Verkürzte Zahnreihen aus erweiterter Perspektive
Nach der Begrüßung des Auditoriums durch den Vorsitzenden des Direktoriums der APW, Dr. Norbert Grosse, gab Prof. Michael Walter, Dresden, eine Einführung in die Thematik unter besonderer Berücksichtigung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für die Entscheidungsfindung. Therapieziele sollten aus mehrdimensionaler Sicht und patientenzentriert festgelegt werden, wobei zwischen zahnerhaltenden Maßnahmen und prothetischen Lösungen sorgfältig abgewogen werden sollte.
Privatdozentin Dr. Ingrid Peroz, Berlin, betrachtete verkürzte Zahnreihen aus funktioneller Sicht. Sie ging auf verschiedene Topografien ein und stellte Ergebnisse von Untersuchungen zu Kauvermögen und Kaueffektivität vor. Weiterhin wurde die verkürzte Zahnreihe evidenzbasiert hinsichtlich möglicher Folgen auf das Kiefergelenk zu der kompletten und der durch herausnehmbaren Zahnersatz komplettierten Zahnreihe in Beziehung gesetzt. Mit der Darstellung von Indikationen und Kontraindikationen zum Belassen verkürzter Zahnreihen aus funktioneller Sicht rundete Dr. Peroz ihren Beitrag ab.
Auch vor dem Hintergrund der Möglichkeit der Implantation stand im dann folgenden Teil der Veranstaltung die Frage im Mittelpunkt, wann der Zahnerhalt anzustreben beziehungsweise der richtige Zeitpunkt zur Extraktion gekommen ist.
Auf die Erhaltungswürdigkeit von Zähnen aus parodontologischer Sicht ging Prof. Dr. Thomas Hoffmann, Dresden, ein. Besonderes Augenmerk lag auf Nutzen und Risiken der Parodontitistherapie bei stark vorgeschädigten Seitenzähnen. Evidenzbasiert und anschaulich wurden die vielfältigen Einflussfaktoren auf die Entscheidungsfindung Zahnerhalt versus Extraktion herausgearbeitet.
Auf die Indikationen und Kontraindikationen des Zahnerhalts ging auch Prof. Dr. Edgar Schäfer, Münster, als Vertreter der Endodontologie ein. Als bedeutsames Kriterium wurde dabei herausgestellt, ob der erfolgreich wurzelbehandelte Zahn im Sinne eines Gesamtkonzeptes erfolgversprechend restauriert werden kann. Prof. Schäfer setzte die Endodontie in Beziehung zu alternativen Therapiemöglichkeiten und unterstrich diesbezüglich die minimale Invasivität bei vergleichbaren Erfolgsraten.
Eine Stellungnahme von chirurgischer Seite zum Konzept der verkürzten Zahnreihe übernahm OA Dr. Dr. Michael Thorwarth, Jena. In seinen Ausführungen ging er auf implantologische Versorgungskonzepte sowie Indikationen der Implantation ein. Es wurden die Risiken der chirurgischen Verfahren zur Komplettierung der Zahnreihe im Seitenzahnbereich diskutiert sowie auf das erschwerte Management atropher Strukturen hingewiesen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung standen die therapeutischen Möglichkeiten im Mittelpunkt. Prof. Dr. Ralph Luthardt, Ulm, ging auf die Funktionslevel nach Käyser ein, in denen überlappenden Altersbereichen eine minimal erforderliche Anzahl okkludierender Zahnpaare zugeordnet wird. Er stellte das Erhaltungs- und Therapieziel „Verkürzte Zahnreihe“ als eine Option vorwiegend für Patienten mittleren und höheren Alters vor und begründete dies mit dem geringeren Ausmaß von Elongationen möglicher antagonistenloser Zähne sowie einer höheren Akzeptanz fehlender Zähne. Bei der Behandlung verkürzter Zahnreihen ohne Implantate sprach Prof. Klaus Bönin, Dresden, die Extensionsbrücke, gussklammer- und doppelkronenverankerte Teilprothesen sowie Versorgungsarten mit Präzisionsattachments an. In Hinblick auf bewährte Methoden stellte er spezielle prothetische Optionen, wie die Verwendung von Futtergeschieben und die RPI-Klammer, vor.
OA Dr. Torsten Mundt, Greifswald, betrachtete abschließend die Therapieoptionen der verkürzten Zahnreihe aus implantatprothetischer Sicht. Implantatbasierte Versorgungskonzepte bezeichnete er als Mittel der ersten Wahl sowohl zur Vermeidung reduzierter Funktionsniveaus als auch zur Aufrechterhaltung beziehungsweise Wiederherstellung strategisch bedeutsamer okklusaler Beziehungen.
Die Veranstaltung bot dem Praktiker die Möglichkeit, das Tagungsthema mit seinen vielfältigen Facetten und durchaus unterschiedlichen Sichtweisen – eben kontrovers – zu erleben. Die engagierten Diskussionen im Plenum und in den Pausen zeigten, wie wichtig und fruchtbar der interkollegiale Austausch zu komplexen Fragen sein kann.
ZÄ Juliane PommerUniversitätsklinikum Carl Gustav Carus der TUDresden, Zentrum für ZMKFetscherstraße 74, 01307 Dresden