Toxische Destruktion des Nasenbodens durch Kokainabusus
Die Verbindung zwischen Mund- und Nasenhaupthöhle bestand nach Angaben der Patientin seit einigen Wochen. Die Patientin klagte über Schluckprobleme, vor allem beim Trinken, da Flüssigkeit in die Nase gerate. Schmerzen seien nicht aufgetreten. Eine mechanische oder chemische Traumatisierung konnte von der Patientin nicht erinnert werden. Besonderheiten in der allgemeinen Anamnese verneinte die Patientin. Fremdanamnestisch konnte ein chronischer nasaler Kokainabusus eruiert werden.
Klinik
Die klinische Untersuchung zeigte eine vier Millimeter große, runde Läsion am Hartgaumen rechts (Abbildung). Die Nasenhaupthöhle war sondierbar. Palpatorisch wurde der zugrunde liegende knöcherne Defekt auf etwa sieben Millimeter Durchmesser geschätzt. Nebenbefundlich zeigte sich ein zerstörtes Restgebiss und eine Stomatitis aufgrund einer insuffizienten Prothesenhygiene. Es bestand eine Sattelnase. Die Patientin trug eine Interimsprothese, die den Defekt nicht bedeckte. Die Patientin wurde über die notwendigen Interventionen aufgeklärt, entzog sich aber jeglichen weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen.
Diskussion
Kokain wird zumeist als Hydrochlorid „geschnupft“. Es hemmt die Wiederaufnahme von Transmittern an Dopamin-, Noradrenalin- und Serotonin-Neuronen. Dies führt zu einer Erhöhung der Transmitterkonzentration im synaptischen Spalt, so dass ein erhöhtes Signalaufkommen am Rezeptor resultiert, was zu einer Erhöhung des Sympathikotonus, Wohlbefinden, verringertem Erholungsbedürfnis und Euphorie führt. Der Gebrauch von Kokain kann schnell eine psychische, nicht aber körperliche Abhängigkeit bedingen. Systemische Folgen des Kokainabusus können kardialer Art (Myokardischämien, -infarkte) und zentralnervöse Ereignisse (Krampfanfälle) sein [1].
Die lokal-toxischen Effekte des chronischen Kokainmissbrauchs erklären sich aus der starken topischen vasokonstriktorischen Wirkung dieses Alkaloids [1-3]. Häufig treten Komplikationen im Bereich der Nase auf, zum Beispiel Epistaxis, chronische Rhinitis und Anosmie [2, 4]. Nasenseptumperforationen sind von besonderem Interesse, da sie einerseits bei chronischem Konsum häufig sind, andererseits eine mögliche Ursache des inspektorisch auffälligen Befundes einer Sattelnasendeformität sein können [2, 4]. Diese Veränderungen wurden bereits 1912 beschrieben [5].
Die Zerstörung des Nasenbodens führte im vorliegenden Fall zur Ausbildung einer oronasalen Fistel. Dabei handelt es sich um eine seltene, aufgrund der weitreichenden Folgen der zugrunde liegenden Ursache aber wichtige Differentialdiagnose zentrofazialer destruktiver Prozesse, vor allem bei jungen Patienten [2, 3, 6, 7]. Bei klinischem Verdacht muss eine granulomatöse Erkrankung, wie der Morbus Wegener, durch Probebiopsie ausgeschlossen werden [8-11]. Kokainmissbrauch kann auch zu oro-nasalen Fisteln führen, die in den Mundvorhof münden und den harten und weichen Gaumen unversehrt lassen [12].
Wegen des Vermeidungsverhaltens hinsichtlich ärztlicher Konsultationen in der betreffenden Patientengruppe [13] gehen manche Autoren von einer erhöhten Dunkelziffer kokain-induzierter Läsionen aus [2]. Bei fortgesetztem Konsum können Destruktionen des kompletten Hartgaumens, des knöchernen und knorpeligen Nasenskeletts und der bedeckenden Weichteile auftreten [2, 8, 9, 14]. Therapeutisch sollte primär die Behandlung der Abhängigkeit im Vordergrund stehen. Persistierende Defekte sollten zunächst mit Obturatoren versorgt werden, um Sprach- und Schluckfunktion zu verbessern. Bei dauerhafter Abstinenz kann die plastische Defektdeckung als Erfolg versprechend empfohlen werden [2].
Therapie
Die Compliance der Patienten ist bei manifester Abhängigkeit gering [13]. Im vorliegenden Fall erfolgte daher nach Kenntnisstand des Autors keine Therapie.
Wichtig für die Praxis
Für den Praktiker ist die Kenntnis des Krankheitsbildes hilfreich: Ohne die kausale Therapie der Suchtentwöhnung sind chirurgische Maßnahmen nicht Erfolg versprechend [2]. Da eine Subgruppe der Kokainabhängigen intravenösen Drogenmissbrauch betreibt, muss eine erhöhte Prävalenz parenteral übertragbarer Krankheiten wie Hepatitis C [15] berücksichtigt werden.
Yorck Zebuhr, Zahnarzt, OralchirurgieMoosburgerstr. 3, 85406 Zollingyorck@zebuhr.de