Die gespaltene Nation
pro Kopfpauschale
• Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) plädiert in seiner IHKGesundheitsagenda für pauschale, nicht mehr einkommensbezogene Prämien. Nur ein steigender Wettbewerb könne den Gesundheitskosten entgegenwirken. Allein durch die Privatisierung von Freizeitunfallrisiko, Krankengeld, Zahnersatz und veränderten Zuzahlungen bei Arzneimitteln könne die GKV rund 30 Milliarden Euro einsparen.
• Nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ist es für die Firmen in Deutschland an der Zeit, sich aus der Mitfinanzierung von Arbeitslosengeld und Krankenversicherung zu verabschieden. BDI-Präsident Michael Rogowski: „Unternehmen sollen Arbeit schaffen, während die Beschäftigten die soziale Sicherung und das Gesundheitssystem selbst finanzieren. Die primäre Verantwortung der Unternehmen liegt nun einmal nicht in der Sozialfürsorge.“ Er sei aber keine „kalte Unternehmerschnauze“ und erinnert daran, dass die Unternehmer in den Betrieben „auch fürsorgliche Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern haben“.
• Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V., Dieter Hundt, tritt für die Modernisierung und Loslösung der Kranken- und Pflegeversicherungen vom Arbeitsverhältnis ein. Begründung: Die Gesundheitsprämie beseitige zahlreiche Ungerechtigkeiten von heute. Doppelverdiener-Haushalte würden gegenüber Alleinverdienern mit gleichem Einkommen nicht mehr diskriminiert, Geringverdiener müssten nicht mehr die beitragsfreie Ehegattenversicherung von Höherverdienern mitbezahlen. Der BDA schlägt eine Prämie von 163 Euro vor, Kinder blieben beitragsfrei mitversichert. Den Steuerausgleich für Arme will der BDA über die Auszahlung von GKV-Arbeitgeberbeiträgen und Rentenversicherung an die Arbeitnehmer finanzieren. Zusammen mit den jetzt schon aufgewendeten Steuermitteln für Einkommensschwache ergebe dies ein Mehr von rund 20 Milliarden Euro. Hundt: „Mit dem Anspruch, soziale Gerechtigkeit durch mehr Umverteilung schaffen zu wollen, wurden Bedürftigkeit und Abhängigkeit vom Staat zementiert.“
pro Bürgerversicherung
• Geschlossen will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die Bürgerversicherung im Gesundheitswesen kämpfen. „Die Bürgerversicherung wird auch weiterhin über einkommensabhängige Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch finanziert. Die Arbeitgeber bleiben damit in der Verantwortung für den effizienten Einsatz der Beiträge“, so DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer. Dadurch ließen sich die GKV-Beiträge um zwei Prozentpunkte senken. Kapitalerträge sollen unbegrenzt beitragspflichtig bleiben.
„Wir wenden uns vehement dagegen, dass die Kosten des medizinisch-technischen Fortschritts allein auf die Schultern der Arbeitnehmer abgewälzt werden“, bekräftigte Kirsten Rölke von der IG-Metall den Kurs. „Wir wollen die Pflichtversicherungsgrenze nicht nur anheben, sondern aufheben, damit das existierende Zweiklassen-System in der Gesundheitsversorgung beendet wird“, stellte auch IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel klar. Die Dienstleistungsgesellschaft ver.di machte deutlich: Auch Selbstständige und Beamte sollen in die von ihnen favorisierte „BürgerInnenversicherung“ einzahlen.
Kopfpauschalen sind für ver.di „keine Lösung“. Sie seien eine „Umverteilung von unten nach oben“. Die Pläne der Union, den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung auf dem heutigen Stand einzufrieren, lehnt ver.di strikt ab. ver.di-Chef Frank Bsirske: „Wir wollen die Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung entlassen.“
weitere Stimmen
• Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, stellte fest, das Lohneinkommen als Grundlage der Beitragsberechnung sei „nicht mehr die Summe und Größe, die unsere Volkswirtschaft bestimmt“. Das seien vielmehr andere Einnahmequellen, „wie Zinsen, Mieten und dergleichen mehr“.
• Der Deutsche Beamtenbund (dbb) hat klar Position bezogen: Die Bürgerversicherung für alle löse kein Problem. „Die Beihilferegelung hat ja den Charme, dass der Staat nur dann zahlen muss, wenn Krankheit anfällt“, bemerkte der dbb-Vorsitzende Peter Heesen. Eine Einbindung der Beamten in die GKV würde den Staat unterm Strich deutlich teurer kommen. „Es kann doch keinen Sinn machen, dass wir ein solch kostengünstiges System aufgeben, nur um diesen kleinen Teil der Bevölkerung dazu beitragen zu lassen, dass ein großes Problem in einem großen Versicherungssystem ein wenig gelindert wird.“