Der Patient als Gewinner
„Der Patient hat gewonnen”, erklärte Fedderwitz im überfüllten Saal des Hauses der Bundespressekonferenz: „Entgegen allen Unkenrufen der Krankenkassen werden gesetzlich Krankenversicherte auch im nächsten Jahr mit ihrer prothetischen Versorgung nicht schlechter gestellt sein als bisher, in vielen Fällen sogar besser.“
In weit über 90 Prozent der Fälle werde sich für die finanzielle Belastung der Patienten gegenüber heute nichts ändern. Die Einschränkung: Mehr bezahlt werden müsse künftig für „Luxus“. „Auch wenn die Krankenkassen versucht haben, den Bereich der Regelleistung deutlich in diese Richtung auszudehnen, ist das nicht Aufgabe der GKV”, betonte der KZBV-Vorsitzende. Pflicht sei vielmehr gewesen, angesichts der bestehenden Finanzbelastung den GKV-Anspruch „auf die Versorgungswirklichkeit zurückzuschrauben“.
Die Kassen wollten ausscheren
Absolute „Deadline“ beim im Bundesausschuss ausgehandelten Zahnersatz sei der Zuschuss für eine Brücke bis zu vier fehlenden Zähnen. Was darüber hinaus geht, fällt in der Regelversorgung künftig als herausnehmbare Prothese an. „Dieser Opulenz- Antrag der Kassen wurde im Bundesausschuss abgelehnt”, berichtete Fedderwitz. Für die Patienten sei das kein Nachteil. Die Frequenz dieser Fälle liege bei weniger als einem Prozent des Zahnersatzes. Und der Zuschuss der GKV für bis zu vier fehlende Zähne mache künftig sogar mehr aus als noch zurzeit. Verhindert habe die KZBV auch weitere überzogene Forderungen der Kassen, beispielsweise die angedachte Einbeziehung des Einzelzahnimplantats oder der Unterkieferstegversorgung. „Insgesamt ist das Versorgungsniveau nicht verändert worden, auch die Zuschusssituation ist nahezu gleich geblieben“, bestätigte auch der an der Verhandlungsführung aktiv beteiligte KZBV-Vorstand Dr. Wolfgang Eßer. Änderungen hätten sich nur in einem Bereich unter fünf Prozent der Fälle ergeben. Betroffen sei in erster Linie der „Komfort- oder Wellnessbereich“. Bei den so genannten Einfachlösungen stehe sich der Patient – bezogen auf den zu zahlenden Eigenanteil – künftig sogar besser als bisher, erläuterte Vorstandsmitglied Eßer den Medienvertretern die Ergebnisse an Einzelbeispielen.
Das immense Interesse der Medien an den Verhandlungsergebnissen des Vorabends – in Köln hatte man sich bis auf „wenige noch abzustimmende Details“ auf acht Kernbereiche mit insgesamt 43 Festzuschüssen geeinigt – war auch Folge von öffentlichen Provokationen der Krankenkassen: „Bis zu 1,1 Milliarden Euro mehr“ müssten die Patienten künftig zahlen, so die Warnungen von Kassenseite vor einer „zu erwartenden Abzockerei“ der Patienten durch die Zahnärzte. Diese Summe, behaupteten die Kassenstrategen, würden Deutschlands Zahnärzte künftig durch in den Verhandlungen gezielt betriebenes Ausgrenzen von Leistungspositionen aus der Regelversorgung privatwirtschaftlich zuverdienen.
„Absurd“, so Fedderwitz dazu kurz und knapp. Bisher liege das gesamte Honorar der Zahnärzte für den Bereich Zahnersatz in dieser Höhe. Die verbleibenden zwei Drittel des GKV-Budgets für ZE in Höhe von insgesamt 3,3 Milliarden Euro entfielen auf Materialkosten. Rechnerisch wäre somit laut Krankenkassen eine Verdopplung der bisherigen Honorare zu erwarten. „Eine ebenso unwahrscheinliche wie unseriöse Panikmache“, so die KZBV zur Propaganda der Verhandlungsgegner. Zur Erinnerung: Die Kassen hatten auch im Zuge der Festzuschuss- Einführung 1997/98 unter dem damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer durch Unterstellungen gegen die Zahnärzteschaft die Politik zum Rückzug getrieben. Entsprechend wurden die Behauptungen über eine künftig mögliche Ausweitung der zahnärztlichen Honorare seitens der KZBV mit Nachdruck zurückgewiesen: Solche Mutmaßungen zum Zahnersatz seien, so KZBV-Vorstandsmitglied Eßer, mit Blick auf die Budgetierung im System ohnehin irreal: „Alle Leistungen, die über das Budget hinaus gehen, werden nicht vergütet.“ Hier leisteten die Zahnärzte ohnehin jedes Jahr Arbeit im Wert von etlichen Millionen Euro „für Lau“.
„Das Gesetz gibt den Auftrag, in den Festzuschüssen die zahnmedizinische Versorgungswirklichkeit von Heute abzubilden. Diesem Auftrag haben sich alle Beteiligten im Bundesausschuss in großer Verantwortung gestellt. Nun versuchen die Kassen hier offenbar auszuscheren und machen dafür auch noch die Zahnärzteschaft verantwortlich”, ärgerte sich auch der KZBV-Vorsitzende Fedderwitz. Wer vor diesem Hintergrund den Eindruck erwecken wolle, die neue Regelung sei für die Zahnärzte „eine Lizenz zum Gelddrucken“, der zeige allenfalls, dass ihm die neue gesetzliche Regelung aus anderen Gründen „ein Dorn im Auge“ sei.
Druck aus dem Ministerium
Schützenhilfe kam in diesem Fall einmal aus dem Bundesgesundheitsministerium: „Die Versorgung mit Zahnersatz bleibt für die Versicherten in der Regel auf dem heutigen Versorgungsniveau. Die Versicherten können jedoch mit Festzuschüssen besser kalkulieren, und sie müssen nicht mehr befürchten, dass sie die Kassenleistung verlieren”, hieß es in einer prompten Reaktion von BMGS-Sprecher Klaus Vater zur in der Bild- Zeitung berichteten Kassen-Unterstellung. In der Tat will das Ministerium augenscheinlich mit allen Mitteln vorsorgen, dass die von linken SPD-Kreisen und Krankenkassen stark opponierte Festzuschuss-Regelung nicht in ähnliche Fahrwasser gerät wie die Anfang des Jahres angegriffene Zehn Euro-Kassengebühr.
Letztlich hatte in den Bundesausschuss-Verhandlungen im Kölner Zahnärztehaus dann doch die Vernunft obsiegt: „Auch die sozial Schwachen werden nicht, wie es die Krankenkassen angestrebt hatten, im Regen stehen gelassen”, so Fedderwitz zum Versuch der GKV-Seite, in der Frage der Versorgung von Härtefällen anfallende Zuzahlungen nicht zu übernehmen. In diesem Fall wurde nach „gehörigem Druck des Ministeriums auf die Kassen“ erreicht, dass die Regelleistung beim Zahnersatz zuzahlungsfrei bleibt. „Wenn beim Härtefall die Kosten den doppelten Festzuschuss übersteigen”, so auch der an der Verhandlungsführung intensiv beteiligte KZBV-Vorstand Dr. Günther E. Buchholz, „werden die Krankenkassen die Restbeträge mit übernehmen“. Damit wurde erreicht, dass die Kosten für Härtefälle im vollen Umfang übernommen werden.
Mercedes bestellen, aber nur Golf bezahlen
Letztlich sei die von GKV-Seite geschürte Angst alles andere als begründet, versicherte der KZBV-Vorsitzende Fedderwitz gegenüber den Journalisten. Das Gegenteil sei richtig: „Die Festzuschüsse, die im kommenden Jahr beim Zahnersatz eingeführt werden, sichern dem Patienten erhebliche Vorteile.“ Er habe künftig größere Wahlfreiheit und „könne am medizinischen Fortschritt direkt teilhaben“. Ein herausragendes Beispiel sei die Implantatversorgung, für die der GKVPatient bisher keinen Zuschuss erhielt.
Beendet sei künftig auch die im Rahmen prozentualer Zuschüsse herrschende soziale Ungerechtigkeit, dass ein höherer Eigenanteil für eine „opulentere“ Versorgung auch einen höheren Kassenanteil garantiere. Die neue, klarere Struktur sei zudem auch vorteilhafter für die Kassen: Sie schaffe mehr Transparenz, ermögliche somit auch eine bessere Planung.
Und der weitere Weg? Mit der Einigung vom 23. Juni seien, so Vorstandsmitglied Buchholz, „alle Befunde verabschiedet“. In Laufe zweier weiterer Sitzungen werde es darum gehen, in Details redaktionelle Anpassungen vorzunehmen, um „Missverständnisse in der Auslegung zu vermeiden“.
Bis zum 30. September hat der Bundesausschuss nunmehr die Aufgabe, die finanzielle Struktur der Festzuschüsse zu klären. Auf dieser Basis wird dann auch eine exakte Einschätzung der Kosten für die künftig erforderliche Zusatzversicherung möglich. Die zahnärztlichen Verhandlungsteilnehmer zeigten sich zuversichtlich, dass die für die GKV-Versicherung anzusetzenden Kosten im Rahmen bleiben: „Auch wenn der Monatsbeitrag noch nicht fest steht, wird er sich wohl deutlich unter zehn Euro bewegen”, prognostizierte KZBV-Chef Fedderwitz.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte die Beteiligten im Vorfeld aufgefordert, für „eine sechs vor dem Komma“ zu sorgen. Der Versuch der Kassen, während der Verhandlungen „den Mercedes zu bestellen, aber nur den Golf bezahlen zu wollen“, habe laut Fedderwitz allerdings zu einer anderen Situation geführt. Die KZBV hält angesichts der bisherigen Ergebnisse einen Monatsbeitrag um die acht Euro für möglich.
Ausdrücklich rieten die KZBV-Vorstände den Versicherten davon ab, schon jetzt eine Entscheidung für einen speziellen Versicherungsanbieter zu treffen. Fedderwitz: „Da wird von Seiten der Versicherer momentan mit der Unsicherheit der Menschen gespielt. Das ist unseriös. Erst im Herbst dieses Jahres werden alle Voraussetzungen für die Zahnersatzversicherung geklärt sein. Erst dann sollte der Versicherte auch prüfen und entscheiden.“ mn