Eine verhängnisvolle Anzeige
Ehe überhaupt ein Arbeitsvertrag unterschrieben wird, gilt „Benachteiligen verboten“. Besagt jedenfalls das AGG. Das verbietet jede Benachteiligung wegen
• der vermeintlichen „Rasse“/ ethnischen Herkunft,
• des Geschlechts,
• der Religion oder Weltanschauung,
• einer Behinderung,
• des Alters oder
• der sexuellen Identität.
Verstoßen Arbeitgeber gegen diese Kriterien bei der Ausschreibung einer Stelle, müssen sie Bewerbern den materiellen Schaden (etwa entgangenes Gehalt) und ein abschreckend hohes Schmerzensgeld zahlen (in der Regel ein Jahresgehalt, mindestens 30000 Euro). Unterschiede zwischen Kleinstbetrieben und Konzernen sieht das Gesetz nicht vor.
Lehnt ein Arbeitgeber einen Bewerber diskriminierend ab, muss er bis zu drei Monatsgehältern Schmerzensgeld zahlen. Auch wenn es paradox klingt: Das gilt selbst dann, wenn er nachweist, dass der eingestellte Bewerber qualifizierter ist als der abgelehnte. Der Ruch der Diskriminierung macht´s möglich.
Vor und bei Abschluss des Arbeitsvertrages bestehen erhebliche Risiken. Das Ausschreiben geht an eine Vielzahl Unbekannter. Die meisten Bewerber werden enttäuscht, die Hemmschwelle für eine Klage ist niedrig; insbesondere für Langzeitarbeitslose stellt sich die Frage, ob sie lieber Hartz IV beziehen oder Schmerzensgeld einklagen. Selbstständige auf Mitarbeitersuche sollten daher Missverständlichkeiten oder gar Fehler unbedingt vermeiden und sich vorher über Gefahren und Lösungen für die Bereiche Ausschreibung, Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgespräch informieren.
Risiken kleinhalten
Jede Ausschreibung muss so gehalten sein, dass keine der Diskriminierungsgruppen unmittelbar benachteiligt oder gar ausgeschlossen wird. Zusätzlich muss auf mittelbare Diskriminierungen geachtet werden, wenn also Kenntnisse oder Voraussetzungen verlangt werden, die zum Beispiel weit überdurchschnittlich oft von Männern und nur sehr selten von Frauen erfüllt werden. Selbstverständlich gilt dies auch für die anderen Diskriminierungsgruppen.
Fatale Fehler …
… in der Stellenausschreibung sind folgende, unterschwellig diskriminierende Formulierungen:
• „Jung“: Altersdiskriminierung
• „Dynamisch“: kann als Altersund Behindertendiskriminierung verstanden werden
• Mitarbeiterin, Zahnmedizinische Fachangestellte, Assistentin:die ausschließlich weibliche Endung schließt das andere Geschlecht grundsätzlich aus. Hier sollte „(m/w)“, also männlich / weiblich, angefügt werden.
• „Mit zwei Jahren Berufserfahrung“: Wer schon länger als zwei Jahre im Beruf ist, scheidet von vorneherein aus? Damit werden ältere Bewerber benachteiligt. Zulässig ist die Formulierung „mindestens zwei Jahre Berufserfahrung“.
• „Sehr gute Deutschkenntnisse erforderlich“: diskriminiert Menschen mit Migrationshintergrund. Zulässig, wenn die Sprachkenntnisse sachlich erforderlich sind.
• „Dental assist manager (m/w) gesucht“: Ausländische Stellenbezeichnungen diskriminieren deutsche Bewerber, insbesondere Ältere, sowie Ausländer aus einem anderssprachigen Land. Diese Bezeichnungen sind nur zulässig, wenn sie sachlich erforderlich sind.
• Kein Hinweis auf mögliche Teilzeittätigkeit: Dadurch werden Frauen mittelbar benachteiligt, da Teilzeittätigkeit ganz überwiegend von Frauen ausgeübt wird.
• „Sie sollten zwischen 25 und 30 Jahre alt sein“: Altersdiskriminierung
• Ausschreibung nur im Internet: Kann als Diskriminierungälterer Bewerber verstanden werden, da diese seltener das Internet nutzen als jüngere.Stellenanzeigen bei der Agentur für Arbeit sind kostenlos. Wer allerdings Dritte, sei es das Arbeitsamt oder Kopfjäger („Headhunter“) einschaltet, haftet für deren Fehler. Die passieren häufig genug und fallen mitunter ins Gewicht, etwa wenn die korrekt neutrale Stellenanzeige in eine geschlechtsdiskriminierende verwandelt wird. Der Auftraggeber muss also auch diese Anzeigen prüfen.
Neutral nachgefragt
Die verlangten Bewerbungsunterlagen müssen ebenfalls AGGkonform sein. Fordern Arbeitgeber entbehrliche Unterlagen an, die Auskunft über ein Diskriminierungsmerkmal geben können, ist dies ein Hinweis auf die Absicht zu diskriminieren. Lehnen sie dann jemanden mit einem solchen Merkmal ab, können Ansprüche auf Schadensersatz folgen.
Insbesondere auf folgende Informationen besteht kein Anspruch:
• Fotos: Diese ermöglichen Rückschluss auf Geschlecht, ethnische Herkunft und Alter
• Angabe des Alters: wegen Altersdiskriminierung
• Vorname: ermöglicht Rückschluss auf das Geschlecht
• Familienstand: Rückschluss auf sexuelle Identität
• Nationalität: ethnische Herkunft
• Anzahl der Kinder: Diskriminierung wegen Mutterschaft beziehungsweise sexueller Identität.
Auch scheinbar selbstverständliche Angaben, wie den Nachnamen, einzufordern, könnte heikel werden, ermöglicht dieser doch zum Beispiel bei arabischer oder türkischer Herkunft den Rückschluss auf die ethnische Herkunft. Will ein Bewerber seinen Nachnamen nicht nennen, muss er aber eine Adresse angeben, zu der Antworten geschickt werden sollen, zum Beispiel eine E-Mail-Adresse.
Mit einem neutralen „Bitte senden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen an ...“ gehen Praxischefs auf Nummer sicher. Die „vollständigen Bewerbungsunterlagen“ anzufordern, kann dagegen nach aktueller Lage verfänglich werden: Zahlreiche der üblicherweise eingeholten Angaben dürfen derzeit nicht abgefragt werden.
Die Absagen sind abgeschickt. Angeblich Diskriminierte können innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich Schadensersatz verlangen. So sieht es das deutsche Recht vor. Doch ist diese Begrenzung wahrscheinlich unwirksam, weil sie gegen EU-Recht verstößt. Das ermöglicht die Anwendung der allgemeinen Verjährungsfrist, sprich drei Jahre ab Ende des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist.
Zudem kann ein Absender nun einmal selten nachweisen, wann der Adressat die Post mit der Ablehnung erhalten hat. (Außer bei persönlicher Übergabe durch einen Boten, der den Inhalt des Schreibens geprüft hat, oder bei Zustellung durch den Gerichtsvollzieher.) Einschreiben, ob mit Rückschein oder als Einwurfsendung, sind als Beweise unzulänglich: Weder muss beim Einschreiben mit Rückschein das Kuvert angenommen werden noch belegt der Rückschein dessen Inhalt. Der Einwurf wird nur elektronisch dokumentiert. Das genügt laut ZPO für einen förmlichen Beweis vor Gericht.
Fristen nachweisbar
Versierte Personalchefs beugen diesen Querelen vor: Jede Stellenausschreibung enthält eine Art Verfallsdatum: „Bewerbungen, die wir nicht bis zum ... annehmen, sind abgelehnt.“ So halten sie den Beginn der Frist fest – kostengünstig. Sollte Diskriminierung bei der Auswahl eines Bewerbers vorgeworfen werden, sollte der Beschuldigte erklären können, warum er sich gegen den Betreffenden entschieden hat. Dafür braucht er die gesamten Bewerbungsunterlagen.
Ins Archiv für ein Jahr
Die sollte er, gegebenenfalls als Kopie oder eingescannt als Datei, für mindestens zwölf Monate aufbewahren. Auch hier bauen Personalchefs vor, mit der Formulierung im Inserat:
„Aus organisatorischen und rechtlichen Gründen ist es uns nicht möglich, Ihre Bewerbungen zurückzusenden. Wir werden sie in der Regel nach zwölf Monaten vernichten“. Dann können sie die Unterlagen behalten, ohne Personal- und Materialkosten für deren Ablichtung. Auf die Formulierung kann verzichten, wer die Unterlagen einscannen lässt: Die elektronische Speicherung der Unterlagen ist datenschutzrechtlich unbedenklich, da Arbeitgeber mit erheblichen Schadensersatzansprüchen rechnen müssen. Deshalb haben sie ein berechtigtes Interesse die Angaben zu speichern, die sie zu ihrer Entlastung brauchen.
Dr. Klaus Michael AlenfelderFachanwalt für ArbeitsrechtWolfsgasse 8, 53225 Bonnkma@alenfelder.de