Rotaviren gefährden nicht nur Kinder in der Dritten Welt
Jährlich sterben weltweit rund 440 000 Kinder an einer Infektion mit Rotaviren. Die überwiegende Zahl der Todesfälle ereignet sich in unterentwickelten Ländern, doch auch in unseren Breitengraden kommt es immer wieder vor, dass Kleinkinder und Säuglinge an durch Rotaviren verursachten Gastroenteritiden zu Tode kommen. Rotaviren sind der häufigste Grund für Durchfälle bei Kleinkindern und Säuglingen. Sie zeichnen für 50 Prozent der Fälle verantwortlich, wenn Kinder unter fünf Jahren wegen einer Gastroenteritis in die Klinik müssen. Drauf haben Kinderärzte in Valencia bei einem Kongress der Europäischen Gesellschaft für pädiatrische Infektionen hingewiesen.
Risiken nicht unterschätzen
Doch nicht nur die Gefährlichkeit der Rotaviren wird hierzulande noch unterschätzt, auch zur Häufigkeit herrschen falsche Vorstellung. „Jedes Kleinkind durchlebt mindestens eine Rotavirus-Infektion bis zu seinem dritten Lebensjahr“, so Professor Dr. Marc van Ranst aus Leuven/Belgien, auf dem Kongress. Nahezu zwei Drittel aller Kinder machen nach seinen Worten mindestens zwei Episoden einer Rotavirus-Infektion in ihren ersten beiden Lebensjahren durch. Bei 40 Prozent sind es drei Episoden und bei jedem zehnten Kind sogar fünf Episoden und mehr.
Wässrige Durchfälle, Erbrechen und Bauchweh
Jede Infektion aber bedeutet wässrige Durchfälle, Erbrechen und Bauchschmerzen. Die Kinder entwässern und müssen nicht selten deshalb stationär behandelt werden. „Mehr als 220 000 Kinder müssen pro Jahr in Europa wegen einer Gastroenteritis für zwei bis fünf Tage hospitiert werden“, erklärte der Mediziner in Valencia. „Auch wenn mit rund 15 Todesfällen pro Jahr die Sterbefälle in Europa vergleichsweise gering sind, ist doch die Morbidität sehr hoch“.
Der Wissenschaftler unterstrich, dass Rotaviren eine gefürchtete nosokomiale Infektion darstellen. So infizieren sich nicht wenige Kinder in der Klinik mit diesem Keim, wenn sie wegen anderer Erkrankungen der stationären Behandlung bedürfen, was diese dann verlängern und komplizieren kann.
Hoffnung auf neuen Impfstoff
Der Infektion kann kaum mit Prophylaxemaßnahmen begegnet werden. Denn auch beste hygienische Verhältnisse können eine Infektion mit dem hoch kontagiösen Virus, einem doppelsträngigen RNA-Virus aus der Familie der Reoviridae, nicht verhindern. Die Entwicklung eines Vakzins gegen Rotaviren ist deshalb die einzige Chance, Säuglingen und Kleinkindern die Belastungen der zum Teil sehr schwer verlaufenden Gastroenteritis zu ersparen.
Schwierigkeiten bereitete die Vakzinentwicklung infolge der hohen Variabilität des Virus, die an das Grippevirus erinnert. Doch inzwischen ist es laut Dr. Dirk Campens von Sanofi Pasteur MSD gelungen, einen Impfstoff zu entwickeln, der gegen die fünf häufigsten Serotypen der Rotaviren gerichtet ist.
98 Prozent weniger schwere Infektionen
In einer Phase III-Studie bei 5 700 Kindern wurde nachgewiesen, dass das neue Vakzin, dessen europaweite Zulassung jüngst beantragt wurde, generell 75 Prozent der Rotaviren-Infektionen abwendet. Wichtiger noch ist ein zweites Ergebnis der Studie: „Schwer verlaufende Rotavirus-Infektionen werden sogar zu 98 Prozent verhindert“, betonte der Wissenschaftler. Das Vakzin hat sich in den Studien zugleich als sicher in der Anwendung erwiesen, so hieß es in Valencia.
Mit dem Impfstoff, der oral gegeben wird, sollen Kinder ab der sechsten Lebenswoche geimpft werden. Die Impfung erfolgt dreimal im Abstand von vier bis zehn Wochen.
Christine VetterMerkenicherstr. 22450735 Köln