Bildgebende Verfahren und Management von Komplikationen
Bildgebende Verfahren
Prof. Dr. Jürgen Becker, Düsseldorf, fasste in seinem Vortrag „Neue Entwicklungen und rechtliche Aspekte zur Röntgendiagnostik in der Kieferchirurgie“ die wesentlichen Änderungen im Rahmen der neuen Röntgenverordnung zusammen (www.zm-online.de: Neue Röntgenverordnung).
Anschließend ging Prof. Dr. Dr. Stefan Hassfeld, Dortmund und Witten/ Herdecke, in seinen Ausführungen auf die Wertigkeit der dreidimensionalen bildgebenden Technik im Rahmen der computergestützten Planung implantologischer Eingriffe ein. Die OPG-Aufnahme (Orthopantomogramm) stelle bisher den klinisch zahnärztlichen Goldstandard dar, solle auf dem Weg zur Diagnosesicherung oder OP-Planung heute aber in besonderen Situationen und bei eingeschränkter räumlicher Beurteilbarkeit durch weitere dreidimensionale Bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) und die digitale Volumentomographie (DVT) ergänzt werden. Zu diskutieren seien die erhöhte Strahlendosis, die hohen Kosten und die noch vorhandenen ergonomischen Schwächen bei der Anwendung der Navigationstechnik in der Routinepraxis.
Die Kurzvorträge zum ersten Hauptthema widmeten sich in einem ersten Block den bildgebenden Verfahren im Rahmen der präimplantologischen Planung. So stellten Dr. Andreas Künzel und Mitarbeiter, Düsseldorf, eine genauere Lagebestimmung des Nervus alveolaris inferior mittels CT- und DVT-Untersuchungen im Vergleich zu der konventionellen Orthopantomographie fest und präferierten CT und DVT bei der Planung dentaler Implantate, insbesondere bei reduziertem Knochenangebot und resultierender Nähe zum Mandibularkanal. Auch die Arbeitsgruppe um Dr. Carsten Westendorff, Tübingen, betonte die Schonung von Risikostrukturen und eine hohe Präzision der Implantatlagerpräparation bei der Navigationstechnologie.
Dr. Stefan Hümmeke und Mitarbeiter, Osnabrück, verglichen die Navigationschirurgie und stereolithographische Bohrschablonensysteme bei der virtuellen Implantatplanung. Beide Methoden würden eine sichere Schonung anatomischer Strukturen und eine optimale Nutzung von lokalem Knochenangebot ermöglichen, seien aber mit einem erhöhten verfahrensspezifischen Aufwand verbunden. Nachteilig sei bei der Navigationschirurgie zudem die erschwerte Fixierung des Navigationsbogens bei zahnlosen Kiefern. Bei den Bohrschablonensystemen seien die fehlende intraoperative Flexibilität, die problematische Kühlung und die erforderliche weite Mundöffnung als zusätzliche Nachteile zu nennen.
Die Filterung von digitalen Röntgenaufnahmen mit dem Vistascan System im Rahmen der präimplantologischen Diagnostik war Gegenstand des Beitrags von Dr. Andreas Künzel und Mitarbeitern, Düsseldorf. Die Filterung der digitalen Speicherfolienaufnahmen verbessere die Beurteilbarkeit anatomischer Strukturen im Vergleich zu ungefilterten oder rauschgefilterten digitalen Aufnahmen, erreiche aber nicht die subjektive Bildqualität konventioneller Röntgenaufnahmen.
Der zweite Block beschäftigte sich mit den Bildgebenden Verfahren im Rahmen der Traumatologie und Tumorchirurgie. Dr. Dr. Dirk Gülicher und Mitarbeiter, Tübingen, empfahlen die intraoperative Jochbogenvisualisierung bei Jochbeinfrakturen mit Dislokation am Processus zygomaticotemporalis als wertvolles Hilfsmittel zur Repositionsoptimierung.
Dr. Jan-Hendrik Lenz und Mitarbeiter, Rostock, untersuchten mittels digitaler Infrarot- Thermographie die bei der Osteosynthese von Mittelgesichtsfrakturen durch den Bohrvorgang im Knochen entstehenden Temperaturen und forderten sowohl eine reduzierte Drehzahl als auch die Verwendung eines Handstückes mit Kühlung.
Das Kölner Team um Dr. Dr. Martin Scheer stellte den Einsatz der Endosonographie im Rahmen des Stagings von oralen Plattenepithelkarzinomen vor. Insbesondere kleine Tumoren ließen sich besser als im CT oder MRT (Magnetresonanztomographie) darstellen, ohne dass die von CT und MRT bekannten, durch Bewegung und metallische Restaurationen verursachten Artefakte aufträten. Bei einem intraoperativen Einsatz könne die transorale hoch auflösende Endosonographie helfen, submuköse Tumorgrenzen exakter zu bestimmen. Dr. Andre Zimmermann und sein Team, Düsseldorf, untersuchten die Sensitivität und die Spezifität der FET(Fluorethyl-L-Tyrosin)- Positronen-Emissions-Tomographie (PET) im Vergleich zu der konventionellen FDG(Fluordeoxyglukose)-PET und der Computertomographie im Rahmen der Diagnostik von Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich. Mithilfe der FET-PET ließe sich besser zwischen Tumor und Entzündung unterscheiden. Nachteilig im Vergleich zur FDG-PET sei jedoch die geringere Tumoraufnahme, welche zu einer schlechteren Detektion von kleinen Lymphknotenfiliae führe.
Die Darstellung von potentiellen Anschlussgefäßen vor schwierigen mikrochirurgischen Rekonstruktionen mittels 3-D-Spiral- CT-Angiographie war der Schwerpunkt von Dr. Petra Thurmüller und Mitarbeitern, Bochum. Die Methode erleichtere die Wahl des zum Einsatz kommenden mikrochirurgischen Transplantates und sei zudem weniger invasiv und damit risikoärmer als die konventionelle Angiographie.
Management von Komplikationen
Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, Göttingen, fasste in seinem Beitrag die „Komplikationen der Wundheilung bei dentoalveolären Eingriffen“ die wenigen bis dato vorliegenden evidenzbasierten Daten auf den Gebieten „operative Entfernung retinierter und verlagerter Zähne“, „Wurzelspitzenresektion“ und „Zystenbehandlung“ zusammen. Komplikationen bei der Entfernung retinierter Zähne zeigten sich bei weniger als fünf Prozent der untersuchten Fälle. Risikofaktoren seien trotz umfangreichen Schrifttums noch wenig evidenzbasiert. Alter und Geschlecht, die Einnahme von Kontrazeptiva und Rauchen seien unterschiedlich beurteilt worden. Die prophylaktische Gabe von Antibiotika erscheine postoperativ wirkungslos. Eine präoperative Gabe wie auch Chlorhexidindigluconat-Spülungen seien unsicher in der Wirkung. Evidenzbasierte Aussagen über die Komplikationsdichte bei Wurzelspitzenresektionen seien derzeit nicht möglich, da das Auftreten von Komplikationen in einem nicht quantifizierbaren Verhältnis zum Misserfolg stünde. Prospektive randomisierte Studien zum Einsatz des Operationsmikroskopes zur Verbesserung der Erfolgsrate endochirurgischer Maßnahmen fehlten ebenfalls. Gleiches träfe auf die Behandlung von Zysten zu.
Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch, Hamburg, ging auf zahnärztliche und kieferchirurgische Vorsorgemaßnahmen bei Patienten mit Bisphosphonattherapie sowie auf die Therapie von Osteonekrosen ein. Er zeigte Parallelen zwischen der Kiefernekrose bei Bisphosphonattherapie und der historischen Phosphornekrose – der Berufskrankheit der Zündholzhersteller und Fassmacher des ausgehenden 19. Jahrhunderts – auf. Entscheidend sei eine Sanierung der Mundhöhle vor Beginn einer jeden Bisphosphonattherapie, wie man sie von Patienten vor Radio-Chemotherapie kennt, sowie eine engmaschige zahnärztliche Kontrolle auf Druckstellen während der Therapie. Bei notwendiger chirurgischer Intervention empfahl er die klassische Stufentherapie der Osteonekrosen: Dekortikation, Teilresektion und Kontinuitätsresektion.
Bei den Kurzvorträgen berichteten Dr. Dr. Oliver Driemel und Mitarbeiter, Regensburg/ Erfurt, über Zahnverletzungen bei Miniplattenosteosynthese von Unterkieferfrakturen und betonten eine vom Verletzungsmuster (mit oder ohne Pulpabeteiligung) abhängige Therapie, Komplikationsrate und Überlebenschance der betroffenen Zähne.
Sebastian Hoefert und Mitarbeiter, Recklinghausen/ Tübingen, beschrieben eine geringere Entnahmemorbidität des lateralen Oberarmlappens im Vergleich zum radialen Unterarmlappen.
Dr. Dr. Frank Hölzle und Mitarbeiter, Bochum, erklärten das O2C-Gerät wegen seiner einfachen Anwendbarkeit und seiner sehr guten Sensitivität als vorteilhaft zur frühzeitigen Detektion mikrochirurgischer Transplantat-Komplikationen.
Dr. Frank C. Lazar und Mitarbeiter, Köln/ Mönchengladbach, stellten die vertikale Alveolarfortsatzdistraktion bei richtiger Indikationsstellung, Beachtung der Therapieregeln und Abwägung möglicher Komplikationen als nach wie vor sichere und komplikationsarme Augmentationstechnik dar.
Priv. Doz. Dr. Dr. Peter Maurer und Dr. Dr. Alexander W. Eckert, Halle, empfahlen, den Einsatz alloplastischer Rekonstruktionssysteme für den Unterkieferkontinuitätsdefekt aufgrund der hohen Komplikationsrate auf fortgeschrittene Tumorerkrankungen und Patienten mit eingeschränkter Operationsfähigkeit zu begrenzen. Insbesondere die biomechanischen Schwachstellen der zurzeit erhältlichen Rekonstruktionssysteme ließen Designmodifikationen zwingend erforderlich werden.
Dr. Jörg Neugebauer und Mitarbeiter, Köln/ Wien, schlugen die antimikrobielle Photodynamische Therapie mit Helbo® Blue und Theralite-Laser zur Prävention der alveolären Ostitis nach Zahnextraktion vor.
Dr. Frank Schwarz und Mitarbeiter, Düsseldorf, konnten eine höhere Effektivität des Er:Yag Lasers im Vergleich zur kombinierten Anwendung von Kunststoffküretten und adjuvanter Chlorhexidindigluconat-Spülung bei der Therapie initialer und fortgeschrittener periimplantärer Entzündungen aufzeigen. Der Erfolg der Behandlung ließe sich innerhalb der ersten zwölf Monate erkennen. Hierbei stelle der initiale Knochenverlust den limitierenden Faktor für den Therapieerfolg dar.
Die Kieler Arbeitsgruppe um Dr. Dr. Patrick Warnke untersuchte das Erregerspektrum und die Antibiotikaresistenzen bei odontogenen Infektionen. Moxifloxacin besitze im Vergleich zu den Standardtherapeutika Penicillin, Doxycyclin und Clindamycin die beste Aktivität gegen aerobe und anaerobe Erreger. Eine vergleichbare Effektivität gegen das Gesamterregerspektrum zeige nur Amoxicillin-Clavulansäure. Die gute Wirksamkeit gegen die Hauptkeime berechtige trotz der reduzierten Wirksamkeit gegen das Gesamtspektrum weiterhin den klinischen Einsatz der Standardtherapeutika Penicillin, Doxycyclin und Clindamycin bei odontogenen Infektionen.
Dr. Nils Weyer und Mitarbeiter, Freiburg, beobachteten bei der Anwendung der piezochirurgischen Technik zur Lateralisation des Nervus alveolaris inferior eine Komplikationsrate vergleichbar mit der konventionellen Operationstechnik, welche sie mit der intraoperativen mechanischen Manipulation des Nerven durch Operateur oder Assistenz erklärten.
Der „Tag der Forschung“ bot ein Forum für aktuelle Forschungsergebnisse. Für zahnärztliche und mund-, kiefer- und gesichtschirurgische Forschungsgruppen lautet die Kontaktadresse der Deutschen Forschungsgesellschaft in Bonn:petra.hintze@dfg.de, Tel.: 0228 8852552.
Dr. Dr. Oliver Driemel, OberarztKlinik und Poliklinik für Mund-,Kiefer- und GesichtschirurgieKlinikum der Universität RegensburgFranz-Josef-Strauß-Allee 1193053 Regensburg