Leitartikel

Gesund für den Schwund

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in gesundheitspolitisch schweren Zeiten ist es schon eine besondere Freude, Erfolgsmeldungen verbreiten zu können. Hier ist eine: Im Kampf gegen Karies sind Deutschlands Zahnmediziner internationale Spitze. Die Ergebnisse der vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV) zeigen, dass wir - trotz der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen - "on top" sind und den Vergleich über nationale Grenzen hinweg nicht scheuen müssen. Quer durch alle Altersgruppen hat sich die Lage gegenüber 1997 weiterhin verbessert. Das ist "hausgemachter" Verdienst einer jahrelangen hervorragenden Prävention. Es ist Musterbeispiel für die richtige Strategie im Einklang mit fortschreitender wissenschaftlicher und sozialmedizinischer Entwicklung.

Ein international sehr guter Rang bedeutet aber nicht, dass das Ziel erreicht ist: Es bleibt Aufgabe der Gesellschaft, die Risikogruppen noch besser zu erreichen. 61,1 Prozent der Karies konzentriert sich auf 10,2 Prozent der Kinder, 79,2 Prozent auf 26,8 Prozent der Jugendlichen. Das ist eine Herausforderung, der wir uns in den kommenden Jahren stellen müssen und werden. Dennoch gilt - salopp formuliert: Die Karies haben wir im Griff, dem Schwund sind wir auf der Spur. Will sagen: Die wissenschaftliche Forschung im zahnärztlichen Bereich wird auch in den nächsten Jahren ihren Schwerpunkt haben. Will aber auch sagen: Die Parodontalbehandlung wird der wesentliche Behandlungsschwerpunkt im zahnärztlichen Alltag sein.

Die Ergebnisse der DMS IV zeigen nämlich auch das: Parodontitis ist auf dem Vormarsch. Und es ist "Ironie unseres beruflichen Schicksals", dass wir in der Kariesbekämpfung so weit vorn stehen, dass wir durch die Erfolge von Gruppen- und Individualprophylaxe sowie breit angelegter Fissurenversiegelung unsere "Präventionskompetenz" belegen, dass wir bei unseren älteren Patienten mehr Zähne denn je erhalten können. Denn das ist ein wesentlicher Grund für diese Zunahme von Parodontalerkrankungen. Die von uns in den zurückliegenden Jahren immer wieder eingebrachte Warnung, dass der Erhalt gesunder Zähne die PAR-Problematik verschärfen dürfte, scheint in den Köpfen der Sachleistungsökonomen noch nicht so ganz angekommen zu sein. Aber es ist Fakt: Mittelschwere und schwere Parodontalerkrankungen haben bei Erwachsenen seit 1997 um 26,9 Prozent, bei Senioren um 23,7 Prozent zugenommen.

Für Krankenversicherer wie Politiker ist das ein ohne Zweifel nicht einfach zu bewältigendes, aber doch exzellentes Beispiel dafür, dass medizinischer Fortschritt für unsere Gesellschaft selbstverständlich nicht ohne Folgekosten bleibt. Aber dieser Fortschritt hat seinen Preis: Wir Zahnärzte wissen nur zu gut, dass wir bis 2003 nur eine GKV-Parodontalbehandlung auf der Basis der fachlichen Erkenntnisse der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts erbracht haben. Eine erste Reform in den 80er-Jahren landete wegen Nicht-Finanzierbarkeit ebenso in der Schublade wie ein modernes Therapiekonzept Anfang dieses Jahrzehnts. Die Korrekturen im Rahmen der Bema-Umstrukturierung einschließlich der Aufnahme des PSI in den GKV-Leistungskatalog waren sicher ein fachlicher Fortschritt, aber - seien wir doch ehrlich - eine zeitgemäße, an wissenschaftlichem Fortschritt ausgerichtete PAR-Behandlung sieht anders aus. Und jetzt also noch mehr Behandlungsbedarf.

Die Zahnärzteschaft wird sich dieser Problematik nicht entziehen. Sie wird anhand der harten Fakten der DMS IV deutlich machen, was auf die Gesellschaft zukommen wird. Zum Glück - und auch das ist der Zahnmedizin zu verdanken - sind wir längst so weit, diese Herausforderung anzunehmen und sie fachlich zu meistern. Aber das wird schwer genug!

Sollte es uns jedoch nicht gelingen, den à la Vogel-Strauß agierenden Sachversicherern und Gesundheitspolitikern einen freien Blick auf die Problemlage zu verschaffen, werden wir uns in der altbekannten Ethik-Falle wiederfinden, wird uns wieder ein Finanzproblem aufgeschultert, das sicher nicht von uns zu verantworten ist.

Und klar ist auch: Die GKV-Gießkanne wird dieses Problem mit den "althergebrachten" Rezepten in eingefahrenen Wegen nicht stemmen können. Hier sind innovative Konzepte angesagt! Nulltarif ist nicht.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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