1. Heraeus Dental Symposium

Wissenschaft und Dentalindustrie – eine Symbiose

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„Wissenschaft & Dentalindustrie – Zukunft gemeinsam gestalten“ lautete das Motto des 1. Heraeus Dental Symposiums, zu dem Vertreter der deutschen Universitätszahnmedizin eingeladen waren, um über zahnärztliche Behandlungskonzepte der Zukunft und über das Potenzial neuer Technologien zu diskutieren.

Nach der Begrüßung der Symposiumsteilnehmer durch Dr. Roland Richter, Geschäftsführer der Heraeus Kulzer GmbH, ging Professor Reinhard Hickel, München, der Frage nach, wohin sich die Zahnmedizin entwickelt und wo die Anforderungen an Wissenschaft und Industrie heute liegen.

Hickel bemängelte, dass die Diagnostik sowohl in der Kariologie als auch in der Parodontologie derzeit darauf beruht, erst bereits eingetretene Läsionen zu erkennen. Wünschenswert seien Marker oder Indikatoren, mit denen sich pathologische Prozesse bereits feststellen lassen, bevor es zu messbaren Schäden (Demineralisation, Attachmentverlust) gekommen ist. Als Möglichkeit erwähnte er den ortsspezifischen Nachweis einer Lactatproduktion im Rahmen der Kariesrisikodiagnostik.

Wünsche an die Industrie formuliert

Ein viel versprechendes Konzept sei auch die Beschichtung der Zahnoberfläche (Coating) zur Verhinderung der Biofilmanlagerung. Zurückhaltend äußerte sich Professor Hickel zu den verschiedenen Ansätzen einer „Kariesimpfung“. Als unbefriedigend gelöst bezeichnete er die Endpunktbestimmung bei der Kariesentfernung; Sondenhärte und Farbe des Dentins stellten keine sauberen Standards dar, der Stahlbohrer führe in aller Regel zu einer unnötig tiefen Exkavation. Bei den Restaurationen dürften die Nanofüller-Technologie, neue Komposite auf Siloran-Basis und in weiterer Zukunft möglicherweise auch Hydroxylapatit eine Rolle spielen. Bei den indirekten Restaurationen wird ein Ausbau der CAD/CAM-Technologie erwartet. In der Parodontologie werden genetische und immunologische Testverfahren eine wichtige Rolle für die Früh- und Risikodiagnostik spielen. Weitere Zukunftsfelder in der Parodontaltherapie sind regenerative Verfahren und die Halithosistherapie.

Anschließend betonte Professor Georg Meyer, Greifswald, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, die enge Beziehung der Zahnmedizin zur Medizin. Als Beispiel nannte er die nachgewiesenen Wechselbeziehungen zwischen schweren Parodontitiden und Allgemeinerkrankungen. Erneut wandte sich Meyer dagegen, die zahnärztliche Tätigkeit auf Cosmetic Dentistry zu reduzieren. Er plädierte dafür, bei der Entwicklung neuer Füllungsmaterialien auch die biologischen Aspekte, speziell die Biokompatibilität zu beachten, und sich nicht nur auf die werkstoffkundlichen Eigenschaften zu beschränken. In diesem Zusammenhang betonte Meyer die ausgezeichnete Bioverträglichkeit und klinische Langzeitbewährung von Goldrestaurationen.

MPG nimmt Industrie in die Zange

Dr. Albert Erdrich ging in seinem Beitrag auf die hohen Anforderungen des Medizinproduktegesetzes (MPG) bei der Entwicklung neuer Dentalmaterialien ein. Mit der CEKennzeichnung seiner Produkte übernehme der Hersteller die Hauptverantwortung.

In der Novellierung des Gesetzes sei vorgesehen, die klinische Prüfung von Medizinprodukten, also auch die von Adhäsiven und Füllungsmaterialien, vor deren Markteinführung verbindlich vorzuschreiben. Insgesamt seien die Anforderungen an klinische Prüfungen sehr stark gestiegen. An dieser Stelle warb Dr. Erdrich für eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Dentalindustrie und Wissenschaft. Er bedauerte, dass – nicht zuletzt aufgrund bürokratischer Hürden – die Ergebnisse einer Ein-Jahres-Studie häufig erst 30 bis 36 Monate nach Initiierung des Projekts vorliegen würden. Mithilfe von standardisierten Studienprotokollen sollen die Abwicklung dieser klinischen Prüfungen erleichtert und die Ergebnisse besser vergleichbar gemacht werden.

Professor Claus-Peter Ernst, Mainz, befasste sich in seinem Vortrag mit dem Trend zu direkten Kompositrestaurationen sowie mit den Möglichkeiten und Grenzen dieser Restaurationsform. Seiner Einschätzung nach hat die Werkstoffentwicklung bei den Adhäsiven und den Kompositen dazu geführt, dass adhäsive Kompositrestaurationen auch im Seitenzahnbereich erfolgreich eingesetzt werden können, wie auch zahlreiche, viel versprechende klinische Studien belegen. Auch der Ersatz einzelner Höcker mit Komposit sei heutzutage möglich. Im Vergleich zu Keramikinlays sind die Kosten für geschichtete, dentinadhäsive Kompositrestaurationen – selbst bei Zuzahlung des Patienten – deutlich geringer.

Professor Ernst berichtete aus seiner eigenen praktischen Tätigkeit, dass er die Indikation für Keramikinlays zugunsten von direkten Kompositrestaurationen deutlich seltener stellt als noch vor zehn Jahren. Die früher verbreitete, so genannte Quadrantensanierung mit indirekten Restaurationen sei einer „auf den Bedarf des Einzelzahnes bezogenen Individualität“ bei der Indikationsstellung gewichen, verbunden mit einer Zunahme von Einzelzahnrestaurationen.

Wenig Fortschritte bei Adhäsiven

In seinem Referat über Zukunftsstrategien in der Adhäsivtechnik zeigte Professor Bernd Haller, Ulm, zunächst die Vorteile adhäsiver Kompositrestaurationen auf. Allerdings hätten in den letzten zehn Jahren kaum echte Verbesserungen stattgefunden. Der entscheidende Fortschritt sei Anfang der Neunzigerjahre mit der Einführung der heute noch erhältlichen Drei-Schritt-Systeme erzielt worden. Seither wurde vor allem auf Vereinfachungen in der Applikation der Adhäsivsysteme (One-bottle-Bonds, Allin-one-Adhäsive) hingearbeitet. Diese hätten jedoch zu Einbußen entweder bei der Beständigkeit der Dentinhaftung oder bei der Schmelzhaftung geführt, deren klinische und biologische Auswirkungen zum Teil noch nicht bekannt seien. Speziell die Degradation der Verbundschicht bei den All-in-one-Adhäsiven steht derzeit im Fokus der Forschung. Abschließend zeigte Haller mögliche neue Strategien bei der Entwicklung von Adhäsivsystemen auf, zum Beispiel die Möglichkeit, Adhäsive als Vehikel für therapeutisch wirksame Substanzen (Dentinogenese, Entzündungshemmung, Bakterienhemmung) zu nutzen. Er bezeichnete in diesem Zusammenhang Adhäsive mit antibakteriell wirksamen Monomeren als einen interessanten Ansatz.

Professor Hans-Jörg Staehle, Heidelberg, zeigte in seinem Beitrag neue Indikationen für Komposite abseits der klassischen BLACK-Kavitäten auf. Mit beeindruckenden Fallbeispielen, die er bereits über mehrere Jahre dokumentiert, zeigte Professor Staehle, wie er sich mit Kompositen in die Grenzbereiche der restaurativen Zahnerhaltung wagt, sei es mit direkten Formveränderungen, nicht nur im Front-, sondern auch im Seitenzahnbereich, mit Reparaturrestaurationen oder mit direkten postendodontischen Aufbauten. Zum Teil hoffnungslos erscheinende Zähne wurden von ihm so aufgebaut und vor der geplanten Extraktion (mit anschließender Implantatversorgung) bewahrt. Der Referent räumte ein, dass sich diese individuellen, minimalinvasiven Problemlösungen noch abseits der gängigen evidenzbasierten Therapiekonzepte bewegen. Er prognostizierte aber, dass solche Restaurationen in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden, zumal die finanziellen Rahmenbedingungen für aufwendige laborgefertigte Versorgungsformen zunehmend enger werden.

Karieszonen im Dentin neu definieren

Der Vortrag von Professor Karl-Heinz Kunzelmann ,München, stand unter dem Motto „Kariestherapie der Zukunft“. Die zentrale Frage bei der restaurativen Kariestherapie laute: „Wie weit soll exkaviert werden?“. Diese Frage sei nach wie vor strittig, zumal objektive Kriterien fehlten. Kunzelmann bezeichnete die alten Zonen der Dentinkaries als hinfällig. Entscheidend sei, in welchen Bereichen eine Remineralisation möglich ist; dieses Dentin gelte es zu erhalten. Offenbar kann eine solche Remineralisation sogar noch bei isolierten Kollagenfasern mit extrafibrillären Hydroxylapatitresten erwartet werden. Hinsichtlich der Bestimmung des Endpunktes bei der Kariesexkavation unterscheidet Kunzelmann zwischen Feedback-Systemen, diese wiederum unterteilt in aktive (zum Beispiel drehmomentkontrollierte Rosenbohrer) und passive (wie Hydroxylapatit-Pulverstrahler), und selbstlimitierenden Systemen. Letztere lassen sich in unspezifische Systeme auf der Basis von Natriumhypochlorit (Carisolv®) und spezifische auf der Basis von Enzymen unterteilen. Für die Rekonstruktion der Defekte könnten laut Kunzelmann bioaktive Hydroxylapatit-Zemente künftig eine Rolle spielen. Zur Prävention der Schmelzkaries wird an Beschichtungen mit Nano-Hydroxylapatit gearbeitet, um dadurch die Biofilm-Anheftung zu reduzieren.

Nach den Beiträgen der Hochschullehrer stellten Mitarbeiter der F&E-Abteilung von Heraeus Kulzer ihre aktuellen Entwicklungsaktivitäten auf dem Gebiet der All-in-one-Adhäsive, der schrumpfungsreduzierten Nanopartikel-modifizierten Komposite und neuartiger Zemente vor. Einen launigen Abschluss fand die sehr gelungene Veranstaltung in einem Beitrag von Stephan Grünewald, Institut Rheingold, mit Ergebnissen aus der Marktforschung über die Einstellungen und Erwartungen unterschiedlicher Patiententypen.

Prof. Dr. Bernd HallerDepartment für ZahnheilkundeSchwerpunkt Zahnerhaltungskunde undParodontologieAlbert-Einstein-Allee 1189081 Ulmb.haller@uniklinik-ulm.de

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