Genuss mit Gewinn
Art Consultants, Galeristen, Sammler und Museumsdirektoren sind sich einig wie selten: Der derzeit renommierteste lebende Künstler weltweit ist der Deutsche Gerhard Richter. Wer ein Bild dieses Multitalents sein eigen nennt, braucht sich um seinen Wert und dessen Steigerung keine Sorgen zu machen. Vor zwei Jahren, als seine Wanderausstellung durch die USA tourte, feierte ihn die Presse als „Picasso des 21. Jahrhunderts“.
Wenn die Preise explodieren
Entsprechend der Lobpreisungen sind die Preise für seine Werke explodiert. Gab es 1970 ein repräsentatives Gemälde noch für 3 000 bis 5 000 Euro (Capital-Kunstkompass 2004), so erzielte zum Beispiel sein im Stil der alten Meister gemaltes Bild „Drei Kerzen“ bei Sotheby’s in New York 5,3 Millionen Dollar, die „Tänzerinnen“ gingen für neun Millionen Dollar weg. Die Werke des in Dresden geborenen Wahlkölners verraten große Könnerschaft, egal ob es sich um frühe verwischte fotorealistische oder farbensprühende abstrakte Gemälde handelt. Betuchte Sammler mit guten Beziehungen zu Galeristen bekommen vielleicht eins der 30 bis 50 Bilder, die Richter pro Jahr malt. Alle anderen können sich aber bis zum 16. Mai 2005 im Düsseldorfer K 20 an seiner großen Kunst erfreuen.
Ausnahmetalente wie Gerhard Richter zeigen sich in der Kunst wie in der Wissenschaft nur selten. Sie schon in jungen Jahren zu erkennen und ihre Bilder konsequent zu kaufen und zu sammeln, dazu gehört große Kennerschaft. Ein Studium der Kunstgeschichte ist erlässlich, die wichtigste Voraussetzung ist die Liebe zur Kunst. Denn allein das Schielen auf eine möglichst hohe Rendite reicht nicht aus, um wirkliche Qualität zu erkennen.
Zurzeit besteht die Gefahr, sich von anziehenden Preisen auf dem Kunstmarkt blenden zu lassen. Wie in den 80er Jahren scheinen die Preise für Kunst nur noch zu steigen. Für kunstinteressierte Anleger tun sich ganz neue Möglichkeiten auf. Wer jetzt überlegt, wohin mit seinem Ersparten, rechnet sich vielleicht Chancen für Investitionen in gemalte Aktien aus. Doch wie sicher ist die Rendite wirklich? Preissteigerungen, wie sie die Bilder eines Gerhard Richter oder vor 20 Jahren die des Amerikaners Jasper Johns erfahren haben, sind mit Sicherheit die Ausnahme. Und sich ohne eigene Kenntnisse auf hoch gejubelte Produkte junger Künstler einzulassen, kann ein teures Abenteuer werden. Denn verliert die Öffentlichkeit das Interesse an dem Aufsteiger, rauschen die Preise in den Keller wie einst die Aktien am Neuen Markt. Wie an der Börse bestimmen Angebot und Nachfrage den Markt. So verwundert es nicht, dass die hochpreisigen Objekte wegen ihrer nachgewiesenen Qualität immer teurer werden. Und wie auf dem Börsenparkett ist die junge Kunst gefragt, sehen Anleger und Sammler darin doch die neuen Hoffnungsträger. Einbrüche gab es im letzten Jahr vor allem bei den mittleren Preisklassen. Viele Sammler haben aus wirtschaftlichen Gründen ihre zweitklassigen Stücke verkauft. Die Topqualität geben sie natürlich nicht her.
Der Index für Nüchterne zieht an
Für die nüchternen Betrachter der Preisentwicklung auf dem Kunstmarkt gibt es inzwischen sogar einen Index (im Internet unter www.artprice.com). Er zeigt seit 2002 einen ansteigenden Trend. Hierin machen sich besonders die Höchstpreise, die für einzelne Werke auf Auktionen erzielt werden, bemerkbar. Den Weltrekord für ein Bild erzielte am 5. Mai 2004 ein Bild von Pablo Picasso. Eröffnet wurde das Bietgefecht für das Gemälde „Garçon à la Pipe“ bei Sotheby’s in New York mit 55 Millionen Dollar. Geschaffen hat es der geniale Künstler 1905 im zarten Alter von 24 Jahren. In nur sieben Minuten steigerte der Auktionator den Preis auf die Rekordsumme von 104,1 Millionen Dollar. Damit hatte Picasso seinen älteren Kollegen Vincent van Gogh übertrumpft. Dessen „Porträt des Dr. Gachet“ hielt bis dahin mit 82,9 Millionen Dollar, erzielt im Jahr 1990, die Spitze.
Wer bei seiner Geldanlage neben Aktien und Anleihen auch die Kunst als Investition im Auge hat, fragt sich, was über längere Zeit wohl die höheren Renditen bringt. Ein Langzeitvergleich zwischen der Preisentwicklung auf dem Kunstmarkt, den Gemälden von Paul Cezanne, deutschen Aktien und Renten ergab für den Zeitraum zwischen 1874 und 1999 einen Sieg für die Kunst, wobei Cezannes Werke alles andere weit hinter sich ließen. Er schaffte eine Wertsteigerung über 200 Jahre, gerechnet mit Zinseszinseffekt, von realen 8,8 Prozent. Wer über genügend Kleingeld verfügt, schafft sich mit dem Kauf eines solchen Meisterwerkes eine sichere Anlage.
Frische Aktien an der Wand
Lassen sich die Preisexplosionen für alte und klassisch moderne Kunst noch durch deren nachgewiesene Qualität und Seltenheit begründen, fällt die Erklärung, weshalb auch so manches Werk zeitgenössischer Kunst kaum noch zu bezahlen ist, deutlich schwerer. Ein Versuch: Inzwischen hat sich ein neues Genre von Sammlern etabliert. Für sie gilt der Besitz von Kunstwerken, geschaffen von gerade angesagten Malern, als absolutes Muss. So umgeben sich erfolgreiche Jungunternehmer mit Kunst, die ihr derzeitiges Lebensgefühl widerspiegelt. Sie verschaffen sich damit das gesellschaftliche Ansehen, das sich ihre Väter noch mit einem Jaguar vor der Tür oder dem Urlaub in St. Moritz erworben haben. Mit diesen Aktien an der Wand gehört man zu den Ton angebenden Kreisen dazu, schließlich kann man so seinen Kunstverstand bezeugen. Zumindest beweisen diese Aufsteiger, dass sie wissen, welche Galerie zurzeit hip ist und es versteht, junge Künstler richtig zu promoten. Und das Zusammenspiel von Künstlern, Galeristen, Feuilletonisten und Käufern produziert wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung stetig steigende Preise. Nicht anders ist es zu erklären, wieso mancher Künstler nichts sagende Objekte zu horrenden Preisen an den Mann beziehungsweise die Frau bringt. Er macht Dinge zu Geld, die in Wirklichkeit niemand braucht und auch niemand wirklich schön oder gar aussagekräftig findet.
Aufsehen oder Art
Wichtig ist, genügend Aufsehen zu erregen. Als besonders plakatives Beispiel führte der amerikanische Neo-Konzeptionist Jeff Koons mit kitschigen Objekten und Aufsehen erregenden Präsentationen vor, wie leicht es ist, zu höchstem Ruhm und Preisen zu gelangen. Der Capital-Kunstkompass stuft den Überflieger, der inzwischen 300 000 bis 400 000 Euro pro Objekt kassiert, als sehr teuer ein.
Ebenso erfolgreich vermarktet sich der italienische Bildhauer Maurizio Cattelan. Die Frage, warum er Künstler geworden ist, beantwortete er mit seinem Wunsch nach einem geregelten Einkommen und schönen Frauen. Für ihn hat es sich gelohnt. Die Werke des Provokateurs können auf Auktionen bis 900 000 Dollar erzielen wie die Skulptur des von einem Meteor erschlagenen Papstes „La Nona Ora“. Böse enden kann dieses Spiel allerdings, wenn sich das öffentliche Interesse dem nächsten Newcomer zuwendet und die ehemaligen Wunderwerke zum Verkauf stehen. Nur tatsächliche Qualität wird auf Dauer ihren Wert behalten.
Introvertierte Künstler – auch wenn ihre Werke von großem Talent zeugen – haben dabei scheinbar das Nachsehen. Sie müssen mit ihrer Entdeckung warten, bis entweder ein Galerist oder ein Sammler, ausgestattet mit Wissen und Qualitätsbewusstsein auf ihn aufmerksam werden.
Perlenfischer mit langem Atem
Anleger, die mit Herzblut Kunst kaufen und sammeln, können unter all dem angepriesenen Ramsch die wahren Perlen erkennen – auch wenn diese noch nicht in die Marketing-Maschinerie geraten sind. Zu dieser Kennerschaft kann jeder gelangen, der sich, wie die berühmten Sammler, erst einmal genügend Wissen aneignet. Das kostet viel Zeit – für Besuche in Museen, bei Galeristen und das Studium der einschlägigen Literatur.
Dabei stellt sich mit der Zeit automatisch heraus, welches Gebiet sich zum Lieblingsthema entwickelt. Das kann alte Kunst aus den Zeiten Rembrandts sein. Gemälde von ihm sind erstens kaum zu bekommen und dann noch für die meisten unerschwinglich. Doch für die eine oder andere Zeichnung könnte es reichen.
Wem die moderneren Zeiten mehr liegen, interessiert sich vielleicht für die Malerei der 60er und 70er Jahre in Deutschland. Hohe Qualität zu vernünftigen Preisen versprechen zum Beispiel immer noch die Nagelbilder eines Günther Uecker.
Schwieriger wird es bei den zeitgenössischen jungen Künstlern. Hier die Spreu vom Weizen trennen zu können, erfordert viel Wissen und Fingerspitzengefühl. Gute Chancen, hohe Qualität zu günstigen Preisen zu ergattern, bieten die unterschätzten Gebiete Zeichnungen und Grafik. Kenner halten den Markt der multiplen Kunst für unterbewertet. Einsteiger, die sich von dem üblichen Prestige-Getöse nicht infizieren lassen, können die eine oder andere günstige Trouvaille machen. Wer aufmerksam Auktionen, Ausstellungen und Galerien besucht, findet vielleicht eines Tages einen Schatz, wie eine kleine Zeichnung von Henry Moore.
Doch Vorsicht: Wie bei der Malerei wird auch im Bereich der Auflagenkunst oder der Zeichnungen viel Ramsch verkauft. Eine berühmte Signatur allein macht ein Blatt nicht wertvoll. So sollte zum Beispiel die Auflage eines Druckes nicht höher als 100 sein.
Gute Gelegenheiten, den Grundstein für eine Sammlung zu legen, ist die Mitgliedschaft in einem der Kunstvereine, die es in den großen Städten gibt. Nicht nur, dass sie interessante und engagierte Ausstellungen bieten. Die Mitglieder lernen gute Künstler kennen, die bislang noch nicht in den Schlagzeilen aufgetaucht sind. Und einmal im Jahr, meist zum Jahresende hin, verkauft der Verein seine Jahresgaben. Dazu gibt er einen kleinen Katalog heraus, in dem er Grafiken, Skulpturen oder Objekte in kleinen Auflagen zum Kauf anbietet. Die Preise sind erschwinglich und der Käufer kann sich der Qualität sicher sein.
Dschungel der Galerien
Weitaus vielfältiger und für den Anfänger unüberschaubar ist das Angebot in den Galerien. Steht das Sammelgebiet fest, lassen sich die einschlägigen Galerien herausfiltern. Meistens vertreten sie einige ausgewählte Künstler. Für diese knüpfen sie Verbindungen zu Sammlern und sorgen für das Marketing. Diese Dienste lassen sie sich mit zirka 50 Prozent des Kaufpreises für ein Kunstwerk honorieren. Kunstinteressierte finden hier Gehör und Antworten auf ihre Fragen.
Viele Galeristen mit einem Teil ihres Angebots zeitgenössischer und klassisch moderner Kunst nehmen an den großen Kunstmessen teil. Die älteste deutsche, die Art Cologne, findet regelmäßig im November in Köln statt. Die bedeutendste ist die Art Basel im Frühjahr. Freunde alter Kunst finden Schätze höchster Qualität auf der Tefaf, die alljährlich Anfang März ihre Tore im holländischen Maastricht öffnet. Die dort ausgestellten Stücke überfordern zwar das Budget der meisten Anleger. Doch für die Augen versprechen sie höchsten Genuss.
Bevor die Entscheidung für den Kauf fällt, müssen erst die Hausaufgaben gemacht werden. Die Münchner Sammlerin Ingvild Goetz rät dazu, zunächst einmal mindestens ein Jahr lang die Nase in Bücher und Kataloge zu stecken, Museen und Messen zu besuchen und erst dann eine Entscheidung zu treffen. Darüber hinaus heißt die grundsätzliche Devise für den Kunstkauf – besonders wenn über das Sammeln hinaus der wirtschaftliche Aspekt eine Rolle spielt: Es ist besser, von einem unbekannten Künstler das Beste zu kaufen als von einem großen Namen den Ausschuss.
Raritäten wecken den Jagdtrieb
Die großen Namen sind es auch, mit denen die Auktionshäuser Schlagzeilen machen. Selbstverständlich erzielen nicht alle Lose (englisch: lots) Höchstpreise. Und nicht immer lässt sich das berühmte Schnäppchen machen. Denn das höchste Bestreben der Auktionshäuser ist es, Rekorde zu erzielen. Die Resultate haben demnach nichts mit Marktpreisen zu tun. Preiswerter gibt es Kunst oft auf Messen oder in Galerien. Nur wenn es ein bestimmtes Stück auf dem so genannten Primärmarkt nicht mehr gibt und es in einem Auktionskatalog auftaucht, dann ist bei einem leidenschaftlichen Sammler der Jagdinstinkt geweckt. Zwar gelten die Katalogbeschreibungen als verbindlich und bei renommierten Namen wie Sotheby’s und Christie’s oder Lempertz und Koller wissen Kenner um deren Seriosität (Die Aufzählung ist nicht vollständig.) Dennoch ist blindes Mitbieten immer fehl am Platz. Kluge Kunden nutzen die Möglichkeit der Vorbesichtigung, um sich das Objekt der Begierde in Ruhe anzuschauen. Steht die Kaufentscheidung fest, setzt der potentielle Käufer sich ein absolutes Preislimit. Im Katalog steht das Mindestgebot – der Preis unter dem das gute Stück nicht veräußert wird. Vor der Auktion meldet der Kunde sich an, legt seine Kreditkarte vor und bekommt eine Bieterkarte mit Nummer.
Im Auktionsfieber
Der Auktionator ruft gemäß Katalog Los für Los auf. Für Anfänger ist es gut zu wissen, wie man sich richtig verhält. Hinten sitzen immer die Händler, aus gutem Grund: Es gehört zum guten Ton, dass sich während der Auktion niemand umschaut, wenn ein Zuschlag erfolgt. Der Profi behält so den Überblick über dass Geschehen. Je routinierter das Publikum ist, desto schneller wickelt der Mann mit dem Hämmerchen sein Programm ab. Da ist es manchmal schwierig, nicht den Anschluss zu verlieren. Der Auktionator weiß als Einziger, welche Gebote bereits schriftlich abgegeben worden sind und welche per Telefon. Besonders von Auktionen, die mit begehrten Objekten locken, halten sich bekannte Sammler fern. Sie wollen mit ihrer Präsenz nicht noch die Preise in die Höhe treiben. Wer mitbieten will, hält seine Karte in Richtung Auktionator hoch, um sein Gebot abzugeben. Nicht nur Anfänger bekommen in dieser Situation weiche Knie. Und es passiert leicht, dass ein Bieter im Eifer des Gefechtes den Kopf verliert und weit über das selbst gesetzt Limit hinausschießt. Nach dem dritten Hammerschlag weist der Auktionator das Objekt dem Bieter mit dem höchsten Gebot zu. Danach gibt es kein Zurück mehr. In der Auktion gilt: Gekauft ist gekauft. Abgerechnet wird sofort nach Ende der Auktion und zwar mit Bargeld, Kreditkarte oder einem bankbeglaubigten Scheck. Das erworbene Stück steht zur Mitnahme bereit. Nur wenn es zu sperrig für einen unmittelbaren Transport ist, gibt es eine Abholfrist. Umtausch ist ausgeschlossen.
Zwar ist der Kauf auf einer Auktion mit Vorsicht zu genießen, doch welche Freude empfindet ein leidenschaftlicher Sammler, wenn er das lang gesuchte Stück ergattert hat! Das Erlebnis wird er nicht vergessen.
Ganz anders ergeht es dem hauptamtlichen Investor in Sachen Kunst. Wer nur nach einer Wertsteigerung schielt, wendet sich am besten an einen professionellen Art Consultant. Diese Leute beraten Firmen und Sammler, die sich nicht am Markt auskennen und hauptsächlich aus Anlagegründen Geld in Kunst stecken.
Wie freie Vermögensberater sind sie nicht an Künstler oder Galeristen gebunden, können aber je nach Auftragslage sehr wohl den Markt beeinflussen. Sie schlagen ihren Kunden vor, wie sie ihre Wände gestalten und beschaffen die entsprechenden Objekte gegen Honorar. Für den Berater sicher ein lukratives Geschäft. Für den Kunden jedoch ein Verlust. Denn wie viel mehr Freude hätte er an seiner Wandaktie, wenn er sie selbst gefunden hätte.