Gelenkrheuma - rheumatoide Arthritis
In der westlichen Welt leiden rund ein bis zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung an einer rheumatoiden Arthritis (RA), früher auch chronische Polyarthritis oder im Volksmund Gelenkrheuma genannt. Die Erkrankung manifestiert sich in aller Regel zwischen dem 35. und dem 50. Lebensjahr. Betroffen sind überwiegend Frauen. Sie machen rund 60 bis 70 Prozent der Patienten mit rheumatoider Arthritis aus. Eine Sonderform ist die juvenile chronische Polyarthritis, bei der bereits Kinder und Jugendliche erkranken.
Entzündung der Gelenke
Das wichtigste Kriterium der rheumatoiden Arthritis ist die Gelenkentzündung, wobei primär die kleinen Gelenke betroffen sind, also die Finger- und die Zehengelenke. Typisch ist ein symmetrischer Befall auf beiden Körperseiten, wobei sich die Entzündungen anders als bei der akuten Polyarthritis bei der RA nicht spontan zurückbilden.
Die Erkrankung verläuft chronisch, oft in Schüben, es kommt durch die Entzündung zum Abbau des Knorpelbelags in den Gelenken und zu Knochenverformungen und Destruktionen. Die Folge sind Schmerzen sowie Funktionsbehinderungen und zunehmende Fehlstellungen.
Das Krankheitsbild ist in seinem Verlauf allerdings variabel. Während es eine Reihe von Patienten gibt, bei denen die Störung relativ langsam fortschreitet, entwickeln sich andererseits bei 40 Prozent der Betroffenen knöcherne Gelenkdefekte bereits innerhalb der ersten sechs Monate nach Auftreten der Beschwerden. Nach fünf Jahren weisen solche Veränderungen bis zu 90 Prozent der Patienten auf, zehn Prozent sind durch die RA schwerstbehindert.
Autoimmune Gelenkdestruktion
Die Ursachen für die Entstehung der Rheumatoiden Arthritis sind noch nicht endgültig geklärt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass zu Beginn des Krankheitsprozesses eine Art immunologischer Fehlerkennung stattfindet, wobei das Immunsystem die Selbsttoleranz verliert und fälschlicherweise körpereigene, gesunde Zellen als fremd erkennt und attackiert.
Die fehlgesteuerten Immunzellen bilden Entzündungsmediatoren, die so genannten Zytokine, welche ihrerseits die Entzündungsreaktion schüren und unterhalten. Beteiligt an diesem Prozess sind insbesondere das Interleukin-1 (IL-1) und der Tumornekrosefaktor- alfa (TNF-a). Sie bewirken die Entzündungsreaktion, die in der Regel in der Synovialis, der Gelenkinnenhaut ihren Anfang nimmt und vor dort auf die weiteren Strukturen übergeht.
Die Symptomatik
Die Symptome der RA erklären sich durch die Entzündungsreaktion, die sich mit Schmerzen sowie mit einer Schwellung und Überwärmung der betroffenen Gelenke bemerkbar macht. Anders als bei verschleißbedingten Gelenkerkrankungen tritt der Schmerz vor allem in Ruhe auf und bessert sich bei Bewegung. Die Patienten leiden damit insbesondere auch nachts unter starken Gelenkschmerzen. Typisch ist ferner eine ausgeprägte Morgensteifigkeit, die je nach Krankheitsausprägung durchaus über Stunden andauern kann.
Kraftverlust, Gelenkschwellungen, Schwierigkeiten beim Faustschluss kommen als Beschwerden hinzu. Infolge der fortschreitenden Gelenkdestruktion spielen im weiteren Verlauf außerdem Einschränkungen der Beweglichkeit und allgemeine Funktionseinschränkungen eine zunehmende Rolle.
Symptome über die Gelenke hinaus
Die Symptome der RAS sind aber nicht allein auf die Gelenke beschränkt, die meisten Patienten leiden darüber hinaus auch unter allgemeinen Krankheitssymptomen. Dies sind in erster Linie ein allgemeines Krankheitsgefühl, Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Es kann zu Appetitlosigkeit und zur Gewichtsabnahme kommen, zur Lustlosigkeit und auch zur Depressivität. Während Phasen eines akuten Krankheitsschubes ist nicht selten Fieber auffällig.
Unabhängig von solchen systemischen Reaktionen befällt die RA auch die Weichteile, ein Karpaltunnelsyndrom und Sehnenscheiden- oder Schleimbeutelentzündungen können sich entwickeln.
Seltener treten weitere Organbeteiligungen auf. Möglich sind auch schwere Komplikationen, wie eine Pleuritis oder eine Perikarditis. Beschrieben sind ferner eine Beteiligung der Augen, der Haut und auch der Speichel- und Tränendrüsen.
Klinische Stadien
Klinisch kann die RA in Stadien eingeteilt werden:
• Stadium 1 bezeichnete das schubweise Auftreten von Gelenkschwellungen und -schmerzen mit Morgensteifigkeit und allgemeinen Krankheitszeichen.
• Stadium 2 ist charakterisiert durch eine fortschreitende Abnahme der Gelenkbeweglichkeit, einen Kräfteverlust und eine Mitbeteiligung des Bindegewebes (Gelenkkapsel, Sehnenscheiden, Schleimbeutel)
• Im Stadium 3 kommt es zu einer beginnenden Zerstörung des Gelenkknorpels und der Knochen, zur Lockerung der Bänder und der Gelenkkapsel sowie zur Instabilität und zu Fehlstellungen. Die Einschränkung der Beweglichkeit nimmt zu.
• Im Stadium 4 schließlich tritt auch eine Gelenkversteifung ein, es kommt zu groben Verformungen und dadurch bedingt zu erheblichen Behinderungen bis hin zur Invalidität der Patienten.
Die Diagnostik
Diagnostiziert wird die RA anhand der klinischen Symptomatik sowie der Laborbefunde und gegebenenfalls der Röntgenuntersuchung. Typische Laborbefunde sind dabei positive Entzündungsparameter wie eine erhöhte Blutsenkung, ein erhöhtes Creaktives Protein (CRP) und gegebenenfalls der Nachweis von Rheumafaktoren, der jedoch nicht zwingend ist. Denn abhängig vom Ergebnis der Blutuntersuchung wird zwischen einer seropositiven und einer seronegativen Polyarthritis unterschieden. Positive Rheumafaktoren sind andererseits auch kein spezifisches Kriterium für eine RA, da ein solcher Befund ebenso bei anderen Erkrankungen auftreten kann.
Im Röntgenbild lassen sich bei der RA nach einigen Jahren meist typische Veränderungen nachweisen, etwa eine gelenknahe Osteoporose oder Knochendefekte am Rand der Gelenkfläche (Erosionen).
Zu den allgemeinen Diagnosekriterien gehören:
• Morgensteifigkeit der Gelenk von mindestens einer Stunde Dauer über mehr als sechs Wochen
• Arthritis mit tastbarer Schwellung in drei oder mehr Gelenkregionen über mehr als sechs Wochen
• Arthritis der Hand- oder Fingergelenk über mehr als sechs Wochen
• symmetrische Arthritis über mehr als sechs Wochen
• Rheumaknoten
• Rheumafaktornachweis im Blut
• Typische Röntgenbildveränderungen
Sind von diesen Kriterien mindestens vier erfüllt, so ist die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis zu stellen.
Vielschichtige Therapie
Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis hat zum einen die Linderung der akuten Beschwerden zum Ziel, zum anderen soll sie die Entzündungsreaktion nachhaltig eindämmen und damit das Fortschreiten der RA aufhalten. Die Therapie der RA umfasst die Schmerzbehandlung sowie die Basistherapie mit krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen. Sie wird ergänzt durch physiotherapeutische Maßnahmen. Bei schwerem Verlauf können Operationen und weitere invasive Maßnahmen notwendig werden sowie die Versorgung mit Hilfsmitteln, wenn bereits Gelenkveränderungen aufgetreten sind.
Basismedikamente – Disease Modifying Drugs
Durch Basismedikamente, die so genannten „Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs“, kurz DMARDs, wird versucht, die Progression der RA zu stoppen oder wenigsten aufzuhalten. Primär wird meist Methotrexat (als Tablette oder Injektion) eingesetzt, alternativ kann auch mit Chloroquin oder Hydroxychloroquin behandelt werden. Weitere Basismedikamente sind das Sulfasalzin sowie injizierbares oder orales Gold, Azathioprin, Cyclosporin A und Leflunomid. Die Wirkung der DMARDs tritt nicht akut ein, sondern in aller Regel erst innerhalb von vier bis acht Wochen nach Behandlungsbeginn. Häufige Nebenwirkungen der Basistherapeutika sind Blutbildveränderungen, gastrointestinale Beschwerden sowie Störungen der Nierenund Leberfunktion und Hautausschläge.
Zunehmend wird ferner mit so genannten „Biologicals“ behandelt, mit Wirkstoffen, die sich gezielt gegen die fehlgesteuerten Immunzellen und die von ihnen gebildeten Zytokine richten. So wird versucht, den Teufelskreis der Entzündungsreaktion zu durchbrechen. Es gibt Wirkstoffe wie Etanercept und Infliximab, die sich gegen den TNF-a richten und die zum Teil erfolgreich bei Patienten, die sich mit den herkömmlichen Therapeutika nicht ausreichend behandeln lasen, eingesetzt werden. Auch mit Antikörpern wie dem Rituximab kann neueren Daten zufolge bei vielen Patienten eine erfolgreiche Behandlung durchgeführt werden. Da mit einer Monotherapie oftmals ein ausreichender Behandlungserfolg nicht zu erzielen ist, werden viele RA-Patienten zudem mit einer Kombination verschiedener DMARDs behandelt.
Neben den Basismedikamenten bleibt auch heutzutage die Injektion von Kortikoiden in das entzündete Gelenk ein wesentlicher Stützpfeiler der Behandlung. Denn die Kortikoide wirken rasch antientzündlich und bringen Patienten somit meist eine rasche Linderung ihrer Beschwerden. Bei langfristiger niedrig dosierter Einnahme können außerdem auch die Glukokortikoide zu einer Verlangsamung der Progression beitragen, allerdings mit einem nicht unerheblichen Nebenwirkungsrisiko.
Behandlung über die Inflammation hinaus
Neben der langfristigen antirheumatischen Behandlung ist praktisch immer auch eine akute Schmerztherapie notwendig. Dazu trägt die Injektion von Kortikoiden ins Gelenk bei, die Patienten benötigen meist ferner ein akut wirksames Medikament gegen ihre Schmerzen. Geeignet sind vor allem Wirkstoffe mit analgetischer und antientzündlicher Wirksamkeit, etwa nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), zum Beispiel Diclofenac.
In schweren Fällen kann eine Schmerzbehandlung entsprechend dem Schema der WHO notwendig sein, was bei sehr starken Schmerzen auch den Einsatz von Opioiden einschließt. Diese sollten allerdings nicht nach Bedarf eingenommen werden, sondern nach einem festen Zeitschema, wie es allgemein in der Schmerztherapie üblich ist.
Wichtig bei der RA ist ferner eine umfassende Physiotherapie mit dem Ziel, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten und möglichst sogar zu verbessern. Dazu dienen krankengymastische Übungen bis hin zur Sporttherapie. So wird die Muskulatur gestärkt, was die Gelenke entlastet, und die Beweglichkeit wird trainiert. Als geeignete Sportarten werden Schwimmen, Wandern Radfahren, Langlauf und Tanzen empfohlen. Nicht geeignet sind dagegen Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko, allgemein körperliche Höchstleistungen oder Sportarten mit einseitigen Belastungen.
Durch eine manuelle Therapie können außerdem Gelenkblockaden gelöst werden, während Massagebehandlungen auf eine Linderung von Muskelverspannungen abzielen. Im Rahmen der Physiotherapie können außerdem Wärmebehandlungen zur Anregungen des Stoffwechsels sinnvoll sein oder auch eine Kältetherapie mit Bädern oder Eispackungen, wenn das Zurückdrängen der Entzündung im Vordergrund steht. Bei schweren Krankheitsverläufen wird per Ergotherapie und Rehabilitation versucht, die Lebensführung der Erkrankung anzupassen und durch spezielles Training die Selbstständigkeit zu erhalten oder wieder herzustellen.
Invasive Behandlung
Neben der medikamentösen Behandlung und der Physiotherapie kann bei ausgeprägter Ergussbildung eine Gelenkpunktion für Entlastung sorgen. Durch den Abzug der Flüssigkeit wird außerdem die weitere Gelenkschädigung gebremst.
Ein noch relativ neues Verfahren, das in die gleiche Richtung zielt, ist die Radiosynoviorthese, die quasi eine Strahlenbehandlung des Gelenks darstellt. Durch die Injektion einer radioaktiven Substanz in das Gelenk wird gezielt die Synovia zerstört, was nach den bisherigen Erfahrungen bei vielen Patienten zur deutlichen Beschwerdelinderung führt.
Kommt das Krankheitsbild trotz der geschilderten Maßnahmen nicht zur Ruhe, so können bei starken Fehlstellungen und Verformungen außerdem Operationen notwendig werden.
Die rheumaotide Arthritis gilt generell als nicht heilbar. Allerdings lassen sich bei einer Reihe von Patienten vollständige Remissionen erreichen und auch langfristig erhalten, während bei anderen Betroffenen auch mit einer adäquaten Basistherapie das Fortschreiten der Gelenkdestruktion kaum aufgehalten werden kann.
Für die Prognose entscheidend scheint nach heutiger Kenntnis zu sein, wie früh die richtige Diagnose gestellt und eine adäquate Therapie eingeleitet wird. Denn je früher die Patienten eine langfristige antientzündliche Behandlung, also die so genannte Basistherapie erfahren, umso günstiger scheint dies für den weiteren Verlauf zu sein. Bei Verdacht auf eine chronische Polyarthritis sollte die weitere Abklärung und Behandlung deshalb unbedingt in der Hand eines internistischen Rheumatologen liegen.
Dies gilt umso mehr, als es auch Sonderformen der Rheumatoiden Arthritis gibt, die rechtzeitig erkannt und gezielt behandelt werden müssen. Das gilt zum Beispiel für das Felty-Syndrom, eine besonders schwere Verlaufsform der RA, die sich meist schon zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr manifestiert und an der häufiger Männer leiden. Auch die juvenile rheumatoide Arthritis, die zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter gehört und die Alters-RA, auch „late onset rheumatid arthritis“, kurz LORA genannt, bei der nur ein oder wenige große Gelenke betroffen sind, gehören zu den Sonderformen der RA. Als weitere Sonderform ist das Still-Syndrom zu nennen, eine Unterform der Juvenilen RA, die neben den Gelenken weitere Organsysteme wie die Leber und die Milz betrifft und ebenfalls eine ungünstige Prognose aufweist.