Die dritte Dimension lässt besser planen
Die Eröffnung des ersten Hauptkongresstages erfolgte durch den Präsidenten der Neuen Gruppe Dr. Eckbert Schulz vor rund 300 Teilnehmern. Zu Beginn referierte Prof. Dr. Jörg Strub aus Freiburg über die prothetisch basierte dreidimensionale Diagnostik und deren intraoperative Umsetzung in der Implantologie. Der überwiegende Anteil implantatprothetischer Planungen in Deutschland erfolgt noch anhand zweidimensionaler Röntgenaufnahmen. So zeigte eine Umfrage im Auditorium, dass rund 20 Prozent der anwesenden Behandler in speziellen Fällen auf dreidimensionale Planungen zurückgreift. Die auf Basis dreidimensionaler Daten durchgeführte präoperative digitale Planung und ihre räumlich exakte Umsetzung in den OP-Situs kann in speziellen anatomischen Situationen ein sichereres, besser vorhersagbares, auf prothetischen Vorgaben basierendes Behandlungsergebnis ermöglichen. Prof. Strub zeigte eine Übersicht über erhältliche Systeme und deren Einsatzmöglichkeit auf. Hier bei wurden kamerabasierte Online-Navigationssysteme (Robodent) und verschiedene neue, mit Führungsschienen arbeitende Offline-Systeme (NobelGuide, Simplant, med-3D) verglichen und ihre jeweiligen systemspezifischen Vor- und Nachteile genannt. Insgesamt ließe sich die Vorhersagbarkeit eines gewünschten prothetischen Resultates durch dreidimensionale Diagnostik und intraoperative Umsetzung steigern.
Auf die Steigerung der Vorhersagbarkeit zum Erreichen von ästhetischen Resultaten ging insbesondere auch Dr. Ueli Grunder aus Zürich ein. In einem praktisch orientierten Vortrag zeigte er ein großes Spektrum an Behandlungsmethoden und deren Möglichkeiten, Limitationen, und Risiken. Beispielsweise das Problem der Versorgung von zwei fehlenden Frontzähnen und der oftmals schwierig zu realisierenden Ausbildung einer Papille zwischen den Implantaten bei nicht optimalen knöchernen Voraussetzungen. In einigen Fällen sei dann die Lösung mit nur einer implantatgetragenen Krone mit anhängendem Pontic ästhetisch zufriedenstellender. Als Augmentationsverfahren für umfangreiche Defekte wurde die Verwendung von autologem Knochen und Knochenersatzmaterialien in Verbindung mit titanverstärkten, nicht resorbierbaren Membranen gezeigt, die aufgrund ihrer Volumenstabilität umfangreiche vertikale und transversale Kieferkammaugmentationen ermöglichen. Die Quote an Dehiszenzen gab der Referent mit 8,8 Prozent an. Dr. Grunder betonte im Speziellen auch die Wichtigkeit der korrekten dreidimensionalen Implantatpositionierung zum Erreichen eines ästhetischen Ergebnisses.
Das Thema der ästhetischen Rehabilitation griff auch Dr. Mauro Fradeani aus Pesaro auf und zeigte seine Herangehensweise bei umfangreichen prothetischen Planungen, um ästhetische Endresultate zu erreichen. Vor jeder Behandlung stehe die ästhetische Analyse, bestehend aus dentogingivaler Analyse (Inzisallinien, Zahnproportionen, interinzisale Dreiecke, Höhe der Lachlinie und mehr), Gesichtsanalyse und funktioneller Analyse. Besondere Herausforderungen stellen hierbei die Versorgung von parodontal geschädigten Patienten oder von anterioren Implantaten dar. Hierbei müssen okklusale Probleme, phonetische Probleme und ästhetische Probleme, wie Zahnelongationen, breite Zahnzwischenräume, weichgewebliche Probleme im Bereich des Zahn-zu-Implantat- und Implantat-zu-Implantat-Kontaktes gelöst werden. Er zeigte Möglichkeiten auf, diesen Problemen durch saubere Planung und Durchführung von chirurgischen und prothetischen Maßnahmen und mithilfe eines adäquaten Weichgewebsmanagments beizukommen. Insbesondere der Auswahl eines geeigneten keramischen Materials und eines kompetenten Zahntechnikers komme eine hohe Bedeutung zu. Dr. Fradeani zeigte die Vorund Nachteile von glaskeramischen, Aluminium- und Zirkonoxidkeramischen Materialien auf und demonstrierte mithilfe von Studiendaten und Überlebensraten materialspezifische Limitationen im Front- und Seitenzahnbereich.
Individuelle Risikobewertung
Am zweiten Hauptkongresstag begann Prof. Dr. Urs Belser aus Genf mit einer aktuellen Übersicht der Behandlungsplanungsprinzipien und der daraus hervorgehenden Entscheidungsfindungskriterien im Zusammenhang mit Implantattherapie im anterioren Oberkiefer. Es wurden Behandlungsprotokolle zur Herstellung von Funktion und Ästhetik im teilbezahnten Kiefer gezeigt und insbesondere auf das Konzept der Frühimplantation/Frühbelastung eingegangen. Hierbei nimmt die individuelle präoperative Risikobewertung verschiedener Faktoren eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung ein. Anhand von Langzeitstudiendaten anteriorer Implantatrestaurationen, die gezielt auch objektivierbare ästhetische Parameter, wie das Vorhandensein von Papillen, Jugae alveolares und die Höhe des vestibulären Gingivaniveaus, beinhalten, zeigte er, welche Verfahren evidenzbasiert zur Erzielung einer zufriedenstellenden Ästhetik herangezogen werden können.
In diesem Zusammenhang ging Belser ebenfalls auf verschiedene mehr oder weniger vorteilhafte Implantatdesigns ein, und es wurden interessante Ergebnisse hinsichtlich des marginalen Knochenabbaus der neuen Bone-Level-Implantate von Straumann vorgestellt.
Unter dem Titel „Keramik in der Implantologie: State of the Art“ berichtete Irena Sailer, Zürich, über den derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand bezüglich der Verwendung von keramischen Abutments, vollkeramischen Kronen und Keramikimplantaten. Neben den ästhetischen Vorteilen wurden Studienergebnisse gezeigt, die die Verwendung von keramischen Abutments aus Aluminiumoxid (Überlebensraten von bis zu 98 Prozent bei Implantatbrücken) und Zirkonoxidkeramik (100 Prozent nach vier Jahren) rechtfertigen Ein weiterer technischer Aspekt ist die Möglichkeit der individualisierten Gestaltung mittels CAD-CAM-Technologie, wobei die Morphologie der periimplantären Weichgewebe berücksichtigt wird. Als Risiko bei der Verwendung von Keramikabutments wurde das Unterschreiten einerMindestwandstärke genannt.
Zwischen Machbarkeit und Patientenwunsch
Dr. Luca Cordaro aus Rom führte in seinem Vortrag die verschiedenen Behandlungsoptionen in Fällen von stark dezimiertem Zahnbestand vor, die sich oftmals in einem Spannungsfeld zwischen Patientenwunsch, realisierbarer Funktion, Ästhetik und Phonetik befinden. Er zeigte Kriterien auf, die für die Entscheidung zwischen festsitzendem und herausnehmbarem Zahnersatz herangezogen werden müssen und demonstrierte eine Herangehensweise, die abhängig vom Ausgangsbefund und anatomischen Verhältnissen eine verzögerte Implantation mit verzögerter Belastung, verzögerte Implantation und Sofortbelastung oder Sofortimplantation und Sofortbelastungen favorisiert.
Zum Abschluss widmete sich Dr. Georgia Trimpou aus Frankfurt der „dem Vorbild der Natur nachgeahmten Implantatprothetik“. Sie zeigte Faktoren auf, die den marginalen Knochenabbau am Implantathals beeinflussen, wie die Größe und Lage des Microgaps sowie sein Verhalten unter mechanischer Belastung am Implantat-Abutment-Interface. Es wurden implantatprothetische Konzepte vorgestellt, um diesen zu minimieren, wobei sie insbesondere auf das Platformswitching und präzise Konusverbindungen zu sprechen kam. Auch wurde auf die große Bedeutung der Zahntechnik hingewiesen, die zum Beispiel durch die Gestaltung von ovate Pontics das Austrittsprofil der implantatgetragenen Krone und die Ausformung von Papillen positiv beeinflusst.
Neben dem Hauptprogramm sind insbesondere die begleitenden Workshops von Zahntechnikermeister Hans-Peter Spielmann, Zürich, und PD Dr. Peter Weigel, Frankfurt, die viele praktische Tipps und Tricks zu bieten hatten, zu erwähnen. Zusammenfassend bot das Tagungsprogramm einen umfassenden, viele Aspekte beleuchtenden Überblick über den aktuellen Stand der Implantatologie und Implantatprothetik.
Termin 2008
Sehr vielversprechend klang auch der Ausblick auf die kommende Jahrestagung vom 11. bis 13. September 2008 im Festspielhaus in Bregenz, welche unter dem Motto „Ästhetik braucht Funktion“ stehen wird und als eine Art Infotainment-Show gestaltet werden soll.
Dr. Christoph BubePodbielskistr. 39030659 Hannoverc.bube@gmx.de