Infektionskrankheiten

Depressionen durch Viren

Atemwegserkrankungen, HIV, sogar Krebs – Viren können ganz unterschiedliche Krankheiten auslösen. Es gibt sogar Befunde, wonach psychiatrische Störungen und speziell Depressionen auf einer Virusinfektion beruhen können.

Bei mindestens 13 verschiedenen Erregern liegen derzeit nach Karl Bechter von der Universität Ulm Hinweise darauf vor, dass sie an der Entstehung psychiatrischer Erkrankungen beteiligt sind. Viren, wie Influenzaviren, das HIV-Virus, Herpes-Viren und vor allem das Borna-Disease-Virus, kurz BDV, sind in der Diskussion. Aber auch bei Bakterien wie den Chlamydien, den Borrelien und den Streptokokken werden entsprechende Zusammenhänge diskutiert. Die Arbeitsgruppe um Bechter vermutet, dass die genannten Erreger das Gleichgewicht der Neurotransmitter im Gehirn, welche Emotionen und Verhalten steigern, stören.

Vor allem Bornaviren sind in der Diskussion

Gut untersucht ist in dieser Hinsicht speziell BDV, das vor allem Pferde und Schafe befällt. Allerdings wurde das Virus auch bereits bei anderen Tierarten nachgewiesen, bei Rindern, Katzen und Affen. Es attackiert das Nervensystem und kann eine Enzephalitis hervorrufen. Die infizierten Tiere werden apathisch, laufen im Kreis herum und sondern sich von der Herde ab. Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde intensiv erforscht, inwieweit das Virus auch Menschen infiziert und bei ihnen möglicherweise psychische Veränderungen auslöst. Die Forschungen beim Robert Koch-Institut wurden jedoch eingestellt und auch die Deutsche Gesellschaft für Virologe hält Zusammenhänge nicht für wahrscheinlich.

Bechter und seine Mitarbeiter aber halten unbeirrt an der Hypothese fest. „Bei fünf Prozent der Patienten mit psychiatrischer Erkrankung lassen sich Hinweise auf eine Infektion finden“, betont der Wissenschaftler. Damit sind die Zusammenhänge nach seinen Angaben klarer als bei der Poliomyelitis, bei der „nur“ zwei Prozent der infizierten Personen die typischen Lähmungserscheinungen entwickeln. Für einen Zusammenhang zwischen Depressionen und BDV sprechen nach Bechter auch Beobachtungen, wonach sich bei vielen Patienten die depressive Symptomatik durch eine antivirale Medikation bessern lässt.

Psychiatrische Störungen aufgrund einer Virusinfektion hält auch Klaus Lieb vom Universitätsklinikum Freiburg für möglich und nennt als Beispiel Herpesviren, die eine Enzephalitis und in deren Folge schwere psychische Störungen hervorrufen können.

Neue Nahrung erhält die Hypothese, dass Viren Depressionen auslösen können, durch Beobachtungen in den USA, wo sich zurzeit das West-Nil-Virus ausbreitet. Das Virus wird durch Mücken übertragen und scheint eindeutig Depressionen hervorrufen zu können. Das deutet eine Untersuchung in der Umgebung von Houston an. Dort litten ein Jahr nach der Infektion von 65 infizierten Patienten 26 an einer Depression. 20 von ihnen hatten in ihrer Anamnese zuvor keinerlei psychiatrische Auffälligkeiten. Noch ist aber unklar, ob das Virus direkt die Entstehung der depressiven Symptome triggert oder ob diese nicht möglicherweise doch eine Folge der langwierigen Rekonvaleszenz nach einem West-Nil-Fieber sind.

Christine VetterMerkenicher Straße 22450735 Köln

 

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