Viel Wind, heiße Luft und leere Phrasen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Die elektronische Gesundheitskarte kommt 2006!“ Diese Phrase gab Ulla Schmidt damals bei jeder Gelegenheit zum besten. Tja, die besagte Karte ist immer noch nicht da. Und sie wird nach Meinung der Experten auch erst frühestens 2011 an den Start gehen. Frühestens. Dennoch verkündet Schmidt weiterhin ohne rot zu werden, dass die eGK voll im Zeitplan liegt und super funktioniert. Und produziert viel heiße Luft, obwohl das BMG selbst immer wieder die Termine nach hinten schiebt.
Der PR-Maschinerie zum Trotz wird der Unmut der Ärzte, Apotheker und Patienten, die die Prototypen testen, indes immer lauter: „Hier klappt gar nichts!“
Kein Wunder. Statt weniger Bürokratie gibt es noch mehr Ballast. Von der zeitraubenden Signierung bis zu der abstrusen Idee, dass der Patient an der Rezeption mal eben seine geheime PIN ändern soll, werden Arztbesuch und Behandlungsgeschehen regelrecht pervertiert. Dass ein derart hanebüchenes Prozedere am Praxisalltag völlig vorbei geht – selbstredend. Das viel zu komplizierte Handling lenkt von der eigentlichen Hauptsache, nämlich der medizinischen Betreuung des Patienten, ab. Davon abgesehen, gefährdet das Projekt das Selbstbestimmungsrecht der Patienten und belastet damit auch ihr Vertrauensverhältnis zum Arzt. Zwar konnte die KZBV die Speicherung zentraler Datensammlungen bisher verhindern und erreichen, dass die Daten technisch sicher verschlüsselt sind. Gleichwohl besteht nach wie vor die Gefahr, dass der Patient künftig nicht mehr selbst entscheidet, was er in seiner elektronischen Patientenakte aufbewahrt, sondern das BMG dieses Modul zur Pflichtanwendung erklärt. Mit diesem umfassenden Datenpool wachsen die Begehrlichkeiten freilich noch schneller als heute. Missbrauch ist dann nur noch eine Frage der Zeit.
Vom Powerchip ist die elektronische Gesundheitskarte noch Lichtjahre entfernt.
Die Zahnärzteschaft stand der eGK deshalb von Anfang an kritisch gegenüber. Unseren Standpunkt haben wir auf der letzten VV in Köln bekräftigt. Jetzt stellen sich auch die Ärzte hinter uns – auf dem Ärztetag beschlossen sie, die eGK in dieser Form nicht mitzutragen. Andere zogen nach.
Was wir der Karte abfordern, gebietet doch allein schon der gesunde Menschenverstand: Eine qualitativ bessere Versorgung der Patienten. Die Garantie, dass der Patient Herr seiner Daten bleibt und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gewahrt bleibt. Dass sie in der Praxis handelbar ist – sonst wird sie nicht genutzt. Last but not least: Eine Finanzierung, die im Detail steht. Alles logisch, sollte man meinen. Bislang erfüllt die eGK aber praktisch kein einziges Kriterium. Welche Vorteile die elektronische Gesundheitskarte dem Zahnarzt unterm Strich nun bringt? Ich sage: Keine! Siehe oben!
Wir verlangen ein geordnetes Verfahren. Eine, wie ich finde, berechtigte Forderung. Nicht für das BMG. Da man dort einzig allein daran interessiert ist, den Rollout zu beschleunigen, werden die regulären Tests nun einfach umgangen und durch rudimentäre ersetzt. Anstatt jede Testphase ordentlich abzuschließen und zu bewerten, steigt man ohne Rücksicht auf Verluste in die nächste Stufe ein – egal, ob die vorherigen erfolgreich waren oder nicht. Was zur Folge hat, dass die kommenden Termine immer mehr parallel laufen – und man immer weniger die Ergebnisse prüfen kann, weil nämlich schon wieder die nächste Phase ansteht. Der Sinn des aberwitzigen Forschungsprojekts ist klar: Man versucht, die objektiv betrachtet völlig verfrühte Einführung der eGK zu legitimieren. Egal wie. Nach dem jetzigen Stand der Dinge sieht der Projektplan den Beginn der Massentests für 2009 vor. Im Moment wird allerdings gemunkelt, dass das BMG die Karte sogar schon 2008 ausrollen will. Schmidts Bilanz muss schließlich gut aussehen.
Wir haben auf der VV klargestellt, dass die Zahnärzte bei den Testverfahren außen vor bleiben – zu gering sind die Unterschiede zum Arztbetrieb, zu gering auch unser Nutzen. Trotzdem werden wir uns weiterhin kritisch einschalten. Um getreu dem Motto „immer da, immer nah“ die Interessen des Berufsstandes zu vertreten. Und um dafür zu sorgen, dass die heiße Luft verpufft und stattdessen harte Facts im Zentrum stehen.
Mit freundlichem kollegialem Gruß
Dr. Günther E. BuchholzStellvertretender Vorsitzender der KZBV