Reformkurs nach bekannter Rezeptur
Die Antrittsrede der neuen österreichischen Bundesgesundheitsministerin, Dr. Andrea Kdolsky, fiel relativ dürftig aus. Magere zweieinhalb Schreibmaschinenseiten umfassten ihre Ausführungen zu ihrem Amtsbeginn Anfang dieses Jahres. Einen beachtlichen Teil davon nahmen Zahlen ein, die eindrucksvoll belegen sollten, wie gut das österreichische Gesundheitswesen funktioniert. Es folgten die üblichen politischen Allgemeinplätze, die davon zeugen sollen, dass auch Kdolsky alles daran setzen wird, Ärzten wieder mehr Zeit für und Spaß an ihrer Arbeit zu verschaffen. Grundlegend Neues können Österreichs Ärzte jedoch nicht unbedingt von ihrer neuen Ministerin erwarten. Erst vor zwei Jahren nämlich trat in Österreich ein Gesundheitsreformgesetz in Kraft, dessen Maßnahmen bis 2010 greifen sollen. Ziel der Reform ist im Wesentlichen, die sektorübergreifende Versorgung sowie die elektronische Vernetzung der Leistungsbereiche voranzutreiben, die Rolle des Hausarztes zu stärken, Prävention und Gesundheitsförderung auszubauen sowie das Gesundheitswesen insgesamt straffer zu organisieren.
Kdolsky kann daher nur einige wenige persönliche Akzente setzen. Gegenüber ihrer Vorgängerin Maria Rauch-Kallath, hat sie jedoch den Vorteil als Fachärztin für Anästhesie bei der Ärzteschaft den Bonus zu genießen, „eine der ihren“ zu sein. Ein weiteres Plus: Zuletzt arbeitete Kdolsky als ärztliche Geschäftsführerin eines der größten österreichischen Klinikbetreiber, der Niederösterreichischen Landeskliniken Holding. Daher kennt sie den Medizinbetrieb auch aus dieser Perspektive.
Auch unter der neuen Ministerin lautete das Motto der Reform jedoch weiterhin: „Das Geld folgt der Leistung“. Lukas Pohl, Kabinettsmitarbeiter von Kdolsky, sagt dazu: „Es soll nicht weniger, sondern zielgerichteter investiert werden.“ Das heißt: Bei Leistungsverschiebungen zwischen den Sektoren soll eine Budgetbereinigung erfolgen, um Anreize für eine wirtschaftliche und bedarfsgerechtere Versorgung zu setzen.
Doch was sich in der Theorie einfach anhört, erweist sich in der praktischen Umsetzung als ziemlich schwierig. Immerhin ist es der Regierung nach Angaben des Instituts für Höhere Studien in Wien trotz zahlreicher Bemühungen bislang nicht gelungen, den Leitspruch der Reform konsequent in die Tat umzusetzen.
Österreichs Ärzte und Zahnärzte begrüßen indessen grundsätzlich die Möglichkeit, sich inzwischen auch in interdisziplinären Kooperationsformen – zum Beispiel in Form einer GmbH – zusammenschließen zu können. Kritisch werten sie jedoch, dass die Regierung bis zum Jahr 2010 insgesamt 400 Millionen Euro einsparen will. Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Dr. Reiner Brettenthaler, hält die geplanten Kostendämpfungsmaßnahmen schlicht für ein „zeitgeistiges Trugbild, das ohne Verschlechterung für die Patientinnen und Patienten nicht realisiert werden kann“.
Trend zur Zentralisierung
Auf wenig Gegenliebe stoßen bei den betroffenen Berufsgruppen auch die Zentralisierungsbestrebungen der Regierung. Die gesamte Planung, Steuerung und Finanzierung der ambulanten und stationären Versorgung, einschließlich Vorgaben zur Qualitätssicherung und Leistungsbeschreibungen, liegen seit 2005 nämlich in der Hand einer eigens hierfür eingerichteten Stelle, der so genannten Bundesagentur, die dem Ministerium unterstellt ist. Die Zukunft der österreichischen Gesundheitsversorgung könne doch wohl nicht in planwirtschaftlichen Modellen à la Ex-DDR liegen, warnt der Kammerdirektor der Österrreichischen Zahnärztekammer, Dr. Jörg Krainhöfner. Viel vorgenommen hat sich die österreichische Regierung auch mit der Aufwertung der hausärztlichen Versorgung. Denn um die Allgemeinärzte für eine Lotsenfunktion im Gesundheitswesen fit zu machen, bedarf es einiger Veränderungen in der universitären Aus- sowie in der Weiterbildung. Österreichische Allgemeinärzte genießen im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen bislang nämlich keinen Fachärztestatus. Entsprechend gering sind das Ansehen des Faches und das Interesse des medizinischen Nachwuchses an der Allgemeinmedizin.
Ob ein neues, erweitertes Aufgabenprofil die Attraktivität der Allgemeinmedizin tatsächlich wie erhofft steigern wird, muss sich erst noch zeigen, zumal es bislang keine wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass eine primärärztliche Steuerung der Versorgung wirklich nennenswerte Vorteile bringt.
Petra SpielbergRue Colonel Van Gele 98B-1040 Brüssel