Neue Wege in der Kieferorthopädie

Gaumennahterweiterung mit implantatverankertem Distraktor

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Heftarchiv Zahnmedizin
Bei extremer transversaler Enge des Oberkiefers (Schmalkiefer) ist die forcierte Gaumennahterweiterung (GNE) ein unverzichtbares kieferorthopädisches Therapieverfahren zur Verbesserung der Kautätigkeit und der Nasenatmung. Eine neue Methode wird hier vorgestellt.

Über eine im Oberkiefer liegende Erweiterungsspindel werden das rechte und linke Kiefersegment transversal voneinander entfernt. Dabei wird die Kompensationsmöglichkeit von Parodont und alveolarer Kortikalis überschritten, und es kommt zum Zerreißen im Bereich der Sutura palatina mediana. Im Kindes- und Jugendalter erfolgt an den Nahtstellen zum Os zycomaticum und zur Schädelbasis eine gute knöcherne und Weichteiladaption. Bei erwachsenen Patienten ist die Mineralisation dieser Verbindungen zur Schädelbasis abgeschlossen, so dass eine chirurgische Präformierung notwendig wird.

Bisher erfolgte die forcierte Oberkiefererweiterung über eine Hyraxschraube, die an den Kronen der oberen Seitenzähne befestigt wurde (Abbildung 1). Nach erfolgter Expansion musste die Apparatur noch mindestens sechs Monate zur transversalen Retention belassen werden. Diese Methode ist problematisch, da die auftretenden Kräfte zuerst auf die Verankerungszähne und erst danach auf den Knochen übertragen werden. Dadurch besteht das Risiko von Zahnlockerungen und Zahnkippungen. Außerdem wurden Wurzelresorptionen und ein pathologischer Abbau der bukkalen Kortikalis an den Verankerungszähnen beobachtet.

Diese Nachteile können nur mit der direkten Fixierung der Expansionsschraube am knöchernen Gaumen vermieden werden.

Am Dresdner Universitätsklinikum wurde für erwachsene Dysgnathiepatienten eine Apparatur entwickelt, bei der die Hyraxschraube auf der einen Seite mit einem Implantat und auf der anderen Seite mit einer Osteosyntheseschraube direkt am Gaumen befestigt wird [EO Implantat (Institut Straumann AG, Basel, Schweiz) 4,0 mm Länge; 3,5 mm Durchmesser; Schulter, 5,0 mm] (Abbildung 2).

Um neben den Zweipunktangriff eine bessere Führungsstabilität zu gewährleisten, werden die Kieferhälften durch Teilbögen im Schneidezahnbereich geführt (Abbildung 3).

Bei erwachsenen Patienten wird eine Knochenschwächung nach Glassmann durchgeführt. Dieser Eingriff erfolgt in Allgemeinnarkose und wird gleichzeitig für das Einbringen der Hyraxschraube genutzt. Vorbereitend wird eine Tiefziehbohrschablone zur Markierung der Insertionsstellen angefertigt.

Drei Tage postoperativ beginnt die transversale Erweiterung. Bei allen Patienten wird die Hyraxschraube zweimal täglich zwei Viertel-Drehungen aktiviert, das heißt, die beiden Kiefersegmente werden etwa 0,96 Millimeter pro Tag voneinander entfernt.

Erfolg der Gaumennahtweiterung. Nach ausreichender Expansion wird die Hyraxapparatur im Durchschnitt noch drei bis vier Monate in situ belassen und nach Diastemaschluss durch einen implantatverankerten Transpalatinalbogen zur Stabilisierung der Expansion ersetzt (Abbildungen 4 bis 6).

Das während der Retention zur Fixierung des Transpalatinalbogens belassene Implantat kann als orthodontische Verankerung für spezielle weitere Aufgaben wie Molarendistalisierung oder Lückenschluss verwandt werden. Das Entfernen des Implantates erfolgt im Zuge der Umstellungsosteotomie, so dass keine zusätzlichen operativen Eingriffe notwendig werden.

Die Apparatur wird von den Patienten sehr gut toleriert, da sie hoch im Gaumen sitzt. Das Expansionsergebnis wird schneller als mit der herkömmlichen zahnfixierten Apparatur erreicht, da diese federt und die eingesetzten Kräfte zuerst auf die Zähne wirken und erst dann auf die Kieferanteile übertragen werden. Mit der direkten Fixierung werden Risiken an den Verankerungszähnen wie Zahnlockerung, Wurzelresorptionen und Fenestration der bukkalen Kortikalis ausgeschaltet.

Durch die zahnunabhängige Verankerung kann parallel zu der Gaumennahterweiterung ohne zeitliche Verzögerung eine kieferorthopädische Behandlung mit Zahnbewegungen erfolgen. Dies bedeutet für den Patienten eine Verkürzung der Behandlungszeit von mindestens fünf bis sechs Monaten und damit eine Reduzierung der allgemeinen Belastung und des Risikos für Gewebeschäden (Abbildung 7).

Dr. med. dent. Eve TauscheWinfried HarzerPoliklinik für KieferorthopädieUniversitätsklinikumCarl Gustav CarusFetscherstr. 74, 01307 DresdenE-Mail:eve.tausche@uniklinikum-dresden.de

Dr. Dr. Matthias SchneiderKlinik und Poliklinik für MKG-ChirurgieUniversitätsklinikum Carl Gustav CarusFetscherstr. 74, 01307 Dresden

 

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