Münchner Mumien im Röntgenlicht
Das Ziel dieser Untersuchungen war es, anhand des in München befindlichen Mumienmaterials einen Beitrag zur Erfassung des Gebisszustandes der Bevölkerung des Neuen Reiches und der Spätzeit im alten Ägypten zu leisten.
Eigene Untersuchungen
Verfügbar waren zehn mumifizierte Schädel, fünf davon datiert von der Spätzeit des Ägyptischen Reichs an bis zur Unterwerfung durch die Römer. 100 weitere ausgewertete Schädelfunde wiesen Spuren auf, die im Zuge der Mumifizierung mit Durchstoßen der Lamina cribrosa erfolgten, dies seit etwa 1550 v. Chr.
Das zur zahnmedizinischen Untersuchung verwendete Mumienmaterial stammt aus folgenden Sammlungen:
a)100 Schädel aus der Mook`schen Sammlung
b)fünf Ganzkörpermumien aus der Staatlichen Sammlung Ägyptischer Kunst
c)vier Mumienköpfe aus der Anatomischen Anstalt München
d)ein Mumienkopf aus dem Stadtmuseum Kaufbeuren.
Umbauarbeiten in der Anatomischen Anstalt führten zur Wiederentdeckung von Restbeständen aus der Sammlung. Diese wurden nun in das Institut für Anthropologie und Humangenetik München überführt und für wissenschaftliche Untersuchungen freigegeben.
Entnahme der Gehirnsubstanz
Trotz einst bestehender Zweifel an der Echtheit der Schädelsammlung gilt heute, dass das Schädelmaterial aus der Zeit nach der 20. Dynastie Altägyptens (ab 1185 v. Chr.) stammt. Als Beweis dafür ist die bei allen Schädeln künstlich durchstoßene Lamina cribrosa anzusehen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das bei der Einbalsamierung seit der 20. Dynastie Anwendung fand und der Entnahme der Gehirnsubstanz diente.
Die Mumien sind von mehreren Ägyptenreisenden gekauft und im Laufe des letzten Jahrhunderts an das bayerische Königshaus verschenkt oder verkauft worden.
Röntgenaufnahmen und ihre Befunde
Von den angefertigten Röntgenaufnahmen seien beispielhafte Befunde dargestellt: Bei der Mumie eines Kindes im zweiten Lebensjahrzehnt waren die oberen seitlichen Schneidezähne nur als Zapfenzähne ausgebildet und um ihre Achse gedreht. Das Fehlen von drei Weisheitszähnen ist postmortal entstanden.
Die Abb. 1, 2 und 3 entsprechen einem nicht datierten Schädel mit Spuren der Mumifizierung. Augenfällig sind die überwiegenden Defekte im Kronenbereich, im Unterkiefer meist als starke Abrasion dargestellt (das Fehlen von Zähnen ist auch hier überwiegend als postmortal einzustufen, ausgenommen der ossifizierte Bereich anstelle des Molaren 36). Wurzelreste der oberen Sechsjahrmolaren sowie der Prämolaren 14 und 35, teils mit apikaler Parodontitis behaftet, wären als Folge von Karies zu deuten.
Im ersten Fall ist die Ursache der Hartsubstanzverluste kaum auf Kariesbefall zurückzuführen, da der Seitenzahnbereich fast nicht betroffen ist.
Das Fehlen der Datierung und die auf nur zwei Fälle beschränkte Beschreibung erlaubt keine Schlüsse auf die Chronologie. Zur Erweiterung und Absicherung der klinischen Befunde wurden radiologische Orthopantomogramme (OPG) angefertigt und ausgewertet [Dischinger und Sonnabend].
Prof. Dr. Dr. med. h. c. mult. Eberhard SonnabendH. Parsche (†)Poliklinik für Zahnerhaltung undParodontologieGoethestr. 7080336 München