Erste Therapie-Erfolge beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom
Eingeschlossen in die Studie wurden Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom. Sie waren durchwegs in der zweiten Behandlungsphase („second line“), das heißt hatten unter der Standard-Chemotherapie einen Rückfall erlitten.
Zum Einsatz kam mit Erlotinib (Tarceva®) ein hochspezifischer Hemmstoff der HER1/EGFR-Tyrosinkinase. Erstmals wurde ein solcher Wirkstoff in der Phase III geprüft und die Erfolge dokumentiert: Im Vergleich zu den unbehandelten Vergleichspatienten verbesserte sich die Überlebenszeit der Patienten um fast die Hälfte. Diese Studie kann daher, wie sich Prof. Christian Mannegold, Heidelberg, ausdrückte , als „proof of principle“ betrachtet werden.
Nichtraucher reagieren wesentlich besser
Die multizentrische Studie BR 21 an 82 Kliniken erfasste 731 Patienten aus 17 Ländern mit fortgeschrittenem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC). Die Patienten sollten sich im NSCLC-Stadium IIIB/IV befinden, noch einen guten Allgemeinzustand besitzen (Performance-Status 0 bis 3) und der Tumor sollte messbar beziehungsweise evaluierbar sein. Alle Patienten hatten mindestens einen (50 Prozent), die übrigen bereits zwei bis drei Chemotherapiezyklen hinter sich.
Als primärer Endpunkt wurde die Überlebenszeit der Patienten festgelegt. Sekundäre Studienziele waren die Entwicklung der tumorbedingten Symptome, die progressionsfreie Überlebenszeit, Ansprechrate, Dauer der Remission und die Verträglichkeit des Medikaments. Es wurde 150 mg Erlotinib oral/die gegen gleich gestaltete wirkstofffreie Tabletten (Plazebo) getestet. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 2 : 1 (Verum : Plazebo).
Die wichtigsten Ergebnisse dieser historischen Studie waren nach Prof. Mannegold:
1.Die Überlebenszeit als primäres Therapieziel unterschied sich signifikant zwischen Verum- und Plazebogruppe. Betrug die durchschnittliche Überlebenszeit unter Erlotinib 6,7 Monate, so kamen die mit dem Scheinmedikament behandelten Patienten nur auf 4,7 Monate. Dies entspricht einer Erhöhung der Überlebensspanne um 42,5 Prozent (Abb.). Dieser Unterschied ist hoch signifikant (p = 0,001). 31 Prozent der Patienten unter Verum lebten nach einem Jahr Studiendauer noch, aber nur 22 Prozent aus der Vergleichsgruppe. Dies entspricht einer Verbesserung der Risikosituation um 41,0 Prozent.
2.Während unter Erlotinib neun Prozent der Patienten eine Voll- oder Teilremission erreichten, waren das unter Plazebo weniger als ein Prozent. Dieser Therapieerfolg war unabhängig von der Art und Anzahl der vorausgegangenen Chemotherapien und auch vom Grad des Ansprechens.
3.Typische Krankheitssymptome wie quälender Husten, Atemnot oder Schmerzen konnten unter Verum signifikant häufiger und für einen längeren Zeitraum gelindert werden.
Eine Analyse von Subgruppen ergab, dass wie auch bei bisherigen Chemotherapien Frauen besser ansprachen als Männer (p < 0,0065). Das weniger maligne Adenokarzinom sprach besser an als maligne Tumorformen wie das Plattenepithelkarzinom (p < 0,0001).
Besonders auffällig war der Unterschied zwischen der Gruppe der Nichtraucher (besonders derer, die nie geraucht hatten) und den Rauchern. Während 25 Prozent der ersten Gruppe einen gewissen Therapieerfolg zeigten, waren es aus der zweiten Gruppe nicht einmal vier Prozent. Auch dieser Unterschied ist hoch signifikant (p < 0,0001).
Nebenwirkung zur Therapiesteuerung
Für ein hoch wirksames Chemotherapeutikum war Erlotinib erstaunlich gut verträglich. Lediglich eine lästige Hauterscheinung, die sich als Akne-artiger Ausschlag manifestierte, machte den Patienten zu schaffen. Überraschender Weise sprachen die so reagierenden Patienten besonders gut an. Daher könnte es sich um eine Gruppe handeln, deren individuell erforderliche Dosis bereits erreicht ist.
Prof. Mannegolds Hypothese wird daher weiterzuverfolgen sein: Falls der Ausschlag ein Indikator für die individuell optimale Dosierung ist, könnte man bis zu dieser Dosis titrieren, um für allen Patienten den besten Effekt der Therapie herauszuholen. Eine Einführung von Erlotinib wird erst im Herbst kommenden Jahres erwartet. Allerdings sagte die Herstellerfirma Roche zu, dass an allen einschlägigen Zentren in Deutschland die Substanz zu Studienzwecken zur Verfügung gestellt werde.
T. U. Keil