E-Learning geht, Web 2.0 kommt
Ob Web 2.0, Wikipedia oder Second Life – informelles Lernen in sozialen Netzwerken ist hip. Auf der größten Bildungsmesse, der Learntec in Karlsruhe, erklärten die Päpste der Branche warum.
Im Unterschied zu früher, als die Kenntnisse dieser Welt noch in ledergebundene Enzyklopädien passten, sprechen wir heute von einer Wissensexplosion, fasste Prof. Dr. Rolf Arnold, TU Kaiserslautern, die Entwicklung zusammen. Jede fünf Minuten sind wir um eine medizinische Erkenntnis schlauer, alle fünf Minuten wird eine neue chemische Formel ausgebrütet, alle drei Minuten ein neuer physikalischer Zusammenhang entdeckt.
Beeindruckend, gewiss. Zugleich impliziert dieser Schub aber auch: Unser Wissen ist flüchtig geworden und damit schnell überholt. Wer für das Leben lernen will, sollte daher weniger Fakten, Theorien und Daten pauken, sondern sich Methoden und Strategien aneignen, wie er sich dieses vergängliche und doch überbordende Wissen erschließt.
Wo ginge das einfacher als im Internet? Die Web-Communities stellen ihr Know-how ins Netz, ergänzen, verbessern und helfen sich gegenseitig, um Lösungen für bestimmte Probleme zu finden.
Die Power-Point-Methode ist passé
Wie die neuen Technologien unser Leben und Arbeiten revolutionieren werden? Eins ist sicher, stellte Prof. Joachim Hasebrook von der Uni Lübeck klar: Lernen nach der Power-Point-Methode, bei der man vorstrukturiertes Wissen in leicht verdaulichen Häppchen darreicht, wird den Anforderungen der modernen Arbeitswelt nicht mehr gerecht. Im Gegenteil: Das Lernen verschmilzt immer mehr mit unseren täglichen Arbeitsprozessen. „Die vorsorgliche Aneignung von Wissen, Kernelement des klassischen E-Learning, ist damit hinfällig“, betonte Hasebrook. „Arbeiten wird künftig zum größten Teil aus selbst gesteuertem, informellem Lernen bestehen, gestützt durch moderne digitale Technologien.“
Die Masche „quadratisch, praktisch, gut“ funktioniert also nicht mehr. Wer dennoch Informationen separat aus dem Arbeitsprozess herauslöst, läuft leicht Gefahr, das Wissen in nutzlose Brocken zu zerlegen.
Zudem lässt sich aufgrund immer kürzerer Innovationszyklen kaum mehr absehen, mit welchem Produkt oder Service ein Unternehmen in fünf Jahren den Markt bestreitet. Erste Schritte in diese Richtung zeichnen sich bereits ab. Studien zeigen, dass digitale Lösungen der Generation Web 2.0 wie Wikis oder Weblogs bereits im Unternehmensalltag Fuß fassen. Informelles Lernen in sozialen Netzwerken gewinnt damit an Bedeutung – auch in Firmen und Betrieben. Allerdings nicht ohne Risiko: „In offenen Enzyklopädien wie Wikipedia werden Fehler zwar in spätestens vier Stunden gefunden, weil auch viele Experten darauf zugreifen“, meinte Hasebrook. „Allerdings handelt es sich dabei nicht mehr um stabiles Expertenwissen, sondern um eine Vielzahl von Anschauungen und Diskussionen, die die Informationen ständig verändern.“ Trotzdem wird klar: Über die entscheidenden Infos verfügen in Zukunft nicht mehr einzelne Experten, sondern selbstorganisierte Expertennetzwerke.
Per GPS zum Bäcker finden
Dass Lernen und Wissensvermittlung nie allein über Computernetzwerke laufen können, hob Prof. Hermann Maurer von der Technischen Universität Graz hervor: „Lernprozesse nach dem Trial and Error-Verfahren, wie sie im menschlichen Hirn stattfinden, wird der Computer nie ganz ersetzen können. Das merkt man spätestens, wenn man ohne GPS nicht mehr den Weg zum Bäcker um die Ecke findet.“ Die Fäden zwischen den einzelnen Infos muss der Mensch zusammenhalten.
Die Expertenstimmen machen deutlich: Das Ende des E-Learning mag in Sicht sein – die Entwicklung intelligenter Lerntechnologien, die auf die Herausforderungen der technisierten und globalisierten Welt zugeschnitten sind, steht noch am Anfang.