Neuartiges Antidiabetikum – gute Alternative zu Insulin
Das neue Antidiabetikum Exenatide ist der erste Vertreter der Gruppe der Inkretin-Mimetika. Das sind Wirkstoffe, die ebenso wie das Darmhormon (Inkretinhormon) GLP-1 (Glucagon-like-Peptid) die Insulinsekretion steuern, und zwar in direkter Abhängigkeit von der Höhe der Blutzuckerspiegel. Exenatide ahmt damit ein physiologisches Prinzip nach: GLP-1 wird im Darm auf einen Glukosereizhin gebildet und kurbelt in der Bauchspeicheldrüse die Insulinproduktion an. Ebenso wirkt Exenatide: Der Wirkstoff stimuliert ebenfalls die Insulinproduktion im Pankreas und führt so zu einer nachhaltigen Blutzuckersenkung. Da dies wie beim GLP-1 nur bei erhöhten Glukosespiegeln geschieht, drohen unter einer alleinigen Behandlung mit Exenatide, anders als zum Beispiel unter einer Insulintherapie, keine Hypoglykämien.
Physiologisches Wirkprinzip
Wie GLP-1, so hemmt auch Exenatide darüber hinaus die Glukoneogenese in der Leber, wirkt auf das Sättigungszentrum im Gehirnund verzögert die Magenentleerung.Das hat in aller Regel zufolge, dass die Patienten weniger essen und somit langfristig an Gewicht abnehmen, ein günstiger Effekt, da speziell Typ 2-Diabetiker in der Mehrzahl der Fälle übergewichtig sind. „Exenatide ist damit eine gute Alternative zu einer Insulintherapie“, betonte Professor Dr. Oliver Schnell aus München bei der Vorstellung des neuen Antidiabetikums in Berlin.
Das belegen zwei Vergleichstudien, in denen der Wirkstoff eine dem Insulin ebenbürtige Wirksamkeit aufwies. Eine Vergleichsstudie bei 253 Patienten, die nur Metformin plus Sulfonylharnstoff erhalten hatten, ergab, dass sie keine adäquate Blutzuckerkontrolle erreichten. Verabreichte man ihnen jedoch ergänzend Exenatide, so erfolgte eine ebenso gute Blutzuckersenkung wie bei der zusätzlichen Behandlung mit einem Mischinsulin. In beiden Studienarmen wurde außerdem eine deutliche Reduktion des HbA1c-Wertes gesehen, also des Wertes, der als Maß für die langfristige Blutzuckerkontrolle angesehen wird. Unter Insulin sank das HbA1c um 0,89 Prozent und unter Exenatide sogar noch ein wenig ausgeprägter um 1,04 Prozent.
Die gute Blutzucker senkende Wirksamkeit von Exenatide zeigte sich unter anderem auch darin, dass bei jedem dritten Patienten durch die Therapie ein HbA1c von 7 Prozent erreicht wurde und bei jedem fünften Patienten sogar ein HbA1c-Wert unter 6,5 Prozent, was einer deutlich verbesserten Blutzuckereinstellung entspricht. Auffällig war außerdem ein günstiger Gewichtsverlauf unter dem Inkretin-Mimetikum: Die Patienten nahmen 2,5 Kilogramm ab, unter dem Mischinsulin jedoch 2,9 Kilogramm zu. Eine zweite Vergleichsstudie bei 114 Typ 2-Diabetikern bestätigte die vergleichbare klinische Wirksamkeit gegenüber Insulin mit sogar deutlich stärkerer Besserung der postprandialen Blutzuckeranstiege unter Exenatide.
Vorteile gegenüber Insulin
Bei folglich gleich guter Wirksamkeit weist Exenatide laut Professor Schnell einige Vorteile gegenüber Insulin auf. Zwar muss der Wirkstoff auch subkutan injiziert werden, dies aber geschieht zweimal täglich in einer Standarddosierung. „Wiederholte Blutzuckermessungen wie sie bei der Insulintherapie erforderlich sind, sind bei der neuen Behandlungsoption nicht notwendig“, berichtet der Mediziner. Das ist nach seinen Worten komfortabler für die Patienten und spart zugleich Kosten.
Wichtiger aber noch dürfte das deutlich geringere Risiko einer Hypoglykämie unter der Behandlung sein und die Tatsache, dass Exenatide die Gewichtsabnahme fördert.
Die meist übergewichtigen Patienten nahmen in den vorliegenden Studien im Schnitt immerhin 4,5 Kilogramm in zwei Jahren ab.
Die Krankheitsprogression aufhalten
Für viele Patienten ist Exenatide nach Schnell somit gegenüber Insulin die bessere Wahl, wenn mit oralen Antidiabetika alleine keine befriedigende Blutzuckereinstellung mehr gelingen will. Seine Bedeutung könnte künftig noch zunehmen. Denn es gibt tierexperimentelle Befunde, wonach Exenatide die Betazelldysfunktion bessert und die Betazellmasse wieder ansteigen lässt. Das aber deutet an, dass die Substanz möglicherweise die Progression der Stoffwechselstörung aufhalten kann, ein Effekt, der bislang so beim Menschen noch nicht belegt werden konnte.
In den USA ist der neue Wirkstoff seit mehr als einem Jahr verfügbar, nun wurde er auch in Deutschland zugelassen. Er wird bei der Behandlung von Patienten eingesetzt, bei denen durch Metformin und/oder Sulfonylharnstoff eine adäquate Blutzuckerkontrolle nicht erwirkt werden kann. Das Arzneimittel wurde in 35 kontrollierten Studien bei mehr als 4 000 Patienten mit Typ 2-Diabetes geprüft. In den Studien wurde dokumentiert,dass die Substanz die Blutzuckerkontrolle nachhaltig bessert und ein gutes Sicherheitsprofil besitzt.
Christine VetterMerkenicherstraße 22450735 Köln