Der berühmteste aller Preise
Wer „im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet“ hat, kommt als Kandidat für den Nobelpreis in Frage. So hat es sein Stifter, der Industrielle Alfred Nobel, 1896 in seinem Testament verfügt. Aufgrund von Erbstreitigkeiten konnte der Preis aber erst 1901 zum ersten Mal vergeben werden. Ursprünglich hatte der Erfinder des Dynamits fünf Kategorien festgelegt: Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden. Im Jahr 1968 kamen auf Initiative der Schwedischen Reichsbank die Wirtschaftswissenschaften hinzu. Auf diesem Gebiet hat sich bisher erst ein Deutscher durchgesetzt. Auf allen anderen sind die Reihen der Gekürten länger. Die Physik zum Beispiel kann 23 Preisträger vorweisen. Der neueste Zugang: der Quantenphysiker Hänsch.
er Direktor für Quantenoptik am Max Planck Institut in Garching muss sich den Gewinn allerdings mit zwei amerikanischen Wissenschaftlern teilen. Alle drei werden für ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Spektroskopie ausgezeichnet – der Erforschung der von Gasen, Flüssigkeiten und festen Körpern ausgesandten Wellenlängen. Der besondere Verdienst des Deutschen ist die Entwicklung eines optischen Frequenzkamm- Synthesizers, mit dessen Hilfe die Zahl der Lichtschwingungen pro Sekunde so genau gezählt werden kann wie nie zuvor. Der Praxisnutzen dieser Erfindung: Treffen Atome oder Moleküle auf Laserlicht, können über die entstehenden Farben ihre chemischen Bestandteile bestimmt werden. So lassen sich beispielsweise Schadstoffe in der Erdatmosphäre sehr präzise analysieren. Das ist aber nur eine Anwendungsmöglichkeit. Der in Farbspektren aufgeteilte Laserstrahl kann außerdem als Datenautobahn mit einer Vielzahl von Fahrspuren genutzt werden.
Nobelpreisträger Hänsch tritt in große Fußstapfen. Vor ihm kamen unter anderem Wilhelm C. Röntgen (1901), Max Planck (1918) und Albert Einstein. Letzterer musste allerdings lange auf die Auszeichnung warten. Jahr für Jahr wurde er vom Nobelkomitee abgelehnt. Seine Studien seien zu theoretisch und ein praktischer Nutzen nicht erkennbar, hieß es als Begründung. 1921 erhielt der Begründer der Relativitätstheorie den Preis schließlich doch – für das Gesetz des photoelektrischen Effekts. Das Preisgeld floss jedoch nicht in neue Forschungsprojekte. Nein, Einstein führte weit Weltlicheres damit im Schilde. Er hatte es seiner Frau Mileva versprochen, damit sie in die Scheidung einwilligte.
Von der Tuberkulose bis zur Photosynthese
Die medizinische Forschung feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: Vor genau hundert Jahren wurde der Forscher Robert Koch in den Kreis der Laureaten aufgenommen. Er erhielt den Nobelpreis für die Entdeckung des Tuberkulosebakteriums. Durch diese und andere Arbeiten hat der Begründer der Bakteriologie das Verständnis von Infektionskrankheiten geprägt: Er bewies, dass Bakterien nicht im Laufe einer Krankheit als ihr Nebenprodukt entstehen, sondern vielmehr als deren Ursache zu gelten haben. Mit seinem Heilmittel für Tuberkulose, dem Tuberkulin, hatte Koch allerdings wenig Erfolg: Es führte zu Gesundheitsschäden. Als Diagnostikum für die Erkrankung wird es aber bis heute eingesetzt.
Die vorerst letzte in der Reihe der 15 deutschen Medizinlaureaten ist Christiane Nüsslein- Volhard. Das Nobelkomitee wählte die Biologin wegen ihrer Erkenntnisse über die genetische Steuerung der frühen Embryonalentwicklung aus. Zusammen mit ihrem amerikanischen Kollegen Eric Wieschaus identifizierte und systematisierte sie Gene, die im Ei der Taufliege die Anlage des Körperplans steuern. Nüsslein-Volhard ist eine von 33 Frauen, die bisher einen Nobelpreis erhielten. Insgesamt wurde er 776 Mal vergeben.
Am häufigsten durften bisher die deutschen Chemiker nach Schweden reisen. 1902 machte Hermann Emil Fischer den Anfang. Der so genannte Vater der Biochemie erhielt den Preis für die Synthese des Traubenzuckers und seine Arbeiten über Purine, die Bausteine der Nukleinsäure. Im menschlichen Körper werden Purine als Harnsäure abgebaut. Fischer gelang 1898 erstmals deren Synthese. Mit seinem Erfolg überflügelte er seinen früheren Lehrer, Adolf von Baeyer. Der erhielt den Nobelpreis erst drei Jahre später, unter anderem für die künstliche Herstellung des Indigofarbstoffs. Auf die beiden ersten deutschen Chemielaureaten folgten 25 weitere. Zuletzt das Dreiergespann Johann Deisenhofer, Robert Huber und Hartmut Michel, die 1988 für ihre Forschung auf dem Gebiet der Photosynthese, speziell der Bestimmung der räumlichen Struktur von Proteinen, ausgezeichnet wurden.
Literatur und Frieden
Fast wäre Deutschland ein Nobelpreisträger durch die Lappen gegangen: Eigentlich wollte Gerhart Hauptmann Bildhauer in Rom werden. Hätte er seinen Traum verwirklicht, wäre für die Literatur wohl kaum viel Zeit geblieben. So aber bekam der Autor des Dramas „Die Weber“ als dritter deutscher Literat die Auszeichnung im Jahr 1912. Es folgten Thomas Mann (1929), Hermann Hesse (1946), Nelly Sachs (1966), Heinrich Böll (1972) und Günther Grass (1999). Der Menschheit großen Nutzen leisten konnte in den Augen Nobels auch und vor allem, wer sich um den Frieden bemüht macht. Bis dato wurden von seiner Stiftung vier Deutsche ins norwegische Oslo eingeladen, wo traditionell die Verleihung des Friedenspreises stattfindet. Als würdig auf diesem Feld wurden befunden: Reichskanzler Gustav Stresemann (1926) sowie der französische Außenminister Aristide Briand für ihren Beitrag zur deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Ersten Weltkrieg. Ludwig Quidde (1927) für sein Engagement als Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft. Dritter deutscher Laureat auf diesem Feld wurde der Publizist Carl von Ossietzky im Jahre 1935. Der Gegner des Naziregimes erfuhr von seiner Auszeichnung im Konzentrationslager Esterwegen- Papenburg. Die Reise zur Preisverleihung wurde dem zu diesem Zeitpunkt schon stark an Tuberkulose erkrankten Ossietzky verboten. Im Mai 1938 starb er an den Folgen der Infektion. Zuletzt fiel die Wahl des Nobelkomitees 1971 auf einen Deutschen. Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt erhielt den Preis für seine Ostpolitik, die die Entspannung und den Ausgleich mit den Staaten jenseits des Eisernen Vorhangs suchte. Mehr als 30 Jahre später hat Brandts Dankesrede scheinbar wenig an Aktualität eingebüßt: „Spannungsabbau und Zusammenarbeit der Völker, Abrüstung und Waffenkontrollen, Partnerschaft mit denen, die bisher als die Verlierer galten, gemeinschaftlicher Schutz gegen Gefahren und gegenseitige Zerstörung – all das muss möglich sein und dafür müssen wir uns einsetzen.“ sth