Nadeln im Heuhaufen
Discount-, Bonus-, Garantie-, Index- oder Hedge-Fonds-Zertifikate bietet der Markt. Und beinahe jede Woche kommt eine neue Variante hinzu. Diese Begriffe bei einer Diskussion um die optimale Geldanlage mal eben in die Runde geschmissen, das schindet Eindruck! Doch kaum jemand weiß, was sie bedeuten. Inzwischen existieren rund 20 000 verschiedene Zertifikate am deutschen Markt, für den privaten Anleger ein unmögliches Unterfangen, dabei den Durchblick zu bekommen. Erfunden wurden die attraktiven Wertpapiere bereits vor der Jahrtausendwende. An Bedeutung gewannen sie erst, als kaum jemand noch Interesse an der Börse bekundete. Zu riskant erschien vielen Anlegern das Geschäft mit einzelnen Aktien oder Aktienfonds.
Diese Derivate – das sind abgeleitete Wertpapiere – erlauben den Zugriff auf die Börse mit eingebauten Sicherheitspolstern oder auch Beschleunigern. Plötzlich werden Spekulationen mit Aktien und Indizes, Währungen und Rohstoffen, Anleihen und Warentermingeschäften für Otto Normalverbraucher möglich. Sogar auf die verschiedenen Kursrichtungen an der Börse wie Hausse (steigende Kurse) oder Baisse (fallende Kurse) kann gesetzt werden.
Zertifikate werden an der Börse gehandelt. Ihre Laufzeit liegt – je nach Typ – zwischen einem und fünf Jahren. Anlage- und Hebelzertifikate werden wohl auch in diesem Jahr Rekordumsätze verzeichnen können.
Die etwas andere Anlage
Was ist das Besondere an diesen Papieren? Und wie funktionieren sie? Rein technisch gesehen handelt es sich bei Zertifikaten um Inhaberschuldverschreibungen, ausgegeben von einer Bank, dem Emittenten. Letztere wiederum verpflichtet sich, dem Käufer der Papiere zu einem vorher festgelegten Termin einen Betrag zurückzuzahlen, dessen Höhe vom Wert der Aktien oder Anleihen, vom Stand des Index oder dem Preis der jeweiligen Ware abhängt, auf denen das Zertifikat basiert. Hierin liegt auch ein großes Risiko: Geht der Emittent pleite, kann der Investor sein eingesetztes Kapital abschreiben. Deshalb ist es wichtig, vor dem Kauf eines Zertifikats genau dessen Herkunft zu überprüfen. Denn die ist genauso entscheidend wie die Bonität des Schuldners einer Anleihe. Also: Finger weg von Exoten.
Noch ein Grund, sich nicht von der Hektik im Handel mit Zertifikaten anstecken zu lassen: Zertifikate werden schnell emittiert. Ändert sich die Börsen- oder Konjunkturlage, schon erscheinen ein oder zwei Wochen später die zur Situation passenden Papiere. Nur: bis dahin haben sich die Bedingungen eventuell bereits wieder verändert.
Statt vergangenen Zeiten hinterherzurennen, sollten Anleger, die sich für Zertifikate entscheiden, erst einmal ihre Anlagestrategie festlegen und dann sehen, welche Papiere am besten dazu passen.
Es ist gar nicht so einfach, die richtige Wahl zu treffen. Das Angebot ist riesig – der Fantasie scheinbar keine Grenze gesetzt. Die häufigsten Varianten heißen Indexzertifikate, Bonuszertifikate, Discountzertifikate und Garantiezertifikate.
Indexzertifikate
Diese einfachste Form der Zertifikate steigt und fällt wie der Index, der ihm zugrunde liegt. Das können bekannte Indizes wie der Dax oder Euro Stoxx sein. Andere bilden ganze Branchen ab, so dass der Anleger von einem boomenden Segment – zum Beispiel Technologie oder Rohstoffe – zu einer Branche wechseln kann, die sich in Ruhe entwickelt, wie Versorgungsunternehmen. Der Unterschied bei den An- und Verkaufskosten ist bei diesen Papieren gering. Teurer wird es, wenn exotische Indizes die Basis bilden. Für Anleger bleibt der Kursverlauf des Zertifikats nachvollziehbar und ein Index kann nicht pleite gehen. Am besten eignen sich Performance-Indizes wie der Dax. Dann kassiert der Anleger bei ausgezahlten Dividenden mit. Allerdings machen diese Zertifikate auch jede andere Bewegung an der Börse mit, auch die Baisse.
Bonuszertifikate
Wer sich für ein Bonuszertifikat entscheidet, bekommt am Ende der Laufzeit seinen Einsatz plus einem Aufgeld ausgezahlt – vorausgesetzt, der Kurs sackt nicht unter eine vor dem Kauf festgesetzte Schwelle. Nur wenn diese Untergrenze tief genug festgelegt wurde, ist der Bonus gesichert. Ein Bonuszertifikat wirft so deutlich mehr Rendite ab als ein normales Indexpapier. Unterschreitet der Kurs die Marke, mutiert das Bonus- zu einem einfachen Indexzertifikat. Die fälligen Dividenden, die auf die im Zertifikat enthaltenen Aktien gezahlt werden, sind nach einem Jahr Haltefrist steuerfrei.
Discountzertifikate
Bei dieser Variante wird es für Laien schon komplizierter. Discountzertifikate beinhalten meistens eine Aktie oder einen Index. Dieses Papier wird mit einem Abschlag (Discount) auf den aktuellen Kurs verkauft. Zum Ausgleich sind die Gewinnchancen begrenzt. Steigt die Aktie, steht dem Anleger nur ein Gewinn bis zu einer bestimmten Grenze (Cap) zu. Diese Zertifikate lohnen sich, wenn die Börse vor sich hin dümpelt und keine großen Sprünge in der Luft liegen. Die Laufzeit von Discountzertifikaten liegt meist bei einem bis eineinhalb Jahren. Es sei denn, es handelt sich um die erweiterte Variation, das Rolling-Discount-Zertifikat. Bei diesem ist die Laufzeit nicht begrenzt. Den Discount oder Abschlag bekommt der Anleger jeden Monat neu. Die Höhe ist variabel und richtet sich nach den Marktgegebenheiten.
Garantiezertifikate
Sie sind so konstruiert, dass sie dem Anleger das eingesetzte Kapital erhalten sollen. Meistens bilden sie einen Index ab. Die älteren Modelle orientierten sich am Indexstand zum Ende der Laufzeit. Lag der über dem Kurs zum Kaufzeitpunkt, gab es einen Zuschlag bei der Rückzahlung. Jetzt haben die Zertifikat-Kreateure ein Fangnetz eingebaut, so dass der Kurs maximal um zehn Prozent fallen kann. Steigen die Papiere auf neue Höchststände, darf der Anleger sich über hohe Gewinne freuen.
Ein Beispiel: Die niederländische ABN Amro-Bank hat ein Zertifikat mit dem wohlklingenden Namen Renditejäger ausgegeben, das auf dem Dax fußt. Setzt der Index zu einem Höhenflug an, zieht das Zertifikat mit und der Investor ebenso. Der Unterschied zwischen Kurs und unterer Grenze beträgt nie mehr als zehn Prozent; 90 Prozent des eingesetzten Kapitals sind dem Anleger immer garantiert. Weitere Variationen des ABN-Amro-Papiers gibt es bei der Commerzbank oder bei der Hypo-Vereinsbank. Wichtig ist, dass es sich um Performance-Zertifikate handelt. Dann kassiert der Anleger die anfallenden Dividenden – nicht die Bank! Steuerlich betrachtet, sieht der ABN-Amro-Schein am schlechtesten aus. Für die Gewinne gilt der persönliche Einkommenssteuersatz. Bei den Papieren der Konkurrenten greift die einjährige Spekulationsfrist.
Papiere für Zocker
Eher für die Spieler unter den Anlegern eignen sich Spezialitäten wie Hedge-Fonds- und vor allem Hebelzertifikate. Gehandelt werden sie an der Stuttgarter Euwax. Erstere beinhalten im Grunde Finanztermingeschäfte. Hedge-Fonds-Zertifikate gelten als Zockerpapiere. In schlechten Börsenzeiten können sie Gewinne abwerfen, denn sie entwickeln sich anders als Aktien oder Anleihen.
Nur für die Geschickten unter den Profis gedacht sich Hebelzertifikate. Sie erlauben heiße Spekulationen und fordern die permanente Kontrolle durch den Anleger, der ein großes Risiko eingeht. Die Bedingungen klingen einladend: Der Käufer zahlt nur einen Teil des Basiswerts. Den Rest finanziert die Emissionsbank mit einem Kredit vor, den sie im Zertifikat versteckt hat. Die Zinsen dafür zieht die Bank täglich ab. Der Witz bei diesem Papier: Der eingebaute Hebel bewirkt, dass sich zum Beispiel sowohl ein Anstieg als auch ein Abrutschen des Dax gleich doppelt auf den Wert des Zertifikats auswirkt.
Angelegt, über kurz …
Zertifikate eignen sich besonders gut für kurzfristige Anlagen. Sie können jederzeit ge- und verkauft werden. Für den „normalen“ Anleger eignen sich auf jeden Fall eher Indexzertifikate. Die Auswahl hierbei ist sehr groß. Es muss also nicht unbedingt der Dax, Dow Jones oder Euro Stoxx sein. Gut geeignet sind auch Branchenindizes oder die MSCI-Indizes der Investmentbank Morgan Stanley (empfohlen von „Finanztest“). Der Käufer kann sich jederzeit über den Stand seiner Zertifikate informieren.
… oder lang
Wer sich längerfristig festlegen will, entscheidet sich für einen klassischen Fonds, der auf einem Index basiert oder der Dax-Aktien bestückt ist. Allerdings werden die Preise für Fondsanteile nur einmal täglich festgestellt. Das Engagement in Fonds ist bequemer. Es verlangt nicht so viel Beobachtung und hat keine limitierte Laufzeit. Ein gut gemanagter Fonds sollte auch größere Renditechancen bieten, dafür wird der Manager schließlich bezahlt. Doch die wenigsten schneiden besser ab als die Indizes.