Kollege des Lesers
„Ohne die Beiträge von Prof. Dr. Gerhard Stadelmaier über Bühne und Schauspiel in der FAZ wäre die Theaterlandschaft in Deutschland deutlich ärmer“ – so begründeten die Mitglieder des Kuratoriums des Hildegard- von-Bingen-Preises die Wahl des diesjährigen Preisträgers. Stadelmaier habe sich nicht nur als Theaterkritiker, sondern auch als Buchautor und Hochschullehrer (Hochschule für Musik und darstellende Kunst, Frankfurt) einen Namen gemacht.
„Wir lassen Stadelmaier einfach wirken, er kommt und gerade recht!“, sagte der Mainzer Kulturdezernent Peter Krawietz im Hinblick auf Wortwitz und Scharfsinnigkeit des Preisträgers. So hob denn auch Kammerpräsident Dr. Otto W. Müller das Medium Sprache als entscheidendes Kriterium hervor. Ein Kritiker werde daran gemessen, ob er die Fähigkeit habe, zu erkennen, zu analysieren und zu bewerten, um durch ein Nach-, Umoder Überdenken den Grundstein zu möglichem Fortschritt zu legen. Hier gebe es Parallelen zwischen der Rolle des Kritikers und der Rolle des Zahnarztes in seinem gesellschaftlichen Umfeld: „Beide müssen sich dem Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung stellen und auf die Fragen der Gesellschaft eine glaubwürdige Antwort finden, das heißt, Professionalität demonstrieren.“ Der rheinland-pfälzische Kultusminister Wolfgang Zöllner lobte im Rahmen der Preisverleihung das gesellschaftliche Engagement der Kammer. Es sei keine Selbstverständlichkeit, dass eine Berufsorganisation sich hier stark mache.
Schlagabtausch
Einen wortgewandten Schlagabtausch boten Kuratoriumsmitglied Helmut Ahrens und der Preisträger selbst. Ahrens sagte in seiner Laudatio: „Vor allem schreibt dieser Besessene über das Theater, weil er es liebt. Weil er weiß, dass es keine Zutat in unserer Gesellschaft ist, sondern ein Lebensmittel“. Er stellte Stadelmaier in eine Tradition mit großen deutschen Theaterkritikern wie Theodor Fontane, Alfred Kerr und Friedrich Luft . Im Gegensatz zu diesen konzentriere der Preisträger sich aber nicht nur auf die rein deutsche Theaterlandschaft, sondern schreibe über „die weite Sicht auf die Kunst der Welt.“ Seine Neigung zum Paradoxen, seine scharfsinnigen und klugen Texte machten die Kritiken zu einem Lesevergnügen. Und: „In der Mitte seines beruflichen Lebens steht die Lust des begnadeten Zuschauers an der Mitteilung.“
Der Preisträger selbst bezog sich in seiner Dankesrede auf sein Selbstverständnis in der Rolle als Kritiker: „Der wahre Platz des Kritikers ist das Foyer.“ Mitten im Publikum ansässig habe er keine Verpflichtung dem Theater gegenüber. Der Kritiker verdanke dem Theater alles, sei ihm aber zu nichts verpflichtet. Vor allem habe er dafür zu sorgen, dass es seinem Lesepublikum gut gehe. Der Kritiker sei – als aufgeklärter demokratischer Despot – ein Angestellter des Lesepublikums, ein „Kollege des Lesers“.