Was Uhrglas-, Löffel- und Weißnagel verraten
Verschiedene innere Erkrankungen können eine Veränderung des Aufbaus, der Oberflächenstruktur sowie der Farbgebung der Nagelplatte induzieren. Durch die Lokalisation an den Endphalangen sind Alterationen der Nägel einer visuellen Inspektion leicht zugänglich. Jedoch muss bedacht werden, dass – ähnlich wie die Haut – die Nageleinheit, bestehend aus Nagelplatte, Nagelmatrix, Nagelbett und Nagelfalz, nur eine begrenzte Anzahl von Reaktionsmustern bei verschiedenen inneren Erkrankungen auszubilden vermag.
Uhrglasnagel
Diese Veränderung ist durch eine Beschreibung von Hippokrates im Corpus Hippocraticum seit dem Altertum bekannt. Der Uhrglasnagel weist eine große, sowohl transversal als auch longitudinal gewölbt erscheinende Nagelplatte auf, die häufig kombiniert mit einer hyperostotischen Auftreibung der Endphalanx des Fingers und/oder Zehes („Trommelschlägelfinger“) auftritt (Abb. 1). Die Veränderung kommt sowohl in Einzahl als auch in Mehrzahl vor. Ersteres findet sich gehäuft bei lokalen Gefäßveränderungen (Aneurysma, arteriovenöse Fistel und andere), Letzteres eher bei erblichen, idiopathischen oder erworbenen Erkrankungen.
Den Veränderungen gemeinsam ist eine Hypoxie, die unter Umständen zu einer vermehrten Bildung von Wachstumsfaktoren führt. Diese wiederum können eine Hyperplasie des fibrovaskulären Gewebes zwischen Knochen und Nagelmatrix induzieren. Symmetrische Uhrglasnägel mit Ausbildung von Trommelschlägelfingern und einer akralen Zyanose finden sich gehäuft bei angeborenen Herzfehlern mit Rechts-Links-Shunt. Die Tabellen 1a und b geben eine Übersicht über erworbene Formen des Uhrglasnagels und assoziierte beziehungsweise kausale innere Erkrankungen.
Löffelnagel
Dieser entspricht mit seinem konkaven Zentrum und erhabenen Rand dem Spiegelbild des Uhrglasnagels (Abb. 2). Häufig findet sich ein Befall der Fingernägel – insbesondere des Daumens – und seltener eine Affektion der Zehen. Eine Ausnahme besteht in den ersten Lebensjahren. Zu diesem Zeitpunkt sind entsprechende Nagelplattenveränderungen an den Zehen physiologisch. Bei Kindern bestehen signifikante Korrelationen zwischen Löffelnägeln und Eisenmangel, welche den klinischen und laborchemischen Zeichen der Eisenmangelanämie vorausgehen können. Ursächlich wird eine – im Vergleich zur proximalen Nagelmatrix – relativ niedrig angelegte distale Nagelmatrix angesehen, die mit einem sauerstoffmangelversorgten, atrophischen Bindegewebe assoziiert ist. Tabelle 1 fasst wichtige, für den Löffelnagel ursächliche beziehungsweise assoziierte innere Erkrankungen zusammen.
Weißnagel („Leukonychie“)
Die Leukonychie ist die häufigste Farbanomalie der Nagelplatte. In Abhängigkeit von der Ätiologie werden vorübergehende oder dauerhafte Veränderungen der Farbgebung der Nagelplatte gesehen. Es werden klinisch drei Arten der Leukonychie unterschieden:
Echte Leukonychie
Hier findet sich eine Weißverfärbung der Nagelplatte infolge einer Lichtbrechung, die durch eine umschriebene Anhäufung parakeratotischer Zellen bedingt ist. Klinisch finden sich punktförmige, streifenförmige (Abb. 3) oder vollständige Weißverfärbungen der Nagelplatte. Bei einer Sonderform der streifenförmigen Leukonychie, den so genannten Muehrcke-Bändern, finden sich weißliche, quer verlaufende Streifen, die sich paarweise über die gesamte Nagelplatte ziehen. Häufig besteht hier eine Hypalbuminämie oder ein Zustand nach Radiatio.
Scheinbare Leukonychie
Bei der scheinbaren Leukonychie sind Nagelplatte und Nagelbett unauffällig. Veränderungen finden sich hier in Form einer Onycholyse, das heißt Ablösung der Nagelplatte vom Nagelbett, einer subungualen Hyperkeratose oder aber einer Veränderung der Nagelmatrix, beispielsweise im Sinne einer Makrolunula.
Pseudoleukonychie
Diese ist durch äußere Einwirkungen auf die Nagelplatte gekennzeichnet, wie beispielsweise bei der superfiziellen Onychomykose. Tabelle 1 gibt eine Übersicht ursächlicher beziehungsweise assoziierter innerer Erkrankungen bei der echten Leukonychie der Nagelplatte.
Dr. med. Matthias MöhrenschlagerKlinik und Poliklinik für Dermatologie undAllergologie am Biederstein, TU MünchenBiedersteiner Str. 2980802 MünchenE-Mail:moehrenschlager@lrz.tum.de
Dieser Beitrag erfolgt mit freundlicherGenehmigung des Verlags als Nachdruckaus MMW-Fortschr. Med. Nr. 38/2003.