Chronisch rezidivierende Aphthen
Einleitung
Chronisch rezidivierende Aphthen (CRA) finden sich bei fünf bis 66 Prozent entsprechend untersuchter Patientenkollektive. Frauen scheinen häufiger betroffen zu sein. Ulzerationen stellen sich meist im Verlauf der zweiten Lebensdekade ein. Sind Kinder betroffen, so entwickeln diese CRA bereits in 40 Prozent der Fälle vor dem fünften Lebensjahr [1-49].
Klinische Charakteristika
Das klinische Bild besteht in rezidivierenden Schüben einer oder mehrerer runder, flacher, schmerzhafter oraler Ulzerationen, wobei Intervalle von wenigen Monaten bis zu Jahren auftreten können. Drei Hauptformen sind bekannt: Minoraphthen, Majoraphthen und herpetiforme Ulzerationen.
Die Minoraphthe findet sich bei 80 Prozent der Patienten mit CRA. Klinisch erscheinen diese als runde oder ovale, flache Ulzerationen mit weniger als fünf Millimetern Durchmesser. Zentral besteht eine grauweiße Pseudomembran mit einem schmalen erythematösen Rand (Halo). Die Minorvariante tritt normalerweise an nicht keratinisierter beweglicher Schleimhaut auf und ist selten an der Gingiva, dem Gaumen oder dem Zungenrücken zu beobachten. Die Ulzerationen heilen in einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen ohne Narbenbildung ab.
Die Majorvariante ist selten und wird als schwere Form der CRA angesehen. Die Ulzerationen sind oval oder unregelmäßig begrenzt und können größer als ein Zentimeter sein. Sie finden sich insbesondere an den Lippen, dem weichen Gaumen und an den Gaumenbögen. Sie persistieren bis zu sechs Wochen und heilen oft unter Narbenbildung ab.
Herpetiforme Aphthen sind ebenfalls selten und charakterisiert durch multiple, rezidivierende, kleine schmerzhafte Ulzerationen, die sich in der gesamten Mundhöhle finden. Bis zu 100 Ulzerationen können auftreten. Diese haben die Tendenz zu konfluieren.
Erkrankungen, die CRAÄhnlichkeit aufweisen
Aphthoide Veränderungen können bei verschiedenen Systemerkrankungen auftreten, wie dem Morbus Behcet, dem Sweet Syndrom, der zyklischen Neutropenie, der benignen familiären Neutropenie, dem MAGIC Syndrom sowie bei verschiedenen ernährungsbedingten Defizienzen. Sie finden sich auch bei primären Immundefizienzen und bei der HIV-Infektion. Gelegentlich werden sie auch als Folge der Verabreichung nicht steroidaler anti-inflammatorischer Medikamente oder Nicorandil beobachtet. Bei Verdacht auf Systemerkrankungen mit aphthoiden Veränderungen sind diese weiter abzuklären. Differenzialdiagnostisch sind weiterhin virusbedingte Erkrankungen, wie die Gingivostomatitis herpetica (Herpes simplex Typ I), die Hand-, Fuß-, Mundkrankheit, der orofaziale Zoster (Varizella-Zoster-Virus) sowie die Maul- und Klauenseuche, zu erwägen. Auch Bednar-Aphthen sowie das so genannte Aphthoid Pospischill-Feyrter, eine besonders schwere Verlaufsform der Gingivostomatitis herpetica bei Kleinkindern, die durch Masern, Röteln, Varizellen oder Mumps stark geschwächt sind, kommen infrage.
Ätiologie
Die Ätiologie chronisch rezidivierender Aphthen ist unbekannt. Verschiedene Faktoren wurden diskutiert:
1. Mangel an Eisen, Folsäure oder Vitamin B12.
20 Prozent der CRA-Patienten zeigen entsprechende Befunde.
2. Glutensensitive Enteropathie
Fünf Prozent von Patienten mit CRA weisen eine glutensensitive Enteropathie (Zöliakie) auf. Auch Patienten mit Morbus Crohn können CRA-ähnliche Ulzerationen entwickeln.
3. Hypersensibilität gegen Nahrungsmittel
Einige Untersuchungen zeigten eine erhöhte Prävalenz von Atopie bei CRA-Patienten. Kontrollierte Studien konnten keinen Nachweis für einen Zusammenhang zwischen Nahrungsmitteln und CRA zeigen.
4. Andere Faktoren, etwa
Zinkmangel, Menstruationszyklus sowie psychologische Faktoren, wurden ebenfalls diskutiert.
5. Genetische Faktoren
40 Prozent von Patienten mit CRA weisen eine Familienanamnese auf.
Mögliche infektiöse Ursachen der CRA
Bakterien
Orale Streptokokken (viridans) sind als Ursache von CRA diskutiert worden. Sie sollen direkt als pathogene Keime wirken, oder als antigene Stimuli, die zu einer immunologisch vermittelten Kreuzreaktion mit Keratinozytenantigendeterminanten führen. „Streptococcus sanguis“ beziehungsweise „Streptococcus mitis“ und „oralis“ sind insbesondere untersucht worden. Polymerase Kettenreaktionen haben gezeigt, dass „S. oralis“ unspezifisch für die CRA ist [5]. Aufgrund fehlender Hinweise einer häufigen Mitbeteiligung spezifischer Streptokokkeninfektionen bei CRA-Patienten scheint die Rolle dieser Keime im Rahmen ätiologischer Mechanismen unwahrscheinlich.
„Helicobacter pylori“ wurde in oralen Ulzerationen nachgewiesen. IgG-Antikörper gegen „H. pylori“ sind bei CRA-Patienten nicht erhöht.
Viren
Adenoviren und die humanen Herpesvirustypen 1 bis 6 wurden als mögliche Ursache diskutiert. Für alle genannten Viren ergaben sich keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen diesen und dem Entstehen einer CRA [2].
Lokale Faktoren
Traumata können CRA hervorrufen. Diese sind selten an keratinisierten Schleimhautoberflächen oder bei Rauchern.
Therapie der CRA
Aufgrund der bisher ungeklärten Ätiologie der CRA ist die Therapie unspezifisch und von begrenzter Effizienz. In der Literatur finden sich Dutzende von unterschiedlichen Therapievorschlägen, wobei vier Hauptgruppen zu nennen sind (lokale Therapien):
1. Mundspülungen
2. Topische Kortikosteroide
3. Antibiotika
4. Immunmodulatoren sowie einige andere Therapieformen, zum Beispiel Softlaser.
Von besonderer Bedeutung ist, dass die meisten der Therapien zwar die Abheilungszeit verkürzen, aber keinen Einfluss auf die Intervalldauer haben. Topische antibakteriell wirksame Spülungen, wie Chlorhexidin (0,2 Prozent), verkürzen die Ulzerationsdauer und erhöhen die ulzerationsfreien Tage [6]. Topische Tetrazykline verkürzen die Abheilungsdauer und die Schmerzintensität. Topische Kortikosteroide werden am häufigsten angewandt, obwohl bis heute wenig kontrollierte Studien vorliegen [7]. Auch topische Analgetika in Form von Lutschtabletten oder Gelen können appliziert werden. Das Spektrum immunmodulatorisch wirksamer Substanzen ist groß und beinhaltet Präparate wie Alpha-2-Interferon, topische Zyklosporine, Prostaglandin E2 und viele andere. Studienergebnisse sind von unterschiedlicher Aussagekraft.
Systemische Therapien
Es wurden in den letzten Jahren einige systemische Therapien durchgeführt, unter anderem mit Prednisolon und/oder Azathioprin, Levamisol, Colchicin, Pentoxifyllin, Dapson und Thalidomid. Die letztgenannte Substanz scheint die effektivste zu sein und führt in 50 Prozent so behandelter Patienten zur Remission. Der klinisch Einsatz des Präparates ist allerdings begrenzt durch die nach wie vor bestehende Teratogenizität des Präparates.
Zusammenfassung
Chronisch rezidivierende Aphthen stellen eine häufige Erkrankung der Mundschleimhaut dar. Die Ätiologie ist nach wie vor unklar, so dass nur unspezifische, symptomatische Therapieformen zur Verfügung stehen. Da die Patienten sonst körperlich gesund sind, stellen CRA kein grundsätzliches Problem dar.
Prof Dr. Peter A. ReichartCharité, Campus Virchow KlinikumUniversitätsmedizin BerlinZentrum für Zahnmedizin Abteilung für Oralchirurgieund Zahnärztliche RöntgenologieAugustenburger Platz 1, 13353 Berlinpeter-a.reichart@charite.de
aus: dzz(Deutsche Zahnärztl. Zeitschrift 6/2005