für die rund 900 Pfund jährlich aufzubringen sind. Eine Mitgliedschaft im zahnärztlichen beruflichen Dachverband, der British Dental Association (BDA), ist zwar freiwillig, jedoch empfehlenswert. Die meisten britischen Zahnärzte sind dort Mitglieder wegen der vielen Vorteile, wie dem Bezug des BDJ (British Dental Journal) und anderer wichtigen Informationen, etwa dem Private Dental Fee Guide (Private Gebührenrichtlinie). Die Kosten belaufen sich um die 300 Pfund pro Jahr. Auch ein Impfstatus auf eigene Kosten gegen Hepatitis B, Tetanus und Keuchhusten ist nachzuweisen.

Qualitätssicherung

ADP-intern legt großen Wert auf die Clinical Governance, ein Qualitätssicherungssystem. Jeder Zahnarzt muss sich schriftlich verpflichten, diesen Regeln zu folgen. Sie geben vor, die Dienstleistungen am Patienten auf hohem Niveau zu erbringen und ständig zu verbessern, hohe klinische und ethische Standards einzuhalten und regeln die Beziehung zwischen den Praxen, Zahnärzten, Angestellten und Patienten.

Eine rund dreimonatige Einführungszeit – bei regulär 37,5 Wochenstunden Arbeitszeit und jährlich 30 Tagen Urlaub – gehören mit zur Unternehmensphilosophie. Dabei hat man als Newcomer die Möglichkeit, sich mit den doch recht komplizierten NHS-Regeln vertraut zu machen und die private Gebührentabelle kennen zu lernen.

Auch die Praxissoftware erfordert eine Einarbeitungsphase, ebenso die Dokumentation der Krankheitsfälle nach rechtlichen Vorgaben und das Verordnungswesen für Medikamente. Unterstützt wird man durch das Mentoring, bei dem nicht nur praxisübergreifend Hilfestellung erteilt wird, sondern auch eine Kontrolle der Leistungsbereitschaft und anderer Fähigkeiten, wie Kommunikation, fachliche Kompetenz und Teamfähigkeit, stattfindet.

Bei der Wohnungssuche wird Hilfe angeboten. Eine Wohnung schlägt mit rund 600 Euro monatlich je nach Praxisstandort zu Buche. Für die Altersvorsorge sollte man wenigstens nochmals 500 Euro monatlich einkalkulieren.

Natürlich besteht in Großbritannien Steuerpflicht, und der Steuerberater stellt etwa 1 000 Pfund für die Steuererklärung in Rechnung. Ein Beitrag zur Sozialversicherung, der National Insurance, ist zu zahlen, außerdem werden lokale Steuern und Abgaben fällig. Wegen des Steuerstatus als Selbständiger können jedoch nahezu alle Aufwendungen bei der Steuererklärung in Ansatz gebracht werden.

Für diejenigen Zahnärzte, bei denen die sehr informative Präsentation von ADP mit Unterstützung der Bundesanstalt für Arbeit noch offene Fragen hinterließ, ergab sich im persönlichen Bewerbungsgespräch die Gelegenheit zur Klärung. Für die Professionalität, mit der ADP arbeitet, spricht die Tatsache, dass auch Teilnehmern ohne Bewerbungsgespräch in einem Anschreiben weitere Informationen und Unterstützung angeboten wurden.

Der Freiraum für Zahnärzte und Patienten ist in Großbritannien seit der konservativen Regierung Thatcher stetig gewachsen und auch New Labour unter Tony Blair hat nicht die Absicht, diesen zu Beginn teils für alle sehr schmerzhaften Wandel wieder rückgängig zu machen. Für Zahnärzte ergibt sich ein Public-Private-Partnership der besonderen Art, das sich durch die Betonung der Selbstbestimmung des Patienten auszeichnet und dem Berufsstand durch neue Organisationsmodelle größere Spielräume und sicherere wirtschaftliche Verhältnisse gewährt, ohne die ethische Verpflichtung aus dem Blick zu verlieren.

Als Zahnarzt in Großbritannien zu arbeiten, ist bei entsprechenden Sprachkenntnissen eine durchaus interessante Perspektive für diejenigen, denen das hiesige System eine solche nicht mehr bietet oder die eine neue Herausforderung suchen.

ZA Carlheinz SwaczynaAm Marktplatz 2147829 Krefeld

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