Festsitzender Zahnersatz

Adhäsiv oder konventionell zementieren

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Das Bindeglied zwischen Zahnhartsubstanz und festsitzendem Zahnersatz ist der Befestigungszement. Seine Auswahl und Verarbeitung bestimmt den klinischen Erfolg einer Restauration. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der Frage der Indikation und klinischen Bewährung konventioneller Zemente, wie Zinkoxidphosphat-, Glasionomer- oder kunststoff-modifiziertem Glasionomerzement, sowie mit der Indikation und Bewährung bekannter und neuerer Zementsysteme zur adhäsiven Befestigung von Zahnersatz.

Unabhängig davon, ob adhäsiv oder konventionell zementiert werden soll, bestehen die Aufgaben eines Zementes darin,

• die Fuge zwischen Dentin/Schmelz und der Restauration abzudichten,

• die Kaukraft von der Restauration auf den Zahnstumpf weiterzuleiten und

• die Stabilisierung und Lagesicherung der Restauration gegen Kaukräfte sicherzustellen [Rosenstiel et al., 1998].

Die Beantwortung der Frage „Adhäsiv oder konventionell zementieren?“ hängt zum einen von der Materialauswahl ab [Malament & Socransky, 2001]. Während Restaurationen aus Metall-Legierungen, Aluminium- oder Zirkonoxid-Keramik keine Stabilisierung durch einen adhäsiven Verbund benötigen (Abbildungen 1 und 2), um den Kaukräften widerstehen zu können, müssen Restaurationen aus glaskeramischen Massen (Abbildung 3) durch einen adhäsiven Verbund mit dem Dentin/ Schmelz verstärkt werden. Einige Versorgungen wie Marylandbrücken (Abbildung 4) oder Veneers (Abbildung 5) sind erst dadurch möglich geworden, dass ein adhäsiver Verbund diese Restaurationen an der Zahnhartsubstanz dauerhaft verankern kann.

Zum anderen hängt die Frage „Adhäsiv oder konventionell zementieren?“ von den klinischen Verhältnissen ab. Voraussetzungen für einen adhäsiven Verbund sind nach Pospiech Folgende [Pospiech, 2002]:

• ein speichelfreies, trockenes, zugängliches Arbeitsfeld,

• eine vollständige Polymerisation des Zements und der Adhäsive,

• eine hohe Benetzbarkeit der zu verbindenden Flächen,

• eine rückstandsfreie Entfernung der Zementüberschüsse.

Konventionelles Zementieren

Die Frage der Zementierung kann nicht nur unter rein werkstoffkundlichen Aspekten entschieden werden, sie muss unter Berücksichtigung der klinischen Ergebnisse bewertet werden. Untersuchungen metallgestützter Versorgungen, zementiert mit Zinkoxidphosphatzement, zeigten in einem Zeitraum von 20 Jahren eine Überlebensrate von 66,2 Prozent [DeBacker et al., 2006]. Wurden Versorgungen ohne Stiftaufbauten isoliert betrachtet, lag die Rate bei 77,4 Prozent. Diese Ergebnisse lassen sich auch durch andere Studien bestätigen [Holm et al., 2003]. Auch konventionell zementierte Oxidkeramiken zeigten in klinischen Studien sehr gute Ergebnisse. Ödman et al. konnten bei Procera Molarenkronen nach zehn Jahren eine Überlebensrate von 92,2 Prozent feststellen [Ödman & Andersson, 2001]. Eine andere Studie mit dreigliedrigen Brücken (n=20) aus InCeram wies nach fünf Jahren keine Anzeichen für Sekundärkaries oder gingivale/parodontale Schäden auf [Vult van Steyern et al., 2001]. Es wurden lediglich zwei Frakturen im Konnektorenbereich verzeichnet. Die Zahl der klinischen Langzeituntersuchungen ist bei vollkeramischen Restaurationen im Vergleich zu metallgestützten Versorgungen gering. Insbesondere für Zirkonoxid existieren nur sehr wenige Untersuchungen [Bornemann et al., 2003]. Aber auch hier geben die In-vitro- und In-vivo-Daten Anlass, davon auszugehen, dass die konventionelle Zementierung von Zirkonoxid-Restaurationen klinisch erfolgreich sein wird.

Neben dem klassischen Zinkoxidphosphatzement werden für die konventionelle Zementierung Glasionomere und kunststoffmodifizierten Glasionomere verwendet. Beide Zemente setzen Fluoridionen frei, wovon man sich eine kariesprotektive Wirkung verspricht [Muzynski et al., 1988]. Es stellt sich aber die Frage, wie viel Fluoride ein Zement dauerhaft freisetzen muss, um Karies zu verhindern, und ob sich der Effekt der Fluoridfreisetzung überhaupt klinisch relevant nachweisen lässt.

In-vitro-Studien haben die Fluoridfreisetzung verschiedener Glasionomere untersucht [Muzynski et al., 1988]. Es zeigte sich, dass die Freisetzungsrate nach wenigen Monaten drastisch zurückging. In klinischen Vergleichen von Zinkoxidphosphatzement, Glasionomerzement und kunststoff- modifizierten Glasionomeren konnte Jokstad in einem Zeitraum von zehn Jahren keine klinisch relevanten Unterschiede feststellen [Jokstad & Mjör, 1996; Jokstad 2004]. Die Überlebensraten der Versorgungen unterschieden sich nicht. Bei der Wahl der kunststoff-modifizierten Glasionomere ist allerdings Folgendes zu beachten [Yap, 1996; Small et al., 1998]: Diese Zemente weisen zwar eine hohe Druck- und Biegefestigkeit auf, sie nehmen aber zum Teil beträchtliche Mengen an Wasser auf. Dementsprechend expandieren sie, was zu Frakturen bei glaskeramischen Versorgungen führen kann. Die Wasseraufnahme erhöht ferner die Plastizität des Zements und kann zum Retentionsverlust führen. Auch bei Patienten mit Methacrylat-Allergie sollten diese Zemente nicht verwendet werden.

Bei der Auswahl eines Zements lassen sich Zahnmediziner häufig von Parametern wie Druckfestigkeit, Biegefestigkeit oder Vickershärte leiten. Leider wird dabei übersehen, dass viele Zementmischungen in der Praxis nicht die im Labor ermittelten Kennwerte erreichen (Abbildung 6). Flemming [Flemming et al., 1999] zeigte, dass bei mehr als 50 Prozent der von 40 Zahnarzthelferinnen angemischten Zinkoxidphosphatzement- Proben die angegebene Druckfestigkeit nicht erreicht wurde.

In einer eigenen Untersuchung kunststoffmodifizierter Glasionomere beeinflussten Mischungsfehler von rund 17 Prozent (was dem Fehler der Dosierhilfen entspricht) nicht signifikant die Eigenschaften [Behr et al., 2006]. Größere Abweichungen führten aber zu deutlichen Verschlechterungen bei der Verschleiß- und Biegefestigkeit. Die guten klinischen Ergebnisse konventionell zementierter Versorgungen und ihre einfache Handhabung sollte Zahnmediziner nicht dazu verleiten, dem korrekten Anmischen der konventionellen Zemente zu wenig Beachtung zu schenken.

Adhäsive Befestigung

Die ersten rein adhäsiv zementierten Restaurationen, wie Marylandbrücken und Veneers, erforderten eine schmelzbegrenzte Präparationsgrenze. Die klinischen Ergebnisse zeigten bei den Marylandbrücken im Zeitraum von zehn Jahren Überlebensraten von 70 bis 94 Prozent [Creugers et al., 1992; Behr et al., 1998]. Aber auch für Veneers lassen sich Verlustraten von sieben Prozent nach zehn Jahren (Frakturen, Dezementierung) [Strassler, 1995] und ein Prozent nach fünf Jahren nachweisen [Peumanns et al., 1998]. Bei Veneers ist es wichtig, einen rein lichthärtenden Zement zu verwenden. Die Farbstabilität (keine tertiären Amine) ist so gewährleistet, und die Verarbeitungszeit und die Entfernung von Zementüberschüssen lassen sich besser steuern.

Dentinbegrenzte Präparationsgrenzen galten lange Zeit als Risiko für adhäsive Zementierungen. Der Fortschritt bei den Dentinadhäsiven ermöglicht es mittlerweile, auch hier einen dauerhaften adhäsiven Verbund zu erreichen. Dies belegen klinische Studien, zum Beispiel von Krämer und Frankenberger [Krämer & Frankenberger, 2005], die über mehr als acht Jahre Inlays und Onlays aus Empress-Keramik beobachten konnten, oder die Studie von van Dijken [van Dijken et al., 2001], der Onlays und Kronen mit umfangreicher Präparationsgrenze im Dentin über sieben Jahre (93,4 Prozent Überlebensrate) untersuchte. Diese Ergebnisse können aber nur erzielt werden, wenn die von Pospiech [Pospiech, 2002] definierten Grundsätze (siehe oben) beachtet werden und der Behandler fundierte Kenntnisse über das von ihm verwendete Dentinadhäsiv besitzt. So muss er wissen, ob sein Dentinadhäsiv für wet- oder drybonding ausgelegt ist. Bei den selbstätzenden Primern ist im Gegensatz zum Totaletch- Verfahren häufig eine separate Schmelzätzung notwendig, und nicht neutralisierte Säuren selbstätzender Primer können nachfolgend die Polymerisation (tertiärer Amine) dual- oder chemisch-härtender Kompositzemente beeinträchtigen. Bouillaguet [Bougillaguet et al., 2002] wies ferner darauf hin, dass das Handling mancher Dentinadhäsive Zahnmedizinern große Schwierigkeiten bereiten kann und die im Labor bestimmten Verbundfestigkeiten von vielen klinisch nicht erreicht werden. Wie bei den konventionellen Zementen trägt auch die Einhaltung des korrekten Mischverhältnisses von Paste und Katalysator zum klinischen Erfolg bei. In eigenen Untersuchungen zeigten zwar die untersuchten dual-härtenden Kompositzemente einen Spielraum. Ihr Abrasionsverhalten und ihre Biegefestigkeit änderten sich aber insbesondere dann, wenn eine reine Dunkelhärtung erforderlich war [Loher, 2006]. Die Lichthärtung verzieh größere Mischfehler. Ein weiterer wichtiger Aspekt wird häufig außer Acht gelassen: Kompositezemente und Dentinadhäsive sollten kühl gelagert werden. Während die Lichthärtung dual-härtender Kompositzemente gegen thermische Lagerschäden relativ unempfindlich ist, kann die Fähigkeit zur Polymerisation ohne Licht (Dunkelhärtung) drastisch reduziert sein beziehungsweise ganz versagen (Abbildung 7). Im Regensburger Kausimulator konnte gezeigt werden, dass Empress1 Kronen, die mit thermisch geschädigten Kompositzement eingegliedert worden waren, eine geringer Bruchfestigkeit aufwiesen.

Das relativ komplexe Handling der Dentinadhäsive hat zur Entwicklung selbstkonditionierender Kompositzemente geführt, die ohne jegliche Vorbehandlung appliziert werden können. Der erste Vertreter ist das RelyXUnicem (3M Espe), welches seit etwa vier Jahren auf dem Markt ist. Die ersten klinischen Ergebnisse sehen hoffnungsvoll aus [Tascher et al., 2006]. Bei der Verwendung ist zu beachten, dass der Zement unter Druck appliziert werden sollte [DeMunck et al., 2004]. Es bildet sich keine Hybridschicht aus, weswegen eine zusätzliche Ätzung des Dentins unbedingt vermieden werden muss. Beim geätzten Dentin besteht die Gefahr, dass der Zement im aufgelockerten kollagenen Netzwerk „hängen“ bleibt und das ungeätzte Dentin nicht erreicht wird. Der entstehende Hohlraum kann von Mikroorganismen besiedelt werden und reduziert die mechanischen Eigenschaften. Inzwischen sind weitere Zemente auf den Markt gekommen, Maxcem (Hawe-Kerr), Multilinik Xpress (Ivoclar-Vivadent), die aber derzeit noch nicht beurteilt werden können.

Zusammenfassung

Konventionelles Zementieren mit Zinkoxidphosphat- oder Glasionomerzementen ist klinisch nachweisbar erfolgreich. Der Verarbeitungsspielraum dieser Zemente ist groß. Ihre Kosten sind moderat. Es gibt keinen Grund, Restaurationen, die konventionell zementiert werden können, nicht mit den bewährten klassischen Verfahren zu zementieren (Abbildung 8).

Klinische Studien belegen, dass ein adhäsiver Verbund zu Dentin/Schmelz und Restaurationen, die eine Stabilisierung durch den Zement benötigen, erreicht werden kann. Der langfristige Erfolg setzt aber ein speichelfreies, trockenes und übersichtliches Arbeitsfeld voraus sowie werkstoffliche Detailkenntnisse des Adhäsivsystems. Neue selbstkonditionierende Kompositzemente können das adhäsive Zementieren wesentlich vereinfachen. Ihre Kosten sind jedoch hoch und ihre derzeitige klinische Erfahrung ist für eine abschließende Beurteilung nicht ausreichend.

Prof. Dr. M. BehrPoliklinik für Zahnärztliche ProthetikKlinikum der Universität RegensburgUniversität RegensburgFranz-Josef-Strauss-Allee 1193053 Regensburgmichael.behr@klinik.uni-regensburg.de

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