Das Merkelzellkarzinom des Gesichtes
Eine 65-jährige Frau wurde uns von der dermatologischen Klinik im Hause zur weiteren Diagnostik und Therapie eines zwei Zentimeter großen Tumors im Bereich der rechten Wange überwiesen. Seit etwa zwölf Monaten hatte die Patientin einen langsam größer werdenden kleinen schmerzlosen Knoten der Haut bemerkt. Makroskopisch imponierte bei Erstvorstellung in unserer Klinik eine knotige Hautformation mit glatter Oberfläche, radiärer rot-violetter Gefäßzeichnung (Teleangiektasie) und einer Größenausdehnung von zwei Zentimetern (Abb. 1 und 2). Der behandelnde Dermatologe, der sie wegen mehrerer Basalzellkarzinome im Bereich der Nasenhaut behandelte, beurteilte diese Veränderung als einen entzündlichen Knoten der Haut. Auf ausdrücklichen Wunsch der Patientin, die wegen der Größenzunahme beunruhigt war, wurde dennoch eine Probeexzision vorgenommen. Die Histologie zeigte das Bild eines Merkelzellkarzinoms.
Das anschließend im Rahmen des stationären Aufenthaltes durchgeführte Tumorstaging (Ultraschall, CT, PET) ergab keinen Hinweis für eine Metastierung des Tumors. Nach der Excision des Tumors mit einem Zentimeter Sicherheitsabstand erfolgte die Defektdeckung mittels einer Wangenrotationslappenplastik nach Esser. (Abb. 3 und 4). Sechs Wochen postoperativ wurde eine Bestrahlung des Tumorgebietes und der Lymphabflussbahnen durchgeführt. Ein Jahr nach Abschluss der Behandlung war die Patientin rezidiv- und metastasenfrei.
Diskussion
Der Merkelzelltumor ist ein sehr seltener maligner Hauttumor von neuroendokriner Differenzierung [Toker, 1972]. Er befällt vorwiegend ältere Menschen. 78,6 Prozent der Patienten sind älter als 59 Jahre. Bis zum 60. Lebensjahr sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen. Ab dem 60. Lebensjahr überwiegt das weibliche Geschlecht. Der Tumor ist am häufigsten in den sonnenexponierten Arealen des Gesichts lokalisiert und hat zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig schon eine durchschnittliche Größe von mehr als zwei Zentimetern [Meland et al., 1990]. Bei 30 Prozent der Patienten liegen bereits bei der Erstvorstellung klinisch positive regionale Lymphknoten vor. Auch das klinische Wachstum ist, wie bei allen malignen Tumoren, typischerweise schnell.
Die primäre Basistherapie ist die chirurgische Exzision mit weitem Sicherheitsabstand [Meland et al., 1990]. Die Ergänzung der chirurgischen Primärtherapie durch eine radikale Lymphadenektomie sollte bei Metastasen durchgeführt werden.
Aufgrund der Radiosensitivität der Merkelzellkarzinome [Ashby et al., 1989] senkt die Kombinationsbehandlung von Tumorexzision und konsekutiver Radiatio auch bei Patienten ohne Befall der regionalen Lymphknoten das Risiko eines Rezidivs oder einer Metastasierung. Bei Patienten mit ungünstigen prognostischen Indikatoren sollte immer eine zusätzliche Strahlenbehandlung durchgeführt werden [Meeuwissen et al., 1995]. Nach der Entfernung des Tumors ist eine regelmäßige, engmaschige, langjährige Tumornachsorge erforderlich. Eine bereits eingetretene Lymphknotenmetastasierung, eine Tumorgröße von über zwei Zentimeter stellen prognostisch ungünstige Indikatoren dar, welche bei der Therapieplanung berücksichtigt werden sollten. Auch der vorliegende aktuelle Fall zeigt, wie wichtig die sorgfältige Untersuchung der perioralen Weichgewebe ist. Gerade dem Zahnarzt kommt damit eine wichtige Rolle in der Früherkennung von malignen und prämalignen Befunden des Kopfes zu.
Nur durch die Früherkennung von malignen Läsionen ist eine Therapie mit guten Erfolgsaussichten möglich.