Hartnäckige Lippenschwellung
Ein 34-jähriger Patient klagt über eine anhaltende Schwellung der Lippen und der Mundschleimhaut mit Rhagaden und aphthösen Läsionen. Von dermatologischer Seite werden eine Reihe von Diagnosen diskutiert: Quincke-Ödem, Kontaktdermatitis, atopisches Ekzem. Die Therapieversuche mit Antihistaminika und lokalen Steroiden sind jedoch nicht erfolgreich.
Genaue Diagnose richtungsweisend
Bei genauem Befragen gibt der Patient an, dass er täglich drei bis vier Mal einen weichen Stuhlgang absetze. Kein Fieber, kein Gewichtsverlust, keine Bauchschmerzen. Auch das Routinelabor ist unauffällig, ebenso die dermatophytische Untersuchung.
Daraufhin wird eine Biopsie im Bereich der Unterlippe durchgeführt. Histologisch finden sich epitheloidzellige Granulome im Sinne einer Cheilitis granulomatosa. Damit ist die Diagnose klar: Es handelt sich um einen Morbus Crohn. Bei der daraufhin durchgeführten Ileo-Koloskopie finden sich auch Ulcerationen, aphthöse Erosionen und ein Pflastersteinrelief im terminalen Ileum.
Rascher Therapieerfolg
Entsprechend den offiziellen Empfehlungen wird eine medikamentöse Therapie mit drei Gramm Mesalazin/Tag und 60 Milligramm Prednisolon eingeleitet. Darunter kommt es zu einer raschen Rückbildung der Cheilitis und zu einer allmählichen Normalisierung des Stuhlverhaltens.
Kutane Manifestationen beim Morbus Crohn
Der Morbus Crohn geht relativ häufig mit extraintestinalen Symptomen an der Haut einher. Am häufigsten ist das Erythema nodosum, seltener das Pyoderma gangränosum und die Akrodermatitis enteropathica. Bezüglich der Pathogenese sollte man zwischen den unspezifischen reaktiven Läsionen, wie dem Erythema nodosum, und spezifischen krankheitsbedingten Läsionen (Fissuren, Fisteln, orofaziale Granulomatose) unterscheiden. Aber auch nutritive Mangelzustände können bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung zu Hautsymptomen führen. Dazu gehört die Akrodermatitis enteropathica, die durch einen Zinkmangel verursacht wird. Dagegen führt ein Vitamin C- beziehungsweise Vitamin K-Mangel zu einer Purpura und ein Vitamin B-Mangel kann sich als Glossitis manifestieren.
Der orale Befall beim Morbus Crohn ist keine Seltenheit; denn insgesamt 60 Prozent aller betroffenen Patienten zeigen eine orofaziale Granulomatose, wobei Lippen und Gingiva am häufigsten betroffen sind. Deshalb empfiehlt sich bei Patienten mit unklaren abdominellen Beschwerden immer ein Blick in die Mundhöhle. Er kann diagnoseweisend sein.
Fabula docet
Der Morbus Crohn manifestiert sich häufig im Bereich der Lippen und der Mundhöhle in Form einer Cheilitis granulomatosa. Deshalb sollte bei Patienten mit unklaren abdominellen Beschwerden immer die Mundhöhle inspiziert werden und umgekehrt sollte bei entsprechenden Veränderungen in der Mundhöhle der Darm untersucht werden.
Dr. Peter StiefelhagenChefarzt der Inneren AbteilungDRK-Krankenhaus57627 Hachenburg