Aufblühen statt kriseln
Aktuell sieht es in einigen Praxen mau aus. Zwar gelten Januar und Februar jedes Jahr als schwache Umsatzmonate, aber dieses Jahr empfanden es einige Zahnärzte als besonders schlimm. Patienten bleiben weg, verunsichert durch Änderungen beim Zahnersatz. Einige Zahnärzte müssen deshalb im laufenden Jahr erst einmal mit rückläufigen Umsätzen und Gewinnen rechnen. Andere blieben von dieser negativen Entwicklung unberührt, alles entwickelt sich weiterhin positiv und sie können auch im laufenden Jahr mit Umsatzzuwächsen rechnen.
Die aktuelle Gesetzgebung alleine führt also nicht zu Umsatzeinbrüchen. Eine differenziertere Betrachtung zeigt auf, welche Faktoren den wirtschaftlichen Erfolg sichern. Über eines sollte sich jeder Zahnarzt im Klaren sein: Arzt- und Zahnarztpraxen gehören automatisch zu den Unternehmen, welche von den Banken eher als „gefährdet“ eingestuft werden. Als solche gelten in den Augen eines Bankers Unternehmen,
• die nur ein Standbein haben
• die zu stark diversifiziert sind
• die ausschließlich technisch orientiert sind
• die ausschließlich auf den Chef zugeschnitten sind
• die zu schnell wachsen
• die sich nur auf das Tagesgeschäft konzentrieren. Was ist dran, an den Knackpunkten?
Auf einem Bein …
Zahnarztpraxen ruhen üblicherweise auf nur einem Standbein – mit den damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Als Vorteil ist ganz klar zu sehen, dass Zahnarztpraxen auf die Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten spezialisiert sind. Keine andere Branche kann in diesem Bereich tätig werden. Der Nachteil besteht ganz eindeutig darin, dass jede Praxis von dieser Branche wirtschaftlich abhängig ist. Ein Zahnarzt kann eben nicht beliebig sein Angebot ändern, sprich nach Gutdünken Leistungen einführen oder streichen.
Dennoch: Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens bleiben viele Varianten und Schwerpunkte der zahnärztlichen Tätigkeit denkbar und möglich. Zudem kann jeder Zahnarzt sich außerhalb der rein zahnärztlichen Tätigkeit orientieren, indem er sich an den verschiedensten Gesellschaften beteiligt. Damit erschließt er sich auch nichtzahnärztliche Bereiche, wie den Laborbereich durch die Gründung eines Dentallabors oder einer Laborgemeinschaft. Denkbar wäre auch die Gründung eines Prophylaxe- Shops.
Die Grenzen innerhalb der Leistungsausweitung setzt sich der Zahnarzt selbst – durch seine Fähigkeiten, Neigungen und Einstellung. Fachleute finden diesbezüglich Verbesserungsmöglichkeiten in fast jeder Praxis.
Eine zu starke Diversifikation ist ein anderes, häufiges Problem. Strebt ein Zahnarzt eine zu breite Leistungspalette an, verzettelt er sich und kann die einzelnen nicht mehr wirtschaftlich erbringen. Selbstverständlich muss jede Praxis gewisse Grundleistungen anbieten. Angebote darüber hinaus wollen sorgfältig und auch unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Kalkulation ausgewählt sein.
Übertreibung schadet
Der größte Fehler eines Zahnarztes wäre, die breite Basis auch noch breitflächig zu erweitern. Dann müsste er in sämtlichen Spezialgebieten der Zahnmedizin, wie Implantologie, KFO, PAR, Endo, et cetera investieren und sich fortbilden. Ein ebenso unrentables wie aufwändiges Vorgehen. Um die Rentabilität zu sichern, muss eine Zahnarztpraxis effektiv und effizient arbeiten. Ein klassisches Beispiel ist die KFO. Behandelt ein Zahnarzt nur eine geringe Anzahl KFO-Fälle, und das zum Teil auch noch mit festsitzenden Geräten, belasten diese eher die Arbeitsabläufe der Praxis als dass sie dem Zahnarzt wirtschaftlichen Nutzen bringen. Passt zudem die KFO nicht in das übrige Leistungsangebot, sollte der Zahnarzt den Nutzen dieser Leistung für seine Praxis hinterfragen.
Hingegen bewährt es sich, Spezialleistungen anzubieten, die in die Gesamtpalette der Praxis passen und den Neigungen und Vorlieben des Zahnarztes entsprechen. In einer Einzelpraxis wäre dann der Allrounder mit gegebenenfalls einer Spezialisierung anzutreffen, während in Kooperationen mehrere Spezialisten mehrere Bereiche der Zahnheilkunde ergänzend abdecken. Beide Formen werden in der Zukunft ihre Existenzberechtigung haben. Während die Einzelpraxis durch eine individuelle Betreuung und mit präventivem Angebot die Patienten sehr persönlich anspricht, wird die Mehrbehandlerpraxis eher mit ihrer umfassenden Spezialisierung die Patienten binden.
Welche Orientierung für ihn „richtig“ ist, das entscheidet jeder Zahnarzt selbst. Zunächst steht allerdings die Entscheidung bezüglich der Form an, in der er arbeiten möchte – nicht jeder Zahnarzt liebäugelt mit einer Kooperation und auch nicht jede Einzelpraxis eignet sich dafür. Im nächsten Schritt sollte er seine Spezialisierung nach seinen Interessen und Neigungen festlegen. Dann erst kann er genau die Leistungen bestimmen, die er seinen Patienten anbieten möchte.
Bei diesem systematischen Vorgehen kann jeder Zahnarzt leicht erkennen, ob das Leistungsangebot in der Praxis zu breit gestreut ist oder seiner Vorstellung entspricht. Findet er Unpassendes, so prüft er dieses kritisch und streicht es gegebenenfalls.
Für die Angebotspalette vieler Zahnärzte gilt: weniger ist mehr! Das zahnärztliche Leistungsangebot straffen und gut durchstrukturieren heißt auch, auf Unwirtschaftliches und für den Zahnarzt Unbefriedigendes zu verzichten. Die so gewonnenen Freiräume kann er dann mit jenen zahnärztlichen Tätigkeiten füllen, die er eigentlich schon immer machen wollte und die sich für ihn wirtschaftlich lohnen.
Und ewig lockt die Technik
Ein Aspekt, der zunehmend zum Tragen kommt, ist die technische Orientierung. Dabei wäre es vermessen anzunehmen, dass eine hohe technische Ausstattung mit einer hohen Patientenansprache oder -bindung einhergeht. Es sind immer andere zusätzliche Werte, die die Patienten binden, etwa Serviceleistungen, wie eine freundliche Patientenansprache und ein funktionierendes Bestellsystem.
Die starke technische Orientierung geht in jedem Fall mit einem wirtschaftlichen Faktor einher: Eine Investition muss sich rechnen. Auch für jede zahnärztliche Investition gilt: Je höher die Auslastung eines technischen Gerätes, umso höher ist auch – bei gleichem Preis der Leistung – dessen Rentabilität. Das bedeutet im Gegenschluss, dass der Zahnarzt mit einer Einzelpraxis seine Spezialisierung auch hinsichtlich der technischen Ausstattung genau kalkulieren muss.
Gerade Einzelpraxen mit einer hohen technischen Ausstattung bei einem breit gefächerten Leistungsspektrum werden bei Wirtschaftskrisen leichter als andere erschüttert. Denn sie müssen einerseits die Kosten der Investitionen tragen, können aber mit nur einem Nutzer nur eine geringe Auslastung und damit geringere Rentabilität erwirtschaften. Dieses Problem ist gut nachvollziehbar, wenn man eine technisch hochwertig ausgestattete Einzelpraxis mit einer Mehrbehandlerpraxis gleicher Ausstattung vergleicht.
Ausgerichtet auf den Chef
Nun zu dem nächsten Aspekt von „gefährdeten Unternehmen“, der ausschließlichen Ausrichtung auf den Chef. Diese findet sich häufig bei kleineren Unternehmen, wie sie eine zahnärztliche Einzelpraxis darstellt. Eine solche Ausrichtung ist und bleibt problematisch, hängt doch das Wohl und Wehe der Praxis ausschließlich von dem des Zahnarztes ab. Dessen Fähigkeiten, Neigungen und Einstellungen sind maßgeblich für die Entwicklung eines Betriebes, mit allen Vor- und Nachteilen. Entschärft ist dieses Problem erst, wenn zwei gleichberechtigte Partner in der Praxis agieren. Dann tragen beide mit ihren Fähigkeiten und Persönlichkeiten die Entwicklung ihres „Reichs“.
Dabei ist die ausschließliche Ausrichtung – auch einer Einzelpraxis – auf den Zahnarzt weder notwendig noch erforderlich. Diese Ausrichtung basiert auf der persönlichen Einstellung der Zahnarztes. Vertritt ein Chef die Einstellung „ohne mich läuft nichts“, so überträgt sich diese Einstellung auf die Mitarbeiter. Und dann läuft in dieser Praxis ohne den Chef wirklich nichts. Einfacher haben es jene Kollegen, die das Potential ihrer Mitarbeiterinnen zu nutzen wissen. Sie nehmen Anregungen ihrer Mitarbeiterinnen an und konzipieren und leben mit diesen den Alltag, sie „können loslassen“ und an ihre Mitarbeiterinnen einiges abtreten: eine Arbeit, die Verantwortung für die erfolgreiche Durchführung der Arbeit – und die mit einem guten Ergebnis verbundene Anerkennung.
Wohlgemerkt: Auch Zahnärzte, die einen kooperativen Führungsstil pflegen, erfahren Probleme mit Angestellten; das ergibt sich schon aus dem Wesen der Personalplanung und -entwicklung. Aber diese Zahnärzte erhalten eine aktive Unterstützung bei der Praxisführung durch ihre Mitarbeiterinnen. Und das entlastet den Chef. Zudem können in das Geschehen und dessen Planung aktiv eingebundene Mitarbeiterinnen eher „selbstständig“ arbeiten als passiv agierende Mitarbeiterinnen. Eine an selbständiges Arbeiten gewohnte Mitarbeiterin bleibt nach entsprechender Fortbildung ein Gewinn für ein Unternehmen und kann zum Beispiel als qualifizierte ZMP den Prophylaxebereich unter Aufsicht des Zahnarztes verantwortungsbewusst leiten.
Zu schnelles Wachstum höhlt aus
Das Problem, dass die Praxis – und sei es in Teilbereichen – zu schnell wächst, hat schon mancher Zahnarzt erlebt. Zu schnelles Wachstum bedeutet, dass sich ein Unternehmen schneller und umfangreicher entwickelt, als die interne Struktur mitwachsen kann.
Jeder Zahnarzt, der sein Leistungsspektrum erweitert, kann von diesem Problem betroffen sein, zum Beispiel, wenn er einen zahnärztlichen Mitarbeiter oder Partner aufnimmt. Alles läuft bestens an, doch überraschend bald reicht der eingespielte Personalstamm nicht mehr aus und neue Kräfte müssen her. Die müssen sich erst auf die Besonderheiten dieser Praxis einstellen und gründlich einarbeiten. Und nicht zuletzt muss die interne Organisation auf den zusätzlichen Behandler umgestellt werden. Werden neue zahnärztliche Leistungen zu schnell und ohne die notwendige Vorplanung eingeführt, geht das schief. Davon abgesehen, dass das Chaos ausbricht, lässt sich diese neue zahnärztliche Leistung nicht dauerhaft etablieren.
Ziele und Konzepte statt Tagesgeschäft
Der nächste Punkt trifft auf viele Zahnarztpraxen zu. Viele Zahnärzte konzentrieren sich auf das Tagesgeschäft, weil tagtäglich die Probleme mit Patienten, Personal und sich ständig ändernden gesetzlichen Vorgaben viel Energie binden. Da bleibt wenig Energie für die strategische Planung. Mancher Zahnarzt hat zudem resigniert, da trotz strategischem Konzept zum Schluss doch alles anders kam als gedacht.
Aber, die künftige Entwicklung der Praxis zu planen, ist reine Chefsache! Diese Aufgabe, kann niemand dem Zahnarzt als Praxisleiter abnehmen. Ohne Ziele und Konzepte geht es nicht. Fehlen diese beiden Kriterien, werden die Praxen manipuliert, die Inhaber enttäuscht und von gesetzlichen Vorgaben frustriert. Nur Unternehmen, deren Inhaber die Ziele und Konzepte aktiv gestalten, können mit einer positiven Entwicklung rechnen. Hinzu kommt eine wichtige Erkenntnis: Gestaltet ein Unternehmer seine Ziele aktiv, so macht der Beruf Spaß. Und den darf wohl jeder Zahnarzt behalten!
Aber, die künftige Entwicklung der Praxis zu planen, ist reine Chefsache! Diese Aufgabe, kann niemand dem Zahnarzt als Praxisleiter abnehmen. Ohne Ziele und Konzepte geht es nicht. Fehlen diese beiden Kriterien, werden die Praxen manipuliert, die Inhaber enttäuscht und von gesetzlichen Vorgaben frustriert. Nur Unternehmen, deren Inhaber die Ziele und Konzepte aktiv gestalten, können mit einer positiven Entwicklung rechnen. Hinzu kommt eine wichtige Erkenntnis: Gestaltet ein Unternehmer seine Ziele aktiv, so macht der Beruf Spaß. Und den darf wohl jeder Zahnarzt behalten!
Dr. Sigrid Olbertz, MBAZahnärztin, Master of Business AdministrationIm Hesterkamp 12a45768 Marl