Der Patient als Partner
Der Zulauf war groß: Rund 170 Teilnehmer von Ärzte- und Patientenvertretern, Selbsthilfeorganisationen, Wissenschaft, Krankenkassen und gesundheitspolitischen Organisationen kamen zu einer Fachtagung im Universitätsklinikum Freiburg, die im Rahmen des Förderschwerpunktes „Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen“ des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) stattfand. Patientenbeteiligung ist ein Themenfeld, das in der internationalen Versorgungsforschung und Gesundheitspolitik schon sicher Fuß gefasst hat, auf dem in Deutschland derzeit aber noch Neuland betreten wird.
Die Freiburger Tagung brachte erstmals einer breiteren Fachöffentlichkeit die Aktivitäten in Deutschland auf diesem Gebiet nahe. Auf der Makroebene wurden Möglichkeiten geschaffen, die die Beteiligung von Patienten in der medizinischen Versorgung generell verbessern sollen. Zu nennen ist hier das GKV-Modernisierungsgesetz, die Veröffentlichung „Patientenrechte in Deutschland“, die Beteiligung von Patientenvertretern im Gemeinsamen Bundesausschuss oder die Ernennung einer Patientenbeauftragten der Bundesregierung. Auf der Mesoebene fördern die Spitzenverbände der Krankenkassen im Rahmen von Modellvorhaben Einrichtungen zur Verbraucher- und Patientenberatung, die sich die Aufklärung und Information von Versicherten zum Ziel gesetzt haben (§65b SGB V).
Auf der Mikroebene schließlich umfasst dies die individuelle Entscheidung im direkten Gespräch zwischen Arzt und Patient. Auf dieser Ebene entstand der Ansatz des Shared Decision Making (SDM), der in der deutschen Wissenschaft als Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) beschrieben wird. Das Konzept wurde ursprünglich für chronische Erkrankungen und für medizinische Entscheidungen entwickelt, bei denen mehrere evidenzbasierte Therapiemöglichkeiten zur Wahl stehen.
Prof. Dr. Glyn Elwyn, Dozent für Allgemeinmedizin an der Universität Swansea, Wales, und einer der Protagonisten von SDM, unterstrich die Wichtigkeit der Patientenbeteiligung. Patienten würden weitaus weniger riskante Entscheidungen treffen, wenn sie richtig informiert seien. Instrumente, um SDM zu unterstützen, seien:
• Fortbildung zur Förderung der ärztlichen Gesprächs- und Handlungskompetenz,
• Entwicklung von individuellen Entscheidungshilfen zur Information von Patienten,
• Patientenschulungen zur Vorbereitung der Beteiligung am Entscheidungsprozess.
Wichtig sei, dass sich das Verhältnis zwischen Arzt und Patient von einem paternalistischen zu einem partnerschaftlichen Umgang miteinander wandele, erklärte Tagungsleiter PD Dr. Dr. Martin Härter, Abteilung Psychiatrie und Psychologie Freiburg. Mehr Beteiligung sei notwendig, um dem Patienten ein höheres Wissen über Therapiemöglichkeiten zu geben, realistischere Erwartungen über den Verlauf einer Erkrankung oder eine höhere Zufriedenheit zu wecken.
Ziel des BMGS-Förderschwerpunktes ist es, modellhaft zu erproben, wie eine partnerschaftliche Beteiligung realisiert werden kann. Am 30. Oktober 2000 wurde er öffentlich bekannt gegeben. 158 Anträge gingen ein, die von einem Gutachtergremium bewertet wurden. Zehn Projekte aus ganz unterschiedlichen medizinischen Bereichen (siehe Grafik) wurden ausgewählt, die für drei Jahre mit insgesamt rund drei Millionen Euro vom BMGS unterstützt werden, und die seit 2001 ihre Arbeit aufgenommen haben. Eine enge wissenschaftliche Anbindung in die USA und England, die schon seit den 80er Jahren mit diesen Konzepten arbeiten, wird gepflegt. Die zehn Projekte haben sich zu einem Verbund zusammengeschlossen. Eine indikationsübergreifende Arbeitsgruppe (Methoden-AG) mit Sitz in Freiburg hat die konzeptionelle Weiterentwicklung und die Anpassung an das deutsche Versorgungssystem übernommen. Die Projekte werden Ende 2004 abgeschlossen sein und Ergebnisse präsentieren.
Der Förderschwerpunkt sei, so BMGS-Vertreterin Dr. Hiltrud Kastenholz, ein wichtiger Baustein zu Weiterentwicklung der Qualität im Gesundheitswesen.
Mehr Infos zum Thema unter www.patientals-partner.de oder im neuen Band 2, März 2004 der Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, Schwerpunkt „Partizipative Entscheidungsfindung“.