Gemeinsamer Bundesausschuss

Unstimmig

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bleibt auch nach der Gesundheitsreform Teil der gemeinsamen Selbstverwaltung. Die Struktur des Gremiums wird jedoch fundamental umgebaut. Ob der Interessensausgleich dann noch funktioniert? Fraglich. Denn während die Position der Kassen immens gestärkt wurde, haben die Vertragszahnärzte künftig nur noch eine Stimme von 13.

Die Bänke im G-BA werden weiterhin durch die Leistungserbringer und Krankenkassen besetzt – das Gremium bleibt also in den Händen der Selbstverwaltung, sollte man meinen.

Bedenkt man, dass der Gesetzgeber ursprünglich vorhatte, den G-BA ausschließlich mit Hauptamtlichen zu bestücken, hält man diese Entscheidung auf den ersten Blick wahrscheinlich für geradezu reell. Schließlich sitzen mit den Vertretern der Ärzte, Zahnärzte, Kliniken und Kassen weiterhin die Fachleute im Ausschuss. Aber ist das Ergebnis wirklich, um G-BAChef Rainer Hess zu zitieren, ein „Erfolg der Anstrengungen aller im G-BA vertretenen Organisationen“?

Unausgewogene Besetzung

Wer das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) genauer unter die Lupe nimmt, stellt fest, dass am Gefüge des G-BA ganz gewaltig gerüttelt wird. In bestem Amtsdeutsch ist in dem Text ausgeführt, dass dort ab September 2008 alle Entscheidungen in einem einzigen sektorenübergreifenden Beschlussgremium getroffen werden. Gleichzeitig verschiebt sich das Machtverhältnis zwischen den Leistungs- und Kostenträgern aufgrund einer modifizierten Besetzung im Gremium. Und zwar zu Gunsten der Kassen und zu Lasten von Minderheiten wie den Zahnärzten.

Sind zurzeit gegenüber den neun Kassenvertretern jeweils neun Mitglieder der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser im Ausschuss, die wiederum in Unterausschüssen über ihre eigenen fachlichen Belange beraten und entscheiden, wird diese Zahl 2008 dramatisch reduziert.

Dann sind nämlich auf Seiten der Leistungsträger nur noch je zwei Vertreter der Kliniken und der KBV sowie ein Vertreter der KZBV angesetzt, auf Kassenseite jedoch fünf Vertreter vorgesehen. Neben fünf beratenden Patientenvertretern und dem unparteiischen Vorsitzenden, der qua Gesetz hauptamtlich tätig sein muss, hat sich das Gremium zudem auf zwei weitere unparteiische Mitglieder zu einigen. Das macht insgesamt 13 Stimmen, davon haben die Zahnärzte lediglich eine.

Unterm Strich werden die bestehenden sechs Beschlussorgane zu einem einzigen übergeordneten Gremium zusammengefasst, das sämtliche Entscheidungen in dieser Besetzung trifft – und zwar unabhängig davon, ob es sich um Fragen der vertragsärztlichen, vertragszahnärztlichen, psychotherapeutischen oder stationären Versorgung handelt.

Zahnärztlicher Sachverstand wird untergepflügt

Eine Regelung mit fatalen Folgen, das weiß auch Hess. Besagt sie doch nichts anderes als dass etwa die Deutsche Krankenhausgesellschaft zu zahnmedizinischen Fragen abstimmt und die KZBV umgekehrt bei Arzneimitteln gefragt ist. Geht es beispielsweise, wie am 8. Mai 2006, um die Frage, wann Suprakonstruktionen im Vergleich zu nicht implantatgetragenen Versorgungsformen zu einer Verbesserung der Kaufunktion führen, und damit darum, ob diese Methode in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen wird, bewerten den Fall nicht mehr allein die zahnärztlichen Experten, sondern alle Teile der Selbstverwaltung.

„Wenn die Zahnärzte künftig nur mit einer Stimme vertreten sind, besteht konkret die Gefahr, dass der zahnärztliche Sachverstand einfach untergepflügt wird“, bringt der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz die Problematik auf den Punkt. Eine Majorisierung der Minderheiten werde, wenn nicht bezweckt, so doch billigend akzeptiert. Weil jeder in allen Belangen mitmischen kann – fachlicher Sachverstand ist künftig kein Kriterium mehr. Und weil aufgrund der unausgewogenen Zusammensetzung die Fraktion der Kassen gewaltig an Einfluss gewinnt.

Widersinnige Beschlüsse sind also programmiert, alleine wegen der neuen Rahmenbedingungen in punkto Zusammensetzung und Wahlmodalitäten. Da das BMG den Kassen erfahrungsgemäß näher steht als den Ärzten und Zahnärzten, kommt die Regelung dem Ministerium garantiert zu pass. Stärkt sie doch implizit die Position von Ulla Schmidt, während sie die der Leitungsträger schwächt.

Kann der G-BA nun überhaupt zur Routine zurückkehren? Fedderwitz: „Wohl kaum. Freilich kann der G-BA seine Qualifizierung als Selbstverwaltungsorgan aufrechterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Interessen der Beteiligten in sachgerechte Regelungen münden, wird aber dadurch konterkariert, dass das Gremium derart ungleich besetzt ist.“ Der für die ergebnisorientierte Arbeit des G-BA so wichtige Interessensausgleich rücke ins Reich der Utopie. Fedderwitz: „Eins muss man ganz klar sehen: Angesichts der aufsichtsrechtlichen Befugnisse des BMG wird unser Bewegungsspielraum ungleich kleiner.“

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