Erweiterte Behandlungsmöglichkeiten bei Nierenkrebs
Wie viele andere Tumore, so wird auch das Nierenzellkarzinom oft erst in fortgeschrittenem Zustand entdeckt. Jeder vierte Patient hat bei Diagnosestellung bereits Metastasen und rund 30 Prozent der Patienten erleiden trotz zunächst anscheinend lokal begrenztem Tumor später doch ein Rezidiv. „Ein kurativer Ansatz ist dann nicht mehr möglich“, erklärte Professor Dr. Jan Roigas, Berlin, bei einer Pressekonferenz in Frankfurt.
Die Prognose ist zudem limitiert: Die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten mit metastasiertem Nierenkrebs beträgt etwa zehn Monate und die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt unter zehn Prozent.
Kaum Reaktionen auf die Chemotherapie
An diesen Zahlen hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert, was auch daran liegt, dass das Nierenzellkarzinom in aller Regel nicht auf die übliche Chemotherapie reagiert. Bei der Behandlung steht deshalb die chirurgische Entfernung des Tumors im Vordergrund. Es folgte meist eine Immuntherapie mit Interferon-alpha oder Interleukin-2, um den Tumor in seinem weiteren Wachstum zurückzudrängen.
Strategie der Targeted Therapy
Seit einigen Jahren aber ist Bewegung in die Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms gekommen. So wurden gleich mehrere Wirkstoffe zugelassen, die das Prinzip der „Targeted Therapy“ verkörpern, also der zielgerichteten Behandlung, bei der geschickt Charakteristika des Tumors oder seiner Umgebung genutzt werden, um dem weiteren Wachstum des Malignoms entgegen zu wirken. Zugelassen wurden verschiedene Wirkstoffe wie etwa Tyrosinkinasehemmer sowie ein sogenannter mTOR-Inhibitor, Substanzen, die Wachstumssignalen des Tumors entgegen wirken. Sie blockieren einzelne Schritte der Signalkaskade, über die solche Wachstumssignale in den Kern der Tumorzelle geleitet werden und diese zur Proliferation anregen.
Ein anderes Prinzip verfolgt der Wirkstoff Bevacizumab, der als jüngstes Mitglied inder Reihe der neuen Therapieoptionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom zugelassen wurde. Es handelt sich um einen Angiogenesehemmer, also um einen Wirkstoff, der die Aussprossung von Blutgefäßen unterbindet. Die Bildung neuer Blutgefäße aber ist für das Tumorwachstum von entscheidender Bedeutung. Sie sichert dem Karzinom die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen, wenn dieses zu einer Größe herangewachsenen ist, bei der die Versorgung per Diffusion alleine nicht mehr möglich ist.
Die Tumore bilden daher Wachstumsfaktoren wie den VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor), der seinerseits die Gefäßbildung anregt. Bevacizumab ist ein Antikörper, der sich spezifisch gegen den angiogen wirkenden Wachstumsfaktor VEGF richtet, diesen abfängt und damit die Tumor-Angiogenese unterbindet. Das Prinzip hat sich, so Roigas, bereits beim Darmkrebs, Brustkrebs und Lungenkrebs als erfolgreich erwiesen und bei diesen Tumoren ebenfalls das therapeutischeArsenal erweitert.
Progressionsfreies Überleben
Dass der Antikörper auch beim Nierenzellkarzinom wirksam ist, belegten nach Professor Dr. Gerald Mickisch, Bremen, die Daten der AVOREN-Studie, einer Phase-III-Studie bei 649 Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom, die doppelblind und placebokontrolliert den Wirkstoff zusätzlich zur Standardtherapie mit Interferon-alpha erhielten.
Die Patientengruppe, die mit dem Angiogenesehemmer behandelt worden war, erzielte dabei mit 31,4 Prozent eine deutliche höhere Ansprechrate als unter der alleinigen Interferon-Behandlung (12,8 Prozent). Außerdem war laut Mickisch das mediane progressionsfreie Überleben fast doppelt so lang, es stieg von 5,4 auf 10,2 Monate an. „Die zusätzliche Angiogenesehemmung war damit der Standardtherapie signifikant überlegen“, betonte der Urologe. Unerwartete Nebenwirkungen traten nach seiner Darstellung in der Studie nicht auf, die zusätzliche Behandlungsoption wurde allgemein gut vertragen.
Ob sich wie bei anderen Tumoren auch eine Verlängerung des Gesamtüberlebens beim Nierenzellkarzinom durch Bevacizumab erreichen lässt, ist noch nicht klar, da die Daten hierzu noch nicht vorliegen. Unwahrscheinlich ist ein solcher Effekt nicht, wie Professor Dr. Jürgen Wolf aus Köln anhand der Daten beim metastasierten kolorektalen Karzinom und beim metastasierten Bronchialkarzinom darlegte. Bei diesen beiden Tumoren bewirkt Studien zufolge die Angiogenesehemmung mit Bevacizumab auch ein längeres medianes Überleben der Patienten.
Christine VetterMerkenicher Straße 22450735 Köln