Aufklären statt verunsichern
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat‘s nicht leicht: Das unter ihrer Verantwortung verabschiedete GMG ist auch im zweiten Halbjahr nach In-Kraft-Treten unverändert im Fokus öffentlicher Kritik. Ihr selbst hat das Gesetz in der breiten Öffentlichkeit einen immensen Image-Verlust eingebracht. Kein Wunder: Deutschlands Bürger sind verärgert, massiv verunsichert und bescheren der Ministern deshalb in allen Umfragen miserable Werte.
Deutschlands Zahnärzte kennen Image-Probleme dieser Art in ihrem Wirkungskreis nicht: Das dem Arzt oder Zahnarzt vom Patienten entgegengebrachte Vertrauen ist – trotz immer wieder geführter heftiger Angriffe gegen den Berufsstand – nach wie vor extrem hoch, deutlich besser als das Ansehen anderer Berufsgruppen oder gar der Politik.
Für das Bundesgesundheitsministerium (BMGS) ist dieser exzellente Vertrauensstatus in Deutschlands Praxen augenscheinlich problematisch. Denn Ulla Schmidt geht Kritik seitens der Ärzteund Zahnärzteschaft meist mit harten Bandagen an: Durch heftige Angriffe und spektakuläre Drohungen versucht das Gesundheitsministerium immer wieder, einen Keil zwischen die bekanntermaßen intakte Beziehung von Zahnärzten und ihren Patienten zu treiben. Die Schuldzuweisung für das Chaos der Krankenkassengebühr an die ärztliche und zahnärztliche Standespolitik, die Diskriminierung des im GMG halbherzig implementierten Instrumentes Kostenerstattung, aber auch die Drohung mit der Abschaffung der Selbstverwaltung und zuletzt das „Schwarzbuch“ gegen die Heilberufe sprechen für sich.
Argumente gegen Datensammelwut
Diese für die zahnärztliche Berufspolitik bittere Strategie der Ministerin droht im Zuge der nächsten Stufen des GMG weiteres Futter zu erhalten. Die elektronische Gesundheitskarte, beschlossen und über § 291 a SGB V verfügt, soll ab Januar 2006 für 80 Millionen Patienten, zirka 270 000 Ärzte, 77 000 Zahnärzte, 2 000 Krankenhäuser, 22 000 Apotheken und über 300 Krankenkassen neue Zeiten einläuten. Streit ist programmiert, schwelt schon jetzt in der viel zu knapp gesetzten Vorbereitungsphase: „In diesem Projekt konterkariert der vorrangig für die gesetzlichen Krankenkassen zu erwartende Nutzen – der zahnmedizinische Bereich hat außer Kosten ohnehin so gut wie nichts davon – das Recht der Bürger auf Schutz ihrer Daten“, warnt der amtierende KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz.
Die Datensammelwut, die Rot-Grün mit rigoros knapper Zeitschiene durchsetzen will, reicht vom GKV-Mitgliedsnachweis für andere EU-Länder bis zur kompletten Patientenakte (siehe auch Titelgeschichte zm 4/2004). Abgesehen von der zu erwartenden Kostenbelastung für Staat und Bürger – die Amortisationszeit des Milliardenprojektes beträgt laut Worst-Case-Szenarien mehrere Jahrzehnte –, birgt das neue Karten-System die Gefahr von Sicherheitslücken und öffnet etwaigem Datenmissbrauch nach Ansicht der Zahnärzteschaft Tür und Tor.
Grund genug für die KZBV, vor den möglichen Konsequenzen dieses Vorhabens aktiv zu warnen: „Unsere Befürchtung, dass mit der elektronischen Gesundheitskarte das altbekannte Bestreben der Krankenkassen, die Anonymisierung der Versichertendaten aufzuweichen, seiner Umsetzung deutlichnäher rückt, ist ein wichtiger Ansatz für die zweite Runde unserer Kampagne“, so Dieter Krenkel, KZBV-Vorstand für Presseund Öffentlichkeitsarbeit: „Wir werden die Risiken der elektronischen Gesundheitskarte öffentlich thematisieren.“
Festzuschüsse als Chance
Dennoch: Das pauschale „Nein“, das in der Kampagne 2003 die Haltung zur Reform bestimmte, weicht in der diesjährigen zweiten Runde einer differenzierteren Zweiteilung der inhaltlichen Schwerpunkte. Mit der Ausgliederung des Zahnersatzes aus dem GKV-Leistungskatalog ab 2005 hat das von der deutschen Zahnärzteschaft seit Jahren geforderte Konzept befundorientierter Festzuschüsse ein für die künftige Entwicklung der zahnärztlichen Versorgung wichtigen Piloten erhalten. „Wir müssen unseren Patienten verdeutlichen, dass gerade die Einführung der befundorientierten Festzuschüsse kein Grund zur Beunruhigung, sondern ein Vorteil, eine Chance für alle Beteiligten ist“, betont Dieter Krenkel.
Angesichts der durch Krankenkassengebühr, Selbstbehalte und mangelhafte Umsetzung des GMG in den ersten Monaten des Jahres bewirkten Verunsicherung der Bevölkerung ist das kein leichtes Unterfangen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die dem zahnärztlichen Konzept zustimmenden Politiker das bisher nur auf den Zahnersatz bezogene „Experiment“ mit Argus-Augen verfolgen werden: „Vielen stecken die Probleme und öffentlichen Auseinandersetzungen, die es bei der Umsetzung der Festzuschüsse 1998 im Vorfeld der damaligen Bundestagswahl gab, noch in den Knochen“, weiß KZBV-Chef Jürgen Fedderwitz: „Und die Komplexität der Festzuschuss-Neuregelung ist weit größer als die der im Frühjahr so stark angefeindeten Praxisgebühr.“
Die zu berücksichtigenden Fakten: Die Umstellung von prozentualen Zuschüssen auf Festzuschüsse ist mit einem gesonderten Beitrag für Zahnersatz, der allein von den Arbeitnehmern zu tragen ist, verbunden. Die Höhe des Beitrages wird erstmals zum Oktober 2004 festgelegt, gefolgt von einer Rechtsverordnung des BMGS zum Finanzausgleich in der GKV. Die Vorarbeiten, vorerst geprägt durch die Verhandlungen zwischen Krankenkassen und KZBV im gemeinsamen Bundesausschuss, aber auch die Einführungsphasen fallen – das kommt erschwerend hinzu – in eine durch mehrere Wahlen geprägte Zeit. Jürgen Fedderwitz: „Diese Ausgangslage gibt genügend Anlass zu der Vermutung, dass das ‘Experiment’ Zahnersatz genauestens beobachtet wird. Letztlich wird das verantwortungsvolle Verhalten von uns Zahnärzten gegenüber unseren Patienten darüber entscheiden, ob das von uns begrüßte Pilotprojekt zum Türöffner für weitere Ausgliederungen aus dem Leistungskatalog der GKV werden kann. Hier geht es um die Zukunft unserer Praxen.“
Patienten vor suboptimaler Versicherung bewahren
Damit sind die Ziele klar gesetzt: „Wir müssen den durch die bisherige Problemlage des GMG verunsicherten Patienten mit Hilfe sachlicher Information und fachlichem Rat etwaige Ängste bereits im Vorfeld nehmen“, betont Dieter Krenkel. Es gehe vor allem auch darum, eventuelle Budgetverwerfungen, die aufgrund psychologischer Vorzieheffekte vor allem im Bereich Zahnersatzversorgung auftreten könnten, weitestgehend zu vermeiden. Wichtig sei aber auch die Betreuung der Patienten bei Fragen zur Wahl der obligatorischen Zahnersatzversicherung: „Man muss die Patienten so umfassend informieren, dass sie sich nicht durch allzu frühzeitigen Abschluss von Zusatzversicherungen für die zahnmedizinische beziehungsweise prothetische Versorgung vorschnell auf eine suboptimale Versicherungsleistung festlegen“, so der KZBV-Vorstand für Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Für Deutschlands Zahnärzteschaft sei es von immenser Bedeutung, das neue Zuschussmodell so zu vermitteln, dass es als gutes Modell erkannt wird, reibungslos eingeführt werden kann und sich vor allem auch längerfristig als lebensfähig erweist. Krenkel: „Wir werden klarstellen, dass dieses System gut funktionieren wird und für den Patienten Sicherheit, Klarheit und die Teilnahme am medizinischen Fortschritt bedeutet. Wir werden zeigen, dass es auch mit der neuen Zahnersatz-Versicherung weiterhin eine vernünftige Versorgung geben wird.“
Ein zentrales Instrument: das Gespräch in der Praxis
Eine Herausforderung, die gezielte Aufklärung und Transparenz, strukturierte und verständliche Information, aber vor allem auch das persönliche Gespräch zwischen Zahnarztteam und Patienten erfordert. Und eine Aufgabe, die sich für eine in gemeinsamer Aktion zu bewältigende Kampagne geradezu anbietet.
Von Vorteil ist, dass dieses Feld kein Neuland ist: Schon im vergangenen Jahr hatte die KZBV im Schulterschluss mit den KZVen der Länder und einer Vielzahl von deutschen Zahnarztpraxen eine Kampagne gefahren, damals als Aufklärungsaktion über die Haltung der Zahnärzte zum Vorhaben der Bundesregierung. Die gemeinsam mit der Agentur Ogilvy & Mather durchgeführte Maßnahme hatte nicht nur im Anzeigen-Barometer des Spiegel den Spitzenplatz erzielen können. Sie ambitionierte auch jede zehnte Zahnarztpraxis Deutschlands zur aktiven Mitarbeit gegen die gesetzgeberische Fehlentwicklung. Dieter Krenkel: „Noch nie haben so viele Kolleginnen und Kollegen Aktionsmittel für ihre Praxis bestellt.“
Also ein begründeter Anlass zur Hoffnung auf weitere Erfolge. Denn auch die zweite Runde der im Redaktionsbeirat aus Länder-KZVen diskutierten, in der Entwicklung kontinuierlich begleiteten und in ihren Maßnahmen abgestimmten Kampagne 2004 baut auf dieses erwiesen solide Fundament. Neben den zwecks öffentlicher Sensibilisierung und Schaffung von öffentlichem Meinungsdruck erscheinenden Anzeigen in populären Massenmedien, wie Bild am Sonntag, Focus, Spiegel, Stern, TVMovie und TV-Spielfilm, aber auch in Tageszeitungen, wie der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung, sowie in Beiheftern und Titelaufklebern in Lesezirkeln ist mehr als im Vorjahr die Zahnarztpraxis Dreh- und Angelpunkt der Aktionen: Das direkte Gespräch und die sachliche Aufklärung der Patienten ist ein zentrales Instrument der Kampagne 2004.
Das Rüstzeug für eine fundierte Überzeugungsarbeit liefern die Initiatoren mit: Der Kampagnenguide liegt dieser zm-Ausgabe bei. Werbemittel, die gezielt auf die bundesweite Aktion hinweisen und so verstärkt auf die Themen aufmerksam machen, können ab sofort in der KZBV-Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit abgerufen werden. Die zm werden fortlaufend über die Einzelheiten informieren. Weitere Datenblätter mit Informationen zu den Kernthemen, eine Arbeitshilfe für das Praxispersonal, Patientenbroschüren und ein nach Abschluss der Verhandlungen zu den Festzuschüssen erscheinendes Handbuch ergänzen die Materialien für die Praxis. Wie in der ersten Runde der Kampagne werden auch in den kommenden Monaten die Internet-Seiten von www.pro-zahn.de für die Kampagne eingesetzt. Gesondert ausgewiesen informieren dort zwei Homepages – für den Patienten und für das Praxisteam – ausführlich zur Kampagne und über die Themenschwerpunkte „Festzuschüsse“ und „Datenschutz“.
Münder werben für Sympathie
Einig war man sich im redaktionellen Beirat auch, dass die im Vorjahr eingebrachte Motivik der Kampagne beibehalten werden sollte. Die hohe Wiedererkennbarkeit wird als wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit der diesjährigen Aktionen genutzt. Das Motto „Uns geht’s um die Substanz. Ihre Zahnärzte“ bleibt Wahlspruch der Kampagne. Selbstredend, dass die Bildwahl entsprechend wieder fokussierte Münder sind.
Und wieder ist für die Initiatoren der Kampagne eine gehörige Portion Ehrgeiz mit im Spiel: „Wir wollen in diesem Jahr die Möglichkeiten für die Mitarbeit der Zahnärzte und ihrer Mitarbeiter deutlich ausbauen und die Vorjahreswerte der Beteiligung toppen“, so Dieter Krenkel: „Diese Kampagne lebt von der Umsetzung in den Praxen vor Ort.“
Den passenden Rahmen für diese Aufgabe schaffen knapp 230 Millionen Kontakte innerhalb der avisierten Zielgruppe, die durch die unterschiedlichen Instrumentarien der Kampagne erreicht werden. „Wir fahren diese bundesweite Aktion nach einem exakt ausgeklügelten Timing. Das bis in die Feinheiten abgestimmte System ist Ergebnis monatelanger Koordinationsarbeit und aufwändiger Logistik“, erläutert KZBV-Pressestellenleiter Dr. Reiner Kern den Aufbau der Kampagne.
Das Ziel ist ambitioniert, das zu Grunde liegende Motiv aber mehr als berechtigt: „Im Zuge der in der Bevölkerung bereits bestehenden Verunsicherung über das neue Gesetz brauchen wir gerade beim Meilenstein der befundorientierten Festzuschüsse das Vertrauen unserer Patienten“, weiß Dieter Krenkel: „Erreichen werden wir dieses Ziel nicht mit knochentrockenen Botschaften, sondern dort, wo es passt, gerade auch mit Humor. Die Kampagne ist – nicht zuletzt – auch Sympathie-Bildung für unseren Berufsstand.“