Risiko bei Aufträgen an fortgebildete Assistenz

Fallstricke bei der Beschäftigung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 12. Oktober 2004 (Aktenzeichen V R 54/03) entschieden, dass eine Dentalhygienikerin (DH) nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Umsätze im Auftrag eines Zahnarztes ausführen kann. Was nun: Auslagern oder alles lassen wie es ist?

Die Entscheidung des BFH zur Selbständigkeit der DH wird zum einen dahin verstanden, er habe erklärt, die DH dürfe ohne ständige Aufsicht und Verantwortung eines Zahnarztes Leistungen erbringen. Zum anderen wird sie als Freibrief für unbeschränktes „Outsourcing“ interpretiert, zumal die Richter in ihrer Begründung darauf hinwiesen, dass die Klägerin im Rahmen der Aufgabenübertragung auch selbständig handeln durfte. „§ 1 Abs. 5 ZHG ... (verlange) von Zahnärzten nicht, dass sie Dentalhygienikerinnen als Arbeitnehmerinnen beschäftigen.“

Seitens des fortgebildeten zahnärztlichen Assistenzpersonals besteht Interesse daran, gerade die Arbeit der DH im Bereich der Selbständigkeit anzusiedeln. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) weist deshalb nochmals auf die heilberufsgesetzlichen Grundlagen und die haftungsund arbeitsrechtlichen Risiken dieses Ansinnens hin: Können die weisungsabhängigen Tätigkeiten aus der zahnärztlichen Praxis ausgegliedert und an eine „selbständige“ DH als Subunternehmerin übertragen werden – und wenn, in welcher Form?

Aufgepasst

Mit einer Ausgliederung von Tätigkeiten wollen Arbeitgeber Lohnnebenkosten einsparen, sprich Arbeitgeberanteile bei der Sozialversicherung, und die arbeitsrechtlichen Risiken, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, verringern. Die betreffende DH wiederum dürfte die ausgegliederten selbständigen Tätigkeiten wohl als zusätzlich motivierend und gewinnträchtig ansehen.

Der BFH differenziert in seiner Argumentation pro Selbständigkeit der DH zwischen Zahnheilkunderecht und Umsatzsteuerrecht. Um Fehlinterpretationen der BFH-Entscheidung zu vermeiden, muss folgenden Aspekten besonderes Augenmerk gelten:

In § 1 Absatz 1 regelt das Zahnheilkundegesetz (ZHG), dass zur Ausübung der Zahnheilkunde die Approbation als Zahnarzt erforderlich ist. Im selben Paragrafen unter Absatz 3 wird ausgeführt, dass die „Ausübung der Zahnheilkunde die berufsmäßige, auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnis gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (ist)“. Als Krankheit ist in diesem Zusammenhang „jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, ...“.

Die Aufstiegsfortbildung

Die DH ist ausdrücklich im § 1 Abs. 5 ZHG erwähnt, aufgenommen im Zusammenhang mit der Gesundheitsstrukturreform im Jahre 1992 (BGBl. I, S. 512 ff. 1993). Mitte der 90er Jahre wurde deshalb in Deutschland eine bundeseinheitliche Fortbildungs- und Prüfungsordnung zur DH unter Beachtung bestimmter Prämissen und Zulassungsvoraussetzungen, insbesondere § 46 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz, strukturiert. Zu diesen unabdingbaren Kriterien, die die bundeseinheitliche DHQualifikation in Deutschland gestalten, zählen:

• Qualifikation zur DH als Aufstiegsfortbildung gemäß § 46 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG),

• der erfolgreiche Abschluss einer Ausbildung als Zahnarzthelferin/ Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) als grundlegende Eingangsvoraussetzung

• sowie als Voraussetzung, um für eine Aufstiegsfortbildung zur DH zugelassen zu werden:

  • mindestens zweijährige Tätigkeit als Zahnarzthelferin/ZFA,

  • Fortbildung zur Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentin oder Zahnmedizinischen Fachassistentin mit dem Schwerpunkt Prophylaxe,

  • erfolgreicher Nachweis einer Aufnahmeprüfung.

• Die Zahnärztekammern halten auf Grundlage des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (Zahnheilkundegesetz), der Heilberufsgesetze und der entsprechenden Satzungen über die Aufsicht der Landesregierungen kompetente Fortbildungsstätten und -angebote vor.

Aus fachlicher Sicht handelt es sich bei der Qualifikation zur DH nach der Ausbildung zur Zahnarzthelferin / ZFA, um eine Stufenfortbildung, sprich die DH ist die höchste Stufe der strukturierten und stufenweisen Aufstiegsfortbildung, die mit der Zahnmedizinischen Fachangestellten beginnt.

DH ist kein Heilberuf

Anfang April 2004 stellte das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) klar, dass eine bundesgesetzliche Einstufung der DH als Gesundheitsfachberuf nur in Frage komme, wenn es sich um einen Heilberuf handele. Eine diesbezügliche Einstufung seitens des Gesetzgebers wurde als nicht erforderlich angesehen. Eine persönliche Leistungserbringung als wesentliches Merkmal freiberuflicher Leistung im freien Heilberuf ist als DH demnach nicht möglich.

Delegieren gemäß ZHG

Die gesetzlichen Delegationseröffnungen sind im § 1 Abs. 5 und 6 ZHG geregelt. Das bedeutet, dass bei der Delegation von Leistungen der Zahnarzt seine persönliche, umfassende Begleitung, also Anordnung, ständige Aufsicht und Verantwortung, garantieren muss. Die im Bundeskonsens der BZÄK zusammengefassten Delegationsgrundsätze zum Einsatz nichtzahnärztlicher Mitarbeiter finden zudem ihre rechtliche Grundlage und Anerkennung im Sozialgesetzbuch (SGB) in den zivilrechtlichen Bestimmungen zu dem Behandlungsvertrag, bestätigt in verschiedenen Entscheidungen der Rechtsprechung und im zahnärztlichen Berufsrecht.

Die persönliche Leistungserbringung ist Wesensmerkmal freiberuflicher Leistung im freien Heilberuf. Zieht der Zahnarzt Fachkräfte aus dem Praxisteam zur Erbringung beruflicher Leistungen heran, so bedeutet dies, dass er leitend und eigenverantwortlich mitwirkt und dadurch die Gesundheitsleistung prägt. Anders als der gewerbliche Unternehmer kann er den Leistungsumfang seiner Praxis nicht beliebig und grenzenlos durch Anstellung weiterer Mitarbeiter vermehren.

Die konkrete Anwendung der vorstehenden Grundsätze entsprechend den Rechtsgrundlagen basiert auf

• Zahnheilkundegesetz

• Berufsordnung

• Heilberufsgesetz

• Behandlungsvertragsrecht

• Zulassungsverordnung

• Bundesmantelvertrag

• Kassenzahnärztlichem Gebührenrecht

• Privatzahnärztlichem Gebührenrecht

• Unfallverhütungsvorschriften

• Röntgenverordnung.

Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung beinhaltet das Recht des Zahnarztes, seine ZFA, die unter ständiger Aufsicht und allgemeiner arbeitsrechtlicher sowie besonderer zahnärztlicher Fachanweisung stehen, für die Leistungsassistenz heranzuziehen (§ 4 Abs. 2 GOZ und § 2, 4 Bundesmantelvertrag).

Wesentliches Kriterium für die Identifizierung und Ausweisung einer delegativen Hilfeleistung in Diagnostik und Therapie als zahnärztliche Leistung ist eine umfassende Begleitung durch den Zahnarzt persönlich, also durch Anordnung, ständige Aufsicht und Verantwortung durch den Zahnarzt (Anwendungsgrundsätze zum Beispiel nach den Vorschriften der Röntgenverordnung, § 24 Absatz 2 Ziffer 4 und § 25 Absatz 2).

Art, Inhalt und Umfang der Leistungsassistenz der nichtzahnärztlichen Mitarbeiter/innen hängen im Rahmen der differenzierten gesetzlichen Vorgaben von der objektiv und subjektiv überprüften Qualifikation der Fachangestellten ab, von der Art der Leistung und von Befund und Diagnose des konkreten Krankheitsfalles sowie von der Compliance des Patienten.

Qualifikation überprüfen

Eine objektive Qualifikation des Fachpersonals setzt voraus, dass die Mitarbeiterin eine entsprechende Ausbildung erfolgreich absolviert hat.

Eine subjektive Qualifikation bedeutet, der verantwortliche Zahnarzt überprüft den betreffenden Mitarbeiter in der Praxis regelmäßig auf dessen Eignung bezüglich der Weisungstreue, Sorgfalt und Verlässlichkeit.

Dem Zahnarzt obliegt es, die objektive berufliche Qualifikation der nichtzahnärztlichen Mitarbeiter im Rahmen des Arbeitsverhältnisses subjektiv zu überprüfen und sich regelmäßig zu vergewissern, dass seine generellen und individuellen für den Einzelfall erteilten Delegationsanweisungen tatsächlich beachtet werden. Bewährt haben sich in der Umsetzung ergänzende schriftliche Anweisungen für generelle, standardisierte Verhaltensweisen. Überwacht der Zahnarzt permanent den Leistungseinsatz begleitend, so sichert er den Charakter der zahnärztlichen Leistung und zugleich die Qualität der übertragenen Aufgaben.

Permanenz der zahnärztlichen Kompetenz

Die begleitende Überwachung beginnt der Zahnarzt, indem er konkret den jeweiligen Einsatzrahmen sowie interne generelle Delegationsanweisungen und standardisierte Handlungsfestlegungen festlegt. Diese Vorgaben ergänzt er durch konkrete Anweisungen für den Einzelfall, mit denen er – in Kenntnis des konkreten Falles – seine Anordnungen über Art und Umfang des Handlungsrahmens definiert.

Während des Einsatzes muss der Zahnarzt in der Praxis jederzeit für Rückfragen, für Korrekturen oder bei Komplikationen zur Verfügung stehen. Der Zahnarzt ist darüber hinaus auch verpflichtet, im Rahmen seiner Überwa-chungspflicht zu kontrollieren, ob seine nichtzahnärztlichen Mitarbeiter die Anordnung beachten, innerhalb des festgelegten Rahmens bleiben und insgesamt ordnungsgemäß arbeiten. Nach Abschluss der Arbeit der DH kontrolliert der Zahnarzt im konkreten Einzelfall, dass sie ordnungsmäßig gearbeitet hat, und ordnet alles Weitere an. Insgesamt begleitet der Zahnarzt damit die Arbeit der DH vom Anfang bis zum Ende.

Für die nichtzahnärztlichen Mitarbeiter bedeutet diese Form der Delegation bei Einhaltung der Vorgaben, in einem rechtsgeschützten Bereich zu arbeiten.

Umsatzsteuerrecht und Arbeitsrecht

Die mit der Beschäftigung einer DH als „selbständige Unternehmerin“ verbundenen Risiken werden damit nicht beseitigt. Die Abgrenzung zwischen selbstständigem Subunternehmer und weisungsgebundenem Arbeitnehmer bleibt nach wie vor schwierig.

Entscheidend bleibt, wie Finanzamt und Sozialversicherungsträger die Verhältnisse einschätzen. So manche von beiden – Subunternehmer und Auftraggeber – gewünschte Selbständigkeit wird von Amts wegen bei der Betriebsprüfung aberkannt. Das führt zu teilweise erheblichen Nachforderungen der Sozialabgaben.

Auch die Gerichte tendieren dazu, den Begriff eng auszulegen (LAG Köln, 30. Juni 1995, AZ: 4 Sa 63/95). Klagt sich eine selbständige DH als Arbeitnehmerin in die zahnärztliche Praxis ein, besteht möglicherweise rückwirkend ein Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten, unabhängig von den Vorstellungen bei Vertragsschluss.

Die Rechtsprechung hat einen Katalog von Kriterien entwickelt, die dazu dienen, abzugrenzen, ob jemand Dienstleistungen als Arbeitnehmer oder als Selbständiger erbringt. Dabei kommt es auf die Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles an. Nicht der geschriebene Vertragsinhalt ist entscheidend, sondern dessen tatsächliche Umsetzung.

Eine Gewerbeanmeldung allein etwa beweist die selbständige Tätigkeit nicht: Eine Gemeinde nimmt Gewerbeanzeigen regelmäßig ohne weitergehende Prüfung entgegen – es sei denn, die fehlende Selbständigkeit ist eindeutig erkennbar. Zu Beginn der gewerblichen Tätigkeit ist zudem nicht abzusehen, wie sich die einzelnen Aufträge in der Praxis abwickeln.

Nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Kriterien sprechen unter anderem folgende Punkte dafür, dass es sich um einen Arbeitnehmer handelt:

• Persönliche Abhängigkeit, das heißt Eingliederung in den Betrieb und Weisungsrecht des Arbeitgebers/Auftraggebers bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der Arbeit

• Keine Entscheidungsfreiheit darüber, wann und wie viel Betriebsmittel angeschafft werden und über deren Finanzierung

• Leistungserbringung nur in eigener Person, nicht durch Möglichkeit der Einschaltung Dritter

• Kein eigenes Betriebskapital ist eingesetzt

• Keine Entscheidungsfreiheit über die Zahlweise von Kunden

• Kein Entscheidungsspielraum bezüglich Preiskalkulation

• Dokumentationspflicht über Arbeit (detaillierte Berichtspflicht)

• Kein Recht, Aufträge abzulehnen

• Bindung nur an einen Vertragspartner (Ausschließlichkeitsklausel)

• Keine eigene Kundenakquisition

• Leistungen werden ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers / Arbeitgebers erbracht

• Unterwerfung unter ein umfangreiches Vertragswerk des Auftraggebers/Arbeitgebers ohne eigenen Gestaltungsspielraum

• Tätigkeit ist nach der Verkehrsanschauung nicht dem klassischen Bereich der Selbständigkeit zuzuordnen, sondern dem der abhängigen Beschäftigungsverhältnisse

• Kein Unternehmerrisiko

• Festes Gehalt, keine Umsatzbeteiligung

• Die Höhe der Entlohnung liegt nicht völlig außerhalb der für einen entsprechend qualifizierten Arbeitnehmer üblichen Entlohnung

• Keine feste Wochengebühr / Kaution / Bearbeitungsgebühr oder wöchentliche Versicherungspauschale wird an Auftraggeber gezahlt

• Keine eigenen Werbungsmöglichkeiten

• Keine eigenen Geschäftsräume

• Keine eigenen Geschäftsbücher

• Keine Verwendung eigener Firmenbriefbögen

• Keine Gewerbeanmeldung, keine Veranlagung zur Gewerbesteuer

• Keine Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer und keine Beitragszahlungen

• Keine eigene Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) wird erhoben.

Gerade hinsichtlich der im Zahnheilkundegesetz verankerten Weisungsgebundenheit dürften erhebliche Gründe für eine Arbeitnehmereigenschaft der DH sprechen. Nach den eingangs dargestellten Delegationsgrundsätzen ist die Arbeit der DH notwendig an die Weisung des Zahnarztes als Heilberuf gebunden und seiner ständigen Kontrolle unterworfen. Ob weitere Kriterien gefunden werden, die im Rahmen einer Gesamtschau die Beziehung zwischen Zahnarzt und DH doch nicht als Arbeitsverhältnis erscheinen lassen, ist eine Frage des Einzelfalls und bleibt damit im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung entsprechend riskant.

Beschluss vom 12. Oktober 2004 des Bundesfinanzhofs, Az: V R 54/03

RA René KrouskyJustiziar der BZÄK

Dr. Sebastian ZillerLeiter der AbteilungPrävention und Gesundheitsförderungder BZÄKChausseestraße 1310115 Berlin

 

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