Medizinischer denken und handeln
„Unser Fach wird in der diagnostischen Bedeutung unterschätzt. Es birgt zahlreiche Potentiale für Prävention und rechtzeitige Therapie von Herz- und Kreislauferkrankungen, chronischen Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder von Tumoren“, erklärte Oesterreich auf der Pressekonferenz zur diesjährigen Veranstaltung. Auf der Tagung betonte der Präsident, dass „die medizinische und zahnmedizinische Bedeutung für Befunderhebung und Diagnostik deutlich steigt“, die Zahnmedizin aber „oftmals sehr stark durch die gesundheitsökonomische Brille betrachtet wird“. Erfreulich sei hingegen, dass die unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Reiner Biffar (Greifswald) erstellte, weit in den medizinischen Bereich zielende Fortbildung mit etwa 750 Teilnehmern so enormen Zuspruch fand. Auch die Vorsitzende der Wissenschaftlichen Gesellschaft für ZMK des Landes, Prof. Rosemarie Grabowski, betonte, dass es im Vorfeld keine Kontroverse über die Aufnahme der Thematik gegeben habe. Prof. Biffar bemängelte in seiner Einführung das „manchmal sehr oberflächliche Wissen, oftmals auch den Verlust des Kontaktes zur Allgemeinmedizin“ von Zahnärzten. Das Tagungsprogramm bot die entsprechende Anknüpfung mit Vorträgen zu verhaltensbedingten Risiken in der Therapie durch Tabak und Alkohol (Prof. Kocher, Greifswald), Präventions- und Therapiestrategien bei Allergien (Prof. Fuchs, Göttingen) wie auch Manifestationen rheumatischer Erkrankungen im Kiefer-Gesichtsbereich (Prof. Reich, Bonn).
Eine Rückbesinnung auf die „Medizin als Basis unseres Berufsstandes“ forderte Prof. Meyer (Greifswald) in seinem Vortrag über „Wechselwirkungen der Kaufunktion mit allgemeinen Körperfunktionen“. Anhand konkreter Beispiele wie Tinnitus oder Kopfschmerzen argumentierte Meyer für die Notwendigkeit medizinisch interdisziplinären Denkens in der Zahnmedizin. Den aktuellen Blick auf die Erkenntnislage bakterieller und viraler Erkrankungen bot Prof. Gürtler (Greifswald), auf die (Rezidiv-) Prophylaxe von Endokarditiden bei zahnärztlichen Erkrankungen (Prof. Reichert, Mainz), auf Diagnostik und Früherkennung systemischer Erkrankungen oder Melanome im Bereich von Gesicht oder Mundschleimhaut (Dr. Bengel, Bensheim; Prof. Sümnig und Dr. Swensson, Greifswald) sowie auf den Umgang mit älteren, durch cerebrale Veränderungen geprägte Patienten (Prof. Benecke, Rostock und Prof. Biffar). Themen des traditionell von der Hamburger Zahnärztekammer gestalteten Nachmittages waren interdisziplinäre Behandlungskonzepte (Dr. Ibe) sowie Diagnostik, interdisziplinäre Strategie, therapeutisches Konzept und Rehabilitation von craniomandibulärer Dysfunktion (Dr. Reitz, Dr. Severin von Gadomski).
Festzuschüsse unberührt
Den standespolitischen Abend prägte das aktuelle Rückzugsmanöver des Gesetzgebers bei der Ausgrenzung des Zahnersatzes: Gemeinsam standen Dr. Oesterreich, der KZVVorsitzende Dr. Wilfried Kopp sowie KZBV-Vorstandsmitglied ZA Ralf Wagner Rede und Antwort zur neuen Gesetzesvorlage sowie zu den davon wohl unberührt gebliebenen Festzuschüssen. Oesterreich betonte, dass die Festzuschuss- Thematik keine Ausgliederung der Zahnheilkunde aus der GKV sei, vielmehr eine evolutionäre Weiterentwicklung mit zahlreichen Vorteilen.
Der KZV-Vorsitzende Kopp betonte, dass die Umsetzung des Festzuschusssystems aufkommensneutral vollzogen wurde, lobte gleichzeitig diese „nach oben offene“ Lösung und deren Vorteile für den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Ralf Wagner, auf Bundesebene an den Verhandlungen im Bundesausschuss beteiligt, forderte ausdrücklich den Abschluss notwendiger Übergangsregelungen zur neuen Systematik. Hier hätten sich die Krankenkassen bis zum Veranstaltungstermin einer Lösung verweigert.