Repetitorium

Erhöhte Leberwerte

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Erhöhte Leberwerte – dieser Befund wird nicht selten im Rahmen einer Routinediagnostik erhoben. Was aber bedeutet es, wenn einzelne Werte erhöht sind? Wenn zum Beispiel die alkalische Phosphatase und die sogenannte Gamma-GT über der Norm liegen? Oder wenn die Transaminasen GOT und GPT nicht den normalen Wert zeigen?

Unter dem Begriff der „Leberwerte“ werden verschiedene Enzyme und deren Substrate zusammengefasst, die Hinweise auf die Funktionstüchtigkeit der Leber und der Gallenwege geben. Liegen einzelne Werte nicht im Normbereich, so erlaubt dies direkt Rückschlüsse auf Störungen der Leberfunktion, die sich aber oftmals nicht durch Beschwerden bemerkbar machen. Die Bestimmung der Leberwerte gehört deshalb zur Routinediagnostik.

Doch nicht jeder auffällige Befund ist Ausdruck einer schwerwiegenden Erkrankung. So findet sich rein statistisch bei der Routine- Diagnostik in rund 25 Prozent der Fälle eine Erhöhung einzelner Leberwerte. Diese kann völlig harmloser Natur sein. So kann sie unter Umständen eine vorübergehende Überlastung der Leber anzeigen, aber sie könnte auch einen ersten Hinweis auf eine ernste Störung aufzeigen. Die Werte müssen demnach entsprechend interpretiert werden. Anamnese, körperliche Untersuchung und eventuell auch der Nachweis spezieller Leberhautzeichen müssen gegebenenfalls Anlass für weiterführende Untersuchungen sein.

Leberwerte in der Routinediagnostik

Bei der Bestimmung der Leberwerte werden üblicherweise die alkalische Phosphatase (AP), die Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT), die Aspartat-Aminotransferase (GOT oder AST), die Alanin-Aminotransferase (GPT oder ALT) und die Glutamat- Dehydrogenase (GLDH) gemessen. Bei den Substraten haben vor allem das Bilirubin und das Albumin sowie die in der Leber synthetisierten Gerinnungsfaktoren Bedeutung.

Unauffällig sind die Leberwerte in folgenden Bereichen:

• GOT und GPT: Bei Männern zwischen 10 und 50 U/l, bei Frauen zwischen 10 und 35 U/l

• Gamma-GT: Bei Männern unter 66 U/l, bei Frauen unter 39 U/l

• AP: Bei Männern zwischen 40 und 129 U/l, bei Frauen zwischen 35 und 104 U/l

• Bilirubin: unter 1,1 mg/dl

Gamma-GT und Co.

Sind einzelne Leberwerte erhöht, so erlaubt dies nach Professor Dr. Klaus H. W. Böker aus Hannover Aussagen über den Umsatz derjenigen Zellen, denen diese Enzyme entstammen. So deuten erhöhte Transaminasen im Serum auf vermehrte Zelluntergänge hin, denn GOT (Glutamat-Oxalacetat- Transaminase) und GPT (Glutamat-Pyruvat- Transaminase) entstehen durch den natürlichen Abbau von Leberzellen. Sie sind bei jedem Gesunden im Blutbild nachzuweisen, erhöhte Werte aber zeigen pathologische Zellschädigungen an. Entzündungsprozesse im Bereich der Leber und auch der Gallenwege, also eine Hepatitis oder eine Cholezystitis, können die Ursache sein, ebenso Schädigungen durch Alkohol und/oder Medikamente. Auch ein Tumor als Ursache kann in Frage kommen.

Während die GPT dabei relativ spezifisch für eine Leberzellschädigung ist, kann die GOT auch bei einer muskulären Erkrankung erhöht sein. Ist vor allem die GPT gesteigert, so muss eine akute und auch eine chronische Hepatitis in Betracht gezogen werden, eine Hepatitis durch Epstein-Barr- oder durch Zytomegaliviren, eine Hämochromatose oder ein Morbus Wilson, eine Autoimmunhepatitis, eine Zöliakie oder NASH, die nicht alkoholische Steatohepatitis. Dominiert dagegen eine Erhöhung der GOT, so kommen durch Alkohol induzierte Schäden als Ursache in Frage, eine Steatohepatitis mit fibrotischen Veränderungen, eine Leberzirrhose sowie nicht hepatische Erkrankungen, zum Beispiel eine Myopathie oder eine Hämolyse. Die Werte können aber auch Folge einer exzessiven körperlichen Belastung sein.

Im Falle der Gamma-GT sieht es nach Böker anders aus. Bei diesem Enzym zeigen erhöhte Werte eine vermehrte Enzymproduktion als Folge einer Enzyminduktion an. Der Wert steigt bei Leberschädigungen durch Alkohol oder Umweltgifte, bei einer Fettleber, bei Gallengangerkrankungen und bei Lebertumoren. Er kann um bis das fünffache der Norm erhöht sein.  

Erhöhte AP-Werte treten demgegenüber vor allem bei einer gestörten Ausscheidungsfunktion auf und gelten als Hinweis auf eine Behinderung des Galleflusses. Ähnlich ist es beim Bilirubin, das dem Gallensaft seine charakteristische Farbe verleiht.  

Muster der erhöhten Leberwerte

Korrekt interpretiert können die Leberwerte nach Böker somit ein differenziertes Bild der Leber und ihrer Funktion darstellen. Die einzelnen Werte geben dabei Hinweise auf mögliche pathologische Prozesse, und das umso mehr, wenn die Parameter zu Mustern zusammenfasst werden, wie Böker bei einem Falk Gastroforum in Bremen darlegte. Das Bestimmen der fünf Basiswerte Bilirubin, AP, Gamma-GT sowie GOT und GPT gibt nach seinen Worten direkt Anhaltspunkte für die mögliche Krankheitsursache. Konkret ist nach Böker

• ein cholestatisches,

• ein toxisches und

• ein Hepatitis-artiges Enzymmuster zu beachten.

Cholestatisches Enzymmuster

Typisch für das cholestatische Muster ist eine Erhöhung von AP und Gamma-GT, während GOT und GPT nur gering über der Norm liegen. Zu denken ist in solchen Fällen an Autoimmunerkrankungen, wie die primär biliäre Zirrhose (PBC) und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC), aber auch an NASH, die nicht alkoholische Steatohepatitis. Diese Störung ist besonders häufig bei Menschen mit Übergewicht sowie bei Diabetikern zu finden, wobei sich anhand der Leberwerte allerdings nicht differenzieren lässt, ob eine alkoholbedingte Steatohepatitis oder eine nicht alkoholische Form vorliegt.

Toxisches Enzymmuster

Ein toxisches Enzymmuster ist gegeben, wenn vor allem die Gamma-GT erhöht ist, während GPT und GOT nur gering gesteigert sind. Die GPT ist dabei meist eher etwas höher als die GOT. Die AP ist beim toxischen Enzymmuster nicht oder nur minimal erhöht. Zu denken ist bei einem solchen Leberwert- Muster laut Böker an eine Fettleber, sei sie nun alkoholischer oder nicht alkoholischer Natur, sowie an weitere toxische Leberschädigungen. Eine erhöhte Gamma-GT gilt dabei allgemein als Zeichen eines alkoholischen Leberschadens. Doch ist bei isolierter Erhöhung dieses Enzyms bei einer solchen Interpretation Vorsicht geboten, da die Spezifität der Gamma-GT gering ist.

Nicht selten verursachen zudem Medikamente ein toxisches Enzymmuster, wobei vor allem bei chronischer, länger als sechs Monate dauernder mäßiger Erhöhung von GOT und/oder GPT an Medikamente als Ursache gedacht werden muss. Viele Medikamente können zumindest passager Leberwerterhöhungen induzieren. Gut bekannt sind solche Phänomene bei den nicht steroidalen Antirheumatika, bei Antibiotika, Lipidsenkern und einer Vielzahl pflanzlicher Arzneimittel, hierbei insbesondere chinesischen Heiltees, woran aber häufig nicht gedacht wird. Auch ein Drogenabusus kann die Ursache von Leberwerterhöhungen mit toxischem Enzymmuster sein.

Hepatitis-Enzymmuster

Völlig anders ist das Enzymmuster bei einer Hepatitis. Bei den Leberentzündungen steht die Erhöhung von GOT und GPT im Vordergrund, Gamma-GT und AP sind deutlich weniger gesteigert. Allerdings ist das Enzymmuster bei den Hepatitiden auch von der Dauer der Erkrankung abhängig. Vor allem im Stadium der akuten Hepatitis fällt oft nur der erhöhte GOT-Wert auf, bei zunehmender Krankheitsdauer gewinnt dann der GPT-Wert mehr an Bedeutung. Die Werte müssen im Hinblick auf eine viral bedingte Hepatitis abgeklärt werden und es ist zugleich an eine Autoimmunhepatitis, einen Morbus Wilson und eine Hämochromatose als Ursache zu denken.

Vor dem Hintergrund des Enzymmusters, das die grundlegende Problematik anzeigt, lassen sich nach Böker dann durch die Bestimmung des Albumins und der Gerinnungsfaktoren Informationen über den Funktionszustand und das Krankheitsstadium erhalten.

Notwendige Diagnostik und Therapie

Die Leberwerte und das spezifische Enzymmuster geben die Richtung vor, in die mit der weiteren Diagnostik zu fahnden ist. Nahezu immer schließt sich eine Ultraschalluntersuchung als nicht invasive und zugleich preiswerte Untersuchungsmethode an. Das gilt insbesondere für Stauungs-Syndrome, bei denen im Ultraschall nach erweiterten Gallengängen, verdickten Gallengangwänden und Veränderungen der Gallenblase geschaut werden kann. Bei toxischem Leberenzymmuster ist verstärkt auf die Lebergröße und Zeichen einer portalen Hypertension zu achten und bei einem Hepatitismuster ist nach Zeichen eines fibrotischen Umbaus, einer Leberzirrhose und auch nach einem Lebertumor zu fahnden. „Der diagnostische Aufwand lohnt sich, da viele der als Ursache in Frage kommenden Lebererkrankungen gut zu behandeln sind“, mahnte der Gastroenterologe in Bremen. Als Beispiel nannte er die Hepatitis B und C, die Autoimmunhepatitis, bei der es vor allem durch das Immunsuppressivum Azathioprin gute Behandlungsmöglichkeiten gibt und ebenso die Hämochromatose und den Morbus Wilson. „Auch bei den Cholestasesyndromen hat es in den vergangenen Jahren dank der Ursodeoxycholsäure erhebliche Fortschritte gegeben“, berichtete Böker. Ein „ehernes Gesetz“ sollte es nach seinen Worten sein, bei jeder GPTErhöhung nach einer Hepatitis B oder C zu fahnden und bei jeder isoliert erhöhten Gamma-GT nach dem verursachenden Toxin zu suchen sowie an einen Tumor als mögliche Ursache zu denken.

Leberhautzeichen

Sind die Leberwerte erhöht, so sollte stets nach typischen Symptomen einer Lebererkrankung wie ständiger Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Druckgefühlen im rechten Oberbauch, Juckreiz, lehmfarbigem Stuhl und bierbraunem Urin sowie nach Appetitverlust und Ekel gegenüber bestimmten Speisen gefragt werden.

Weitere Symptome können häufige Übelkeit und Erbrechen sein, Gewichtsveränderungen, Blähungen, Nasenbluten sowie ein Ikterus. Es sollte ferner nach Leberhautzeichen gefahndet werden, also nach charakteristischen Zeichen im Hautbereich, die sich häufig bei chronischen Lebererkrankungen bilden. Dazu gehören die Spider naevi (Lebersternchen), das Palmerythem, die Dupuytren’sche Kontraktur, Weißnägel, die Geldscheinhaut und die Leberzunge.  

Als Spider naevi oder auch Lebersternchen werden Gefäßerweiterungen der Haut bezeichnet, die vermutlich durch gefäßaktive Substanzen entstehen, welche bei Lebererkrankungen vermehrt gebildet werden. Die Hautveränderungen kommen vereinzelt auch bei gesunden Personen vor, bei chronischer Lebererkrankung treten sie oft gehäuft auf und zusammen mit anderen Leberhautzeichen.

Spider naevi, die ihren Namen ihrem charakteristischen, spinnenartigen Aussehen verdanken, sind meist vor allem am Kopf, im Hals- und Brustbereich sowie an den Armen zu finden. Sie bestehen aus einer Zentralarterie, die als roter Fleck zu erkennen ist und kleinen sternchenförmig angeordneten Venen, die sich durch Druck völlig ausstreichen lassen.  

Daneben besteht oft ein Palmerythem, eine diffuse, fleckige Rötung der Handinnenfläche vorzugsweise im Bereich der Daumen und der Ballen des kleinen Fingers und gegebenenfalls auch der Endglieder der Finger. In seltenen Fällen sind entsprechende Rotfärbungen auch an den Füßen zu beobachten und werden als Plantarerythem bezeichnet. Innerhalb des Palmaerythems können sich unvollständige Spider naevi ohne Zentralarterie entwickeln. Bessert sich die zugrunde liegende Lebererkrankung, so können sich die Veränderungen zurückbilden.

Anders bei der Dupuytren’schen Kontraktur, einer strangförmigen Gewebeverhärtung, die zu schweren Beugekontrakturen führt. Sie entwickelt sich vor allem bei alkoholisch bedingten Leberschäden und betrifft meist den Ringfinger. Die Störung ist jedoch nicht spezifisch für eine Lebererkrankung, sondern kann auch bei Gesunden und bei Diabetikern vorkommen.  

Ein weiteres Zeichen, das auf eine Lebererkrankung hinweisen kann, sind hellrosa bis silberweiße Verfärbungen der Finger- und Fußnägel, die so genannten Weißnägel. Die betroffenen Nägel sind zusätzlich meist leicht gewölbt, die Halbmonde am Nagelansatz sind verschwunden und die Nägel tragen zahlreiche Rillen. Die Ursache der Veränderungen ist wahrscheinlich eine durch die Lebererkrankung bedingte Störung des Keratinstoffwechsels, wobei insbesondere ein Mangel der schwefelhaltigen Aminosäuren Cystin und Methionin die beschriebenen Veränderungen hervorruft. Er tritt meist erst im fortgeschrittenen Stadium auf, weshalb Weißnägel eher als Spätzeichen einer chronischen Lebererkrankung anzusehen sind. Gleichzeitig kommt es durch die Störung des Keratinstoffwechsels auch zu einem reduzierten Haarwachstum. Chronisch Leberkranke entwickeln im fortgeschrittenen Stadium darüber hinaus oft eine sogenannten „Geldscheinhaut“, also eine papierartig aussehende Haut mit rauer Oberfläche, ein Phänomen, das aber auch bei Lebergesunden auftreten kann. Ähnlich verhält es sich mit Veränderungen der Zunge, die bei Leberkranken oftmals hochrot gefärbt ist und auch als „Erdbeerzunge“ bezeichnet wird. Sie kann sich im Verlauf einer Lebererkrankung verändern, wobei eine zunehmende Austrocknung der Zunge – die dann als „Himbeerzunge“ charakterisiert wird – auf die Gefahr eines drohenden Leberversagens hinweist. Hier ist der Zahnarzt als Diagnostiker gefragt.

 

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