Noch Zeit zum Schenken
Das bewährte Gespann bestehend aus Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Hessens Ministerpräsident Roland Koch sieht sich am Ziel. Am 5. November präsentierte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, deren Vorsitz sie innehaben, ein Kompromisspaket für die Reform der Erbschaftssteuer. Und jetzt soll alles ganz schnell gehen. Man hofft, das neue Gesetz bereits bis Juli 2008 in Kraft setzen zu können. Noch im Dezember sollen das Parlament und die Länderkammer ihren Segen dazu geben. Das Ringen um die Änderungen brauchte seine Zeit. Die Gründe dafür lagen wie so oft im parteipolitischen Bereich. Denn dank der schlechten Umfrageergebnisse rutschte die SPD nach links und forderte Änderungen am Reformvorschlag. Aber auch die Wirtschaftsverbände pochten auf die Erfüllung ihrer Wünsche bei der Weitergabe von Unternehmen an die Erben.
Wenn sich zwei streiten...
Bei dem Streit ging es hauptsächlich um die diskutierten Steuersätze und um die Höhe der Freibeträge, mit denen die demnächst höher bewerteten Vermögen aus Immobilien belegt werden sollen. Für nahe Verwandte wie Ehepartner, Kinder und Enkel war eine Senkung der Spanne geplant. Die CDU kritisierte, dass dabei große Vermögen weitaus stärker entlastet werden als kleine.
Im Einzelnen sieht die Planung von Steinbrück und Koch so aus: Die Freibeträge für nahe Verwandte werden erhöht. So dürfen Ehegatten gemäß dem Reformvorschlag höhere Freibeträge geltend machen. Statt wie bisher 307 000 Euro dürfen die Eheleute sich dann bis 500 000 Euro steuerfrei beschenken beziehungsweise beerben. Wollen also Eltern bereits zu Lebzeiten Teile ihres Vermögens steuerfrei übertragen, liegen die Grenzen statt wie bisher bei 207 000 Euro dann bei 400 000 Euro. Großeltern, die ihren Enkeln finanziell unter die Arme greifen wollen, dürfen Beträge bis zu 200 000 Euro steuerfrei weiter reichen. Sie mussten sich bislang mit 51 200 Euro begnügen.
Der Vorschlag der Kommission sah ursprünglich eine Senkung der Stufentarife bei der Erbschaftssteuer vor. Doch davon hat sich die Kommission wieder verabschiedet. Auf eine endgültige Version hat sie sich bis jetzt (Stand: 6. November) noch nicht geeinigt. Für die Steuerklasse I, die für Ehegatten und Kinder gilt und derzeit je nach Wert des Erbes zwischen sieben und 30 Prozent liegt, bleibt wahrscheinlich alles beim Alten. Dagegen dürfen die Erben in den Klassen II (entfernte Verwandte) und III (nicht Verwandte) dann vielleicht tiefer in die Tasche greifen: Ihre Sätze betragen heute zwölf bis 50 Prozent. Bei den Freibeträgen mutet die Kommission ihnen sowieso schon schmerzhafte Einbußen zu. Sie erlaubt ihnen nur noch steuerfreie 20 000 Euro.
Zu den Profiteuren der Reform zählen auch diejenigen, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben. Sie werden zwar wie die entfernten Verwandten in der Steuerklasse II eingestuft und müssen sich deshalb mit deutlich höheren Steuersätzen abfinden als Ehepaare. Allerdings steht ihnen dann derselbe Freibetrag wie Verheirateten in Höhe von 500 000 Euro zu.
Höhere Freibeträge und niedrige Tarife sollen einen Ausgleich dafür schaffen, dass sowohl Immobilien als auch Betriebe mit dem aktuellen Verkaufspreis bewertet werden. Denn das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte Anfang des Jahres eine Gleichbewertung von Immobilien und Kapital gefordert. Dennoch legt die Regierung viel Wert darauf, dass in den Familien zumindest das normale Elternhaus abgabenfrei an die nächste Generation weiter gereicht werden kann.
Auch für die Weitergabe von Unternehmen an die Nachfolger verlangen die Karlsruher eine marktgerechtere Bewertung des Vermögens. Damit die Betriebe aber nach der Zahlung der Erbschaftssteuer noch rentabel arbeiten können, sieht der Koch-Steinbrück-Plan ein Schonmodell vor.
Erben, die erfolgreich arbeiten, dürfen die Nachfolge fast abgabenfrei antreten. In zehn Jahren werden 85 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei gestellt, wenn sie zwei Bedingungen erfüllen:
1.Die Lohnsumme darf nicht unter 70 Prozent des Durchschnittswerts der letzten Jahre vor dem Erbfall sinken.
2.Das Betriebsvermögen darf über 15 Jahre nicht unter den Wert zu Beginn der Übergabe fallen. Damit sollen vor allem Arbeitsplätze gesichert werden.
Auf die restlichen 15 Prozent werden Steuern erhoben. Damit sie die jungen Erben aber nicht zu sehr belasten, wird zum Beispiel auch ein als Nachfolger auserkorener Neffe automatisch in die Steuerklasse I eingestuft, in der ihm hohe Freibeträge sicher sind. Für kleinere Betriebe wird es wahrscheinlich eine Freigrenze geben, die sich im Rahmen von 100 000 bis 150 000 Euro bewegt.
Weitere Ausnahmen plant die Kommission bei der Bewertung von vermieteten Immobilien. Möglicherweise wird es einen Abschlag von zehn Prozent bei der Bewertungsgrundlage geben. Auch für die Landund Forstwirtschaft sind Extras geplant.
... muss der Dritte handeln
Die Reform soll rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft treten. Wer möchte, kann bis Ende des Jahres noch zum alten Recht Vermögen an Ehepartner oder Kinder übertragen. Zwar bleibt ihm – wie es derzeit aussieht – nicht mehr Zeit für die Umsetzung, deshalb ist es für ihn wichtig zu wissen, dass für den Fiskus das Datum des Notarvertrags entscheidend ist. Darin enthalten sind alle Angaben für die Eintragung ins Grundbuch. Wann die Eintragung nun tatsächlich erfolgt, ist unerheblich.
Auf ein besonders beliebtes Modell der Übertragung von Häusern auf die nächste Generation müssen Schenkungswillige demnächst leider verzichten. Gemeint ist die sogenannte dauernde Last: Die Eltern übergeben ihren Kindern das Haus oder auch Geldvermögen bereits zu Lebzeiten. Im Gegenzug dazu zahlen Sohn oder Tochter eine Rente, die sie zurzeit als Sonderausgabe von der Einkommenssteuer absetzen können. Diese Methode funktioniert nur dann, wenn die Schenkung so hohe Erträge abwirft, dass das Ruhegeld daraus finanziert werden kann. Die Rentenempfänger müssen die Einkünfte zwar versteuern, unterliegen als Ruheständler jedoch meistens einer geringeren Steuerlast als die Jungen. Diesen Vorteil will Finanzminister Peer Steinbrück im Zuge des Jahressteuergesetzes 2008 streichen. Nicht nur das, er will sogar für alle vor dem 1. Januar getroffenen Verträge den Steuerbonus nach einer fünfjährigen Übergangsfrist 2013 streichen. Das bedeutet, dass alle Familien, die eine entsprechende Vereinbarung getroffen und damit ihre finanzielle Zukunft geplant haben, betroffen sein werden.
Umwandlung möglich
Dennoch dürfte sich auch die Übergangsregelung noch lohnen. Denn die Übertragung von Immobilien, die mit einem sehr geringen Wert angesetzt werden, und die steuergünstige Rentenzahlung für fünf Jahre rechnen sich. Als Alternative bietet sich nach Ablauf der Frist eine Umwandlung in Nießbrauch an. Dabei geht das Haus in das Eigentum der Kinder über, doch die Eltern behalten sich das Recht der Nutzung vor – inklusive der Verantwortung für die Verwaltung. Für sie hält der Münchner Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala einen Tipp bereit: „Wer sich im Alter nicht mehr mit Verwaltungsaufgaben belasten will, schließt mit seinen Kindern oder Enkeln einen Dienstvertrag über die Hausverwaltung ab.“ Er rät aber auch zur Vorsicht. Denn eine Umwandlung in Nießbrauch könnte das Misstrauen des Gesetzgebers erregen. Er könnte darin einen Umgehungstatbestand entdecken und die schöne Idee für gesetzwidrig halten. Um vor bösen Überraschungen dieser Art sicher zu sein, empfiehlt sich die komplette Durchgestaltung des Vertrags vor der Übergabe an die Erben, so dass der Übergang von der „dauernden Last“ in den Nießbrauch problemlos verlaufen kann.
Mit betroffen von der Gesetzesreform wird wahrscheinlich auch die Lebensversicherung sein. Bislang bewertete das Finanzamt die Policen von Kapitallebensversicherungen deutlich niedriger als bares Geld. Die Karlsruher Richter aber verlangen die Gleichbehandlung aller Vermögenswerte. Die Korrekturen werden sich also nicht nur auf die Immobilien beziehen. Bis jetzt begnügte sich der Fiskus mit zwei Drittel der eingezahlten Beiträge, wenn er die Höhe der Erbschaftssteuer für eine Kapitallebensversicherung festsetzte. Demnächst – so vermuten es Experten – dürfte der gesamte Rückkaufwert einer Police der Maßstab für die Höhe der Steuer sein.
Unterm Strich vier Milliarden Euro
Betroffene sollten deshalb jetzt darüber nachdenken, ob sie angesparte Policen schon vorzeitig auf spätere Erben übertragen. Das funktioniert aber nur dann, wenn der Erbe nicht gleichzeitig der Bezugsberechtigte der Lebensversicherung ist. Er müsste dann später die volle Summe versteuern. Wird der Vertrag vor Ablauf übertragen, übernimmt der Beschenkte die Police mit allen Rechten und Pflichten. Er zahlt also auch die Beiträge bis zum Ende der Laufzeit. Ob sich eine vorzeitige Übertragung der Lebensversicherung auf die Erben tatsächlich lohnt, hängt davon ab, wie hoch der Rückkaufwert sein wird. Übersteigt er den geltenden Freibetrag, kann sich der vorzeitige Gang zum Notar lohnen. Zurzeit diskutiert die Kommission über eine deutliche Erhöhung der Freibeträge. Danach soll auch der Betrag, den die Großeltern ihren Enkeln abgabenfrei schenken durften, dem der Kinder angepasst werden. Unterm Strich gibt Berlin vor, sich mit dem bisherigen Ertrag aus der Erbschaftssteuer in Höhe von rund vier Milliarden, die den Ländern zustehen, begnügen zu wollen, nur weniger dürfe es nicht werden.
Da sind die Österreicher ganz anderer Meinung. Die Regierungskoalition in Wien hat im August die Abschaffung der Erbschaftssteuer für Ende Juli 2008 angekündigt. Der deutsche Finanzminister und seine Anhänger fürchten nun, dass es zu einem Exodus der Vermögenden aus Deutschland in die benachbarte Alpenrepublik kommen könnte. Denn ein Doppelbesteuerungsabkommen sah bisher vor, dass in Österreich lebende Deutsche von der bislang schon günstigen Erbschaftssteuer in der Alpenrepublik profitieren können.
Nach dem Beschluss der Wiener Regierung will die Bundesregierung den Abwanderungswilligen nun den Weg versperren: Steinbrück möchte das Abkommen kündigen und stattdessen eine neue Regelung einführen. Danach entkommen nur diejenigen der deutschen Erbschaftssteuer, die schon mehr als fünf Jahre im Ausland gelebt haben und kein Grund- und Betriebsvermögen mehr in Deutschland haben. Darüber hinaus dürfen weder Erben noch Erblasser ihre Wohnsitze in Deutschland haben.
Bei allem Ungemach, die neue Steuerregelungen mit sich bringen, helfen hektische Übertragungen nicht unbedingt. Die neuen Freibeträge werden deutlich über den alten liegen, so dass sich manche Diskussion von selbst erledigt. Wer aber dennoch mit dem Gedanken spielt, sein Vermögen oder Teile davon vorzeitig an seine Nachkommen weiterzureichen, sollte in jedem Fall den Rat eines cleveren Steuerberaters oder -anwalts einholen, sonst kann der Schuss nach hinten losgehen.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de