Interaktive Fortbildung

Zahnmedizin bei älteren Menschen - eine Herausforderung an die Zahnarztpraxis

Man kann es kaum übersehen: Deutschland befindet sich – wie viele andere Industrieländer – auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der die Älteren dominieren. Das hat seine Auswirkungen auf die zahnmedizinische Versorgung. Grund genug für eine interaktive zm-Fortbildung.

So beträgt die aktuelle Lebenserwartung für neugeborene Jungen zirka 75 Jahre, für neugeborene Mädchen 82 Jahre; ist man heute 60 Jahre alt, hat man durchschnittlich weitere 25 Lebensjahre vor sich. In 2030 werden zirka 35 bis 38 Prozent der Bevölkerung 60 Jahre und älter sein. Auf diesen Trend muss sich die Zahnmedizin einstellen und adäquat reagieren. Obwohl man zurzeit bereits zahlreiche Publikationen und Bücher zum Thema Alterszahnheilkunde findet, sucht man in universitären Curricula häufig vergeblich nach entsprechenden Veranstaltungen. Dabei werden gerade die heute und in den nächsten Jahren auszubildenden Kolleginnen und Kollegen mit den Auswirkungen dieser gesellschaftlichen Entwicklung konfrontiert werden.

Schon jetzt zeigt sich, dass die Anzahl extrahierter Zähne bei Senioren stark rückläufig ist (DMS IV). Gleichzeitig steigt die Anzahl gefüllter Zähne deutlich an. Mit Zunahme der Zahnzahl im Alter steigt die Wurzelkariesprävalenz allerdings markant. Diese hohe Anzahl kariöser Wurzeloberflächen stellt den Zahnarzt sowohl im präventiven als auch restaurativen Bereich vor eine große Herausforderung. Hinzu kommen zahlreiche Erosionen und keilförmige Zahnhalsdefekte, die in Diagnostik, Prävention und Therapie neue Ansätze erforderlich machen. Es lässt sich zudem feststellen, dass auch Senioren einer gesunden Mundhöhle eine hohe Bedeutung beimessen. Wie man der DMS IV entnehmen kann, kommt dabei den Interdentalhygienemaßnahmen besondere Bedeutung zu, da hier mit zunehmendem Alter der Hauptanteil der unversorgten kariösen Zahnflächen zu finden ist. Somit stehen zunächst auch bei älteren Patienten zahnerhaltende Maßnahmen im Mittelpunkt der Therapie. Mit fortschreitendem Alter kommt es allerdings auch zu einer Zunahme der Häufigkeit und des Schweregrades von parodontologischen Erkrankungen. Das wird auch durch die Resultate der DMS IV deutlich. Sowohl die frühe Erkennung, als auch die adäquate Therapie und unterstützende Nachsorge müssen im zahnärztlichen Therapiespektrum zukünftig einen breiteren Raum einnehmen. Zahnärztliche Aus- und Weiterbildung im Bereich Parodontologie wird also immer wichtiger. Natürlich wird aufgrund der zahnerhaltenden Maßnahmen bei jüngeren Generationen der Anteil von Senioren mit sogenannten Lückengebissen und damit der Wunsch nach festsitzendem Zahnersatz und implantologischen Maßnahmen zunehmen.

Neben diesen auf epidemiologischen Grundlagen basierenden Prognosen für die zahnärztliche Behandlung gilt es auch, das psychische und soziale Umfeld des alternden Menschen zu berücksichtigen. Das Wissen um psychosoziale Faktoren in der Alterszahnmedizin wird bisher aber kaum vermittelt. Kenntnisse über physische und psychische Veränderungen durch Altern sowie präventive und rekonstruktive Maßnahmen beim älteren Patienten sollten für die Praxis der Zukunft unabdingbar sein.

Eine alternde Gesellschaft wird sich sicherlich durch veränderte Ansprüche an die Zugänglichkeit von präventiven und restaurativen zahnmedizinischen Maßnahmen kennzeichnen. Ältere und hochbetagte Menschen werden entweder allein zuhause oder aber in Heimstätten wohnen und möglicherweise nicht in der Lage sein, zahnärztliche Praxen aufzusuchen. Mobile zahnärztliche Teams, die sowohl in der Prophylaxe, als auch in der Therapie vor Ort tätig sein müssen, sollten Bestandteil einer Neukonzeption von zahnärztlichen Praxen sein. Interdisziplinäre Konzepte, bei denen Hausarzt, Zahnarzt und andere Therapeuten zusammenarbeiten, werden die zahnmedizinische Tätigkeit mancher Praxen in Zukunft prägen. In diesem Zusammenhang seien als Beispiele Dystrophie der Muskulatur, medikamentös oder altersbedingte Xerostomie, geistige Beeinträchtigungen, Einschränkungen der Feinmotorik, Depressionen, Abnahme des Geschmacks- und Geruchsempfindens, Flüssigkeitsmangel, Organtransplantationen, Tumorerkrankungen und andere genannt, die eine direkte Auswirkung auf die Mundgesundheit ausüben können.

Diese kurze Einführung kann nur ein Schlaglicht auf die heterogene Gruppe alternder und älterer Menschen werfen. Sie soll im Prinzip die Aufmerksamkeit dafür schärfen, dass wir uns auch im zahnmedizinischen Bereich in einer Umbruchphase finden, in der möglicherweise viele der bisher gelehrten und gelernten Verfahren unzureichend oder sogar inadäquat sind. Alterszahnheilkunde ist möglicherweise auch eine Heilkunde, die durch Kompromisse gekennzeichnet ist, für die weder die wissenschaftlichen und ethischen, noch die (berufs-) rechtlichen Grundlagen vorhanden sind. Die Veränderung der Gesellschaft wird eine Veränderung des zahnmedizinischen Berufsbildes zur Folge haben. In diesem Zusammenhang sei auf ein Buch der Bayerischen Zahnärztekammer mit dem Titel „Zähne im Alter – Eine interdisziplinäre Betrachtung“ hingewiesen, in dem in herausragender Art und Weise das Thema Alterszahnmedizin aus unterschiedlichen wissenschaftlichen, medizinischen und zahnmedizinischen Perspektiven beleuchtet wird. Als Anreiz, sich mit diesem wichtigen Thema zu beschäftigen, sollen auch die beiden nachfolgenden Beiträge dienen.

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