Kopf hoch trotz stürmischer Zeiten
Schon die Tradition spricht eigentlich Bände: Zum 54. Mal, das 19. Mal in Braunlage, traf sich der Berufsstand zur freiwilligen Fortbildung. Und auch in diesem Jahr konnten wegen zu hoher Nachfrage nicht alle Anmeldungen berücksichtigt werden. Mit Stolz vermerkte Niedersachsens Kammerpräsident Dr. Michael Sereny, dass es den Teilnehmern nicht um die Erfüllung der gesetzlichen Fortbildungspflicht, sondern um das Beleben eines qualitativen Wettbewerbs gehe. Ein gutes Zeichen, gerade in Zeiten, in denen der gesundheitspolitische Rahmen alles andere als förderlich ist. Auch für die Einheit der Heilberufe war, so Sereny, das Geschehen der jüngeren Zeit eher konstruktiv: „Die Gesundheitsberufe sind wieder näher zusammengerückt. Das war der Politik sicher nicht Recht.“ Sereny sieht keine Chance für die Absicht der Politik, den Unmut auf die Ärzte zu richten, um von eigenen Problemen abzulenken. Die mangelnde Bereitschaft der Politik, sich mit den wirklichen Fachleuten des Gesundheitswesens auseinanderzusetzen, sei ein falscher Weg: „Die Experten sind für die Regierung das, was für Betrunkene Straßenlaternen sind. Sie dienen zum Festhalten, nicht zur Erleuchtung.“
Politisches Chaos
Wie stark Braunlage – verglichen mit dem Geschehen im politischen Berlin – unter anderen Vorzeichen funktioniert, das verdeutlichte die im Grußwort skizzierte Analyse des Präsidenten der Bundeszahnärztekammer Dr. Dr. Jürgen Weitkamp. Das „politische Chaos“ manifestiere sich auch in den Aussagen der Politiker. Weitkamp: „Man findet nicht viele, die sich für diese Reform aussprechen.“ Was verabschiedet werde, diene „einzig dem Machterhalt“. Trotzdem warnte der BZÄK-Präsident vor Pessimismus: „Wir sind gefordert, unser Schicksal in den Praxen wie auch in den Selbstverwaltungen in die Hand zu nehmen.“ Seine Aufforderung an die Fortbildungsteilnehmer: „Wir möchten jede Praxis ermutigen, unter Ausnutzung aller Möglichkeiten und mit Unterstützung der gewählten Vertreter dafür zu sorgen, dass unsere Patienten aufs Feinste versorgt werden, sie aber auch in die Systematik mit einbezogen werden.“ Dass das „Schwarzsehen in den Praxen nicht Fuß gefasst habe, beweisen die hohen Teilnehmerzahlen an diesem Kongress“.
Eine nüchterne Betrachtung der gegenwärtigen Lage im deutschen Gesundheitswesen zog ebenso der Festvortragsredner und Leiter des Instituts für Gesundheits-Systemforschung in Kiel, Prof. Dr. Fritz Beske. Auch sein Blick auf die Zeit nach der Reform diente als Orientierung für einen „Weg in die Zukunft“. Immerhin sei bisher kein Gesetz schon in seinem Titel „so irreführend“ wie das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Es gebe inzwischen keine Kassenvertreter, die ihre Körperschaften nicht „in Gefahr“ sehen. Der Bund sei, so Beske, „im Grunde genommen pleite“. Der Kieler Systemkritiker forderte, grundlegende Gegenmaßnahmen endlich anzugehen und beispielsweise den Leistungskatalog der GKV auf das wirklich notwendige Maß zurückzuführen. Relevant sei allein, dass jeder Versicherte „Zugang zu dem hat, was er tatsächlich braucht“, nicht zum Besten, sondern zum „Ausreichenden, Wirtschaftlichen und Notwendigen“. Ein Ausweg in die Vernunft?
Die Kongressteilnehmer ließen sich, so zeigte der weitere Verlauf, weder vom „Chaos“ aus Berlin noch von den an jenen Tagen gerade auch im Harz wütenden Stürmen irritieren. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Thomas Attin erlebten sie qualitativ hochwertige Fortbildung zum bisher unaufhaltsamen Fortschritt der Zahnmedizin.