Kompositrestaurationen bei Frontzähnen

Den Alterungsprozess der Zähne beachten

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Ästhetische Frontzahnrestaurationen sind das Ziel eines jeden Patienten und seines Zahnarztes. Aber nicht nur das Material und seine Farbe, sondern auch die Beachtung der kontinuierlichen Zahnalterung führen zum zufrieden stellenden Ergebnis, wie der folgende Beitrag aufzeigt.

Allgemein wird im Zusammenhang mit ästhetisch hochwertigen Kompositrestaurationen viel über Farbe und Schichtung gesprochen. Dabei geraten die Faktoren Form und Oberfläche leicht in Vergessenheit. Letztere sind für die „unsichtbare“ Füllung jedoch mindestens ebenso wichtig wie die genaue Farbwahl.

Die Form und Oberflächenstruktur der Frontzähne verändert sich im Laufe ihres Gebrauches ständig durch natürliche Alterung. Für den ästhetischen Erfolg muss sich deshalb der Zahnarzt eine regelrechte Checkliste erarbeiten, mit der er die für seine Arbeit wichtigen Faktoren abfragt und schließlich abarbeitet.

Natürliche Alterung

Ästhetisch unbefriedigende Resultate bei Frontzahnrestaurationen sind erfahrungsgemäß meist darauf zurückzuführen, dass der Behandler zu wenige der typischen Kriterien des natürlichen Zahnes in seine Rekonstruktionsplanung einbezieht: Meist limitiert sich die Betrachtung auf eine kurze Farbauswahl, die dann auch noch fälschlich nach prothetischen Kriterien durchgeführt wird.

So sind Zahnärzte daran gewöhnt, für laborgefertigte Restaurationen eine Gesamtfarbe, zum Beispiel aus der Vita-Farbskala, zu wählen. Dies funktioniert nur deshalb, weil geschichtete Musterzähne zum Vergleich dienen, die natürlich bereits aus einer Kombination von Schmelz- und Dentinmassen hergestellt sind. Erst der Techniker im Labor schlüsselt den so festgestellten Grundton wieder in eine hellere und transluzentere Schmelzfarbe und einen dunkleren und opaqueren Dentinton auf. Wenn zum Beispiel ein Zahn die Farbe A3 aufweist, so entsteht dieser Gesamteindruck häufig aus einer helleren Schmelzfarbe wie A1 oder A2 und einem dunkleren Dentinton wie A3,5 oder A4.

Für eine direkte Kompositrestauration müssen dagegen beide Farben gezielt vom Zahnarzt selbst ausgewählt werden. Dies geht jedoch nur dann, wenn die natürlichen Farben von Schmelz und Dentin sichtbar und unverfälscht sind, das heißt, wenn durch die Präparation bereits das Dentin freigelegt wurde. Und zwar vor der Trockenlegung und dem Exkavieren, da der Zahn noch nicht dehydriert sein darf.

Vor der endgültigen Farbauswahl müssen aber bereits einige andere Kriterien für die Rekonstruktion abgefragt worden sein, die mindestens ebenso wichtig sind: Diese sollen im Folgenden systematisch erarbeitet werden.

Planung der Rekonstruktion

Um eine Rekonstruktion richtig zu planen, werden eine Reihe von Informationen über die Gegebenheiten des natürlichen Zahnes benötigt. Dazu muss man wissen, wie sich ein Frontzahn durch seine natürliche Alterung verändert. Prinzipiell sind vier Alterungszeichen der Zähne zu unterscheiden:

Verlust der (Schneidekanten-) Kontur

Die spezifischen Winkelmerkmale gehen durch die Verkürzung des Zahnes verloren. Die distale Schneidekante ist nicht mehr abgerundet, sondern eckig. Das mesiale interproximale „V“ geht verloren (Abb. 1). Der „goldene Schnitt“ des Längen- und Breitenverhältnisses weicht einer zusehends quadratischen Form. Sekundär verliert der Zahn auch die typischen Transparenzzonen, da die dünnen Areale der Schneidekante immer mehr abradiert werden. Der Zahn bekommt so ein einheitlich opaques Erscheinungsbild, ohne die jugendliche Transparenzzone zwischen den Dentinmamelons.

Verlust der vestibulären Makro-Struktur

Die mittleren Schneidezähne weisen normalerweise je einen mesialen und distalen, sowie einen zentralen Wulst auf der verstibulären Fläche, die seitlichen Schneidezähne dagegen nur zwei Randwülste auf. Die Eckzähne präsentieren sich mit einem sehr prominenten zentralen Wulst und zurückversetzten zierlichen Randwülsten. Diese typischen Wülste werden mit der Zeit durch natürliche Attrition und dem Abrieb bei intensiver Zahnpflege abgetragen. Dadurch werden die vestibulären Flächen der klinischen Kronen zusehends plan und wirken durch das so veränderte Reflexionsverhalten flach und leblos (Abb. 2a bis e). Die Form der Randleisten kann man sich auch zu Nutze machen, da vom Gingivalsaum geradlinig zur Schneidekante ansteigende Randwülste den Zahn länger und schmaler erscheinen lassen, während nach außen gewölbte Randleisten ihm eine breitere und kürzere Wirkung verleihen. Diese Effekte beruhen auf der veränderten Reflexion des auftreffenden Lichtes: Maßgeblich für die Dimensionswirkung des Zahnes sind die planen Flächen, die das Licht geradlinig zum Betrachter reflektieren. Oberflächenstrukturen produzieren dagegen Streulicht wie die Facetten eines Diamanten. Die so erzeugten Lichtreflexe lassen die Oberfläche lebendig erscheinen und tragen maßgeblich zum jugendlichen Aussehen eines Zahnes bei.

Verlust der Mikrostruktur der Oberfläche

Die Mikrostruktur besteht aus den horizontalen Wachstumsrillen der Perikymatien, den vertikalen Rillen und den natürlichen kleinen Eindellungen und „Poren“.

Wie auch bei der Makrostruktur schaffen sie Streulicht mit entsprechenden Lichtreflexen auf der Zahnoberfläche. Sie verschwinden durch die Alterung des Zahnes schneller als die oben beschriebenen Wülste (Abb. 2a bis e). Die Zahnoberfläche wird dadurch glatter und reflexionsärmer. Die Mikrostrukturen sind das beste Hilfsmittel, um den Übergang einer Kompositrestauration im sichtbaren Bereich zu tarnen. Geschickt auf der Füllungsoberfläche nachgeahmt und ihrer natürlichen Umgebung angepasst, erzeugen sie die gleichen Lichtreflexe wie die umgebende Zahnsubstanz. So werden leichte Farb- oder Transluzenzunterschiede des Füllungsmaterials am Übergang zum gesunden Zahn nicht wahrnehmbar.

Farbveränderung durch Pigmenteinlagerung

Entsprechend der Ernährungs- und Pflegegewohnheiten des Patienten lagert die Zahnoberfläche mehr oder weniger schnell exogene Pigmente ein. Im Durchschnitt haben deshalb die Zähne von Jugendlichen einen Farbton entsprechend etwa einer Vita A2 bis A1, während ein etwa 50-jähriger Patient häufig bei Vita A3,5 angekommen ist. Die Farbveränderung ist also ein sekundäres Alterungsmerkmal der Zähne. Im Gegensatz zu den beschriebenen Formveränderungen lässt sich dieser Prozess jedoch einfach durch regelmäßige professionelle Zahnreinigungen und gegebenenfalls durch Bleaching rückgängig machen.

Auswirkungen auf Frontzahnrestaurationen

Die beschriebenen Alterungsmerkmale haben direkte Auswirkungen auf die Restauration. (Abb. 3a und b) Für die Farbveränderung ist dies offensichtlich. Interessanter sind jedoch die anderen aufgeführten Alterungszeichen.

Der Verlust der Schneidekantenkontur, das heißt der Abrasionsgrad des Zahnes, bestimmt auch den Abstand zwischen den Dentinmamelons und der Schneidekante: Diese Distanz tritt optisch als Transparenzzone in Erscheinung und definiert so die Höhe in Bezug zur definitiven Schneidekante, bis zu der die Dentinmasse des Komposits aufgeschichtet werden muss.

Transparenzzone der Schneidezähne

Die Transparenzzone der Schneidezähne unterliegt einer großen individuellen Varianz: So findet man Zähne, die praktisch gar keine Transparenz aufweisen, sondern eher eine opaque Schneidekante haben. In diesen Fällen werden die Mamelons aus der Dentinmasse des Komposits bis direkt unter das definitive Schneidekantenniveau aufgebaut. Das andere Extrem sind Zähne mit ausgeprägten Transparenzzonen, die sich approximal tief bis unter den Kontaktpunktbereich ausdehnen. Sowohl die Ausdehnung der Transparenzzone wie auch die Kontur und Abrasion des natürlichen Schneidezahnes sind Parameter, die in der zahnärztlichen Rekonstruktion entsprechend wiedergegeben werden müssen.

Farbliche Anomalien

Farbliche Anomalien, wie „white spots“, Fluorosen oder verfärbte Schmelzrisse bei älteren Zähnen werden meist in Kompositrestaurationen stillschweigend einfach weggelassen. Dabei fällt der Übergang zwischen Füllung und natürlicher Zahnsubstanz sofort ins Auge, wenn eine solche Verfärbung direkt an dieser Grenze endet. Die Restauration dagegen unnötig weit auszudehnen, um die farblichen Anomalien wegzupräparieren, kann aus ethischer Sicht nicht befriedigen. Um so mehr, als farbliche Anomalien ein exzellentes Mittel sind, um die Grenzen der Restauration zu verstecken. Mit Intensivfarben ist die Imitation solcher Verfärbungen ohne nennenswerten Zeitaufwand möglich. Bei flächigen Verfärbungen, wie „white spots“ oder Fluorosen, wird einfach eine entsprechende Farbe auf die Dentinmasse aufgelegt, polymerisiert und anschließend mit der Schmelzmasse überschichtet. Soll dagegen ein verfärbter Schmelzriss in der Füllung fortgeführt werden, so macht man mit einem Spatel in die noch nicht gehärtete letzte Schmelzschicht einen Spalt. In diesen wird eine kleine Menge Intensivfarbe eingelegt und der Spalt anschließend mit tupfenden Bewegungen von den Seiten her vorsichtig wieder geschlossen. Dadurch wird das Farbdepot in einem „echten Schmelzspalt“ zu einer hauchdünnen Linie zusammengeschoben, genau wie die Natur es vormacht.

Bei der anschließenden Ausarbeitung wird zwar die Höhe dieses Farbdepots durch das Bearbeiten der Oberfläche verringert, es kann aber nur durch sehr grobe Einschleifkorrekturen wieder entfernt werden.

Ein besonderes Augenmerk sollte der Makround Mikrostruktur gelten, da vor allem die Oberflächengestaltung einer Kompositrestauration das wichtigste Mittel der „Tarnung“ des zahnärztlichen Eingriffs ist.

Um dies zu verstehen, muss sich der Behandler erst klarmachen, wie ein Spiegel funktioniert: Damit eine Oberfläche spiegeln kann, muss sie möglichst plan und auf Hochglanz poliert sein. Dadurch reflektiert sie das einfallende Licht wieder linear zum Betrachter zurück. Der gleiche Effekt wird erzeugt, wenn die Restaurationen mit rotierenden Scheiben geglättet und poliert werden: eine plane, spiegelnde und „tote“ Oberfläche, auf der jede noch so geringe Farbabweichung sofort deutlich zu erkennen ist!

Mikro- und Makrostrukturen dagegen streuen das einfallende Licht und schaffen dadurch eine lebendige Oberfläche, die Lichtreflexe erzeugt, wie die Facetten eines Diamanten. Diese Lichtreflexe machen es dem Betrachter sehr viel schwerer, farbliche Übergänge spontan zu bemerken.

Deshalb ist die Nachgestaltung der Makround Mikrostruktur nicht nur ein probates Mittel, um den Schneidezahn „jung und lebendig“ erscheinen zu lassen, sondern vor allem die wichtigste Möglichkeit, eine Restauration „unsichtbar“ zu machen. Das Reproduzieren der natürlichen Oberflächenstruktur bei der Ausarbeitung ist dadurch mindestens genau so wichtig wie die korrekte Farbauswahl. Daraus folgt aber auch zwangsläufig, dass eine Ausarbeitung mit rotierenden Disks absolut obsolet ist, da sie jede Oberflächenstruktur gnadenlos einebnet.

Die praktische Umsetzung erfolgt erst nach der Konturierung der Restauration: Zuerst wird die Makrostruktur mit Finierdiamanten und Gummipolierern angelegt. Dabei ist darauf zu achten, dass man durch die Form der Randleisten die optische Wirkung des Zahnes stark verändern kann. Randleisten, die sich in gerader Linie vom Zahnhals zur Schneidekante ziehen, lassen den Zahn immer länger erscheinen, während nach außen geschwungene Leisten ihn breiter wirken lassen. Diese optische Täuschung (Die effektive Zahnbreite bleibt ja trotzdem konstant) kann man sich bei leichten Stellungskorrekturen auch zu Nutze machen. Die Mikrostruktur dagegen wird als letzter Schritt vor der abschließenden Hochglanzpolitur angelegt.

Als Faustregel gilt: Längsrillen schneiden Querrillen! Das heißt, die typischen Längsrillen in der Zahnoberfläche werden immer zuerst mit einer Diamantspitze zwischen den Wülsten der Makrostruktur vorsichtig ohne Druck eingeschliffen. Erst danach legt man bei jugendlichen Zähnen in der zervikalen Hälfte die Wachstumsrillen der Perikymatien an, indem man mit einem groben Ledge-Diamanten nur ein einziges Mal mit niedriger Tourenzahl über die Kompositoberfläche zieht. Bei älteren Zähnen werden die Rillen des jugendlichen Zahnes zunächst durch eine „Dellen“- Struktur ersetzt. Diese kann man mit einer etwas abgestumpften Arkansasteinspitze mit geringer Umdrehungszahl imitieren. Sollten die Mikrostukturen einmal zu stark geraten sein oder die Form nicht stimmen, kann man dies leicht wieder mit einem Gummipolierer korrigieren.

Die Farbveränderung ist ein sekundäres Alterungsmerkmal der Zähne.

Die oben beschriebenen Kriterien zeigen, dass es nicht ausreicht, nur die Zahnfarbe zu bestimmen, sondern eine ganze Reihe von Informationen gesammelt werden müssen, um eine perfekte Restauration aus Komposit anzufertigen. Der erste Schritt zur Ästhetik ist deshalb, „Sehen“ zu lernen! Aus diesem Grund bietet es sich an, vor der Präparation eine Check-Liste der zu beachtenden Kriterien systematisch durchzugehen:

Erst wenn alle Punkte dieser Check-Liste vom Behandler an den natürlichen Nachbarzähnen abgefragt wurden, hat er die nötigen Informationen, um seine ästhetische Strategie für die Restauration festzulegen. Man sollte sich also immer einige Sekunden Zeit nehmen, bevor man den Bohrer zur Hand nimmt, und genau hinsehen!

Schlussbetrachtung

Mit ein wenig Übung ist der Zahnarzt in der Lage, mit direkten Kompositfüllungen perfekte ästhetische Ergebnisse zu erzielen. Die Verwendung von Kompositmassen in unterschiedlichen Farben und Transluzenzen erfordert keinerlei zeitlichen Mehraufwand, da der Zahnarzt das Komposit sowieso in mehreren Schichten applizieren muss, um die Schrumpfung zu kompensieren. Auch der zusätzliche Einsatz von Intensivfarben dauert in der Regel nur wenige Sekunden.

Entscheidend für den ästhetischen Erfolg ist also letztlich, dass der Zahnarzt sich mit dem Erscheinungsbild der natürlichen Nachbarzähne erst bewusst auseinandersetzt, um so die notwendigen Informationen für seine Arbeit zu sammeln. Bei der Umsetzung des Gesehenen ist die Modellation der anatomischen Strukturen anfangs recht zeitaufwändig. Mit etwas Übung stellt sich schnell der Erfolg ein. Umgekehrt spart man durch eine exakte Modellation aber auch wieder Zeit bei der Ausarbeitung ein und das leidige „Einschleifen“ von Frühkontakten entfällt.

Wolfgang-M. BoerKölner Str. 7353879 Euskirchen

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