Europäische Tabakpolitik und Gesundheitsschutz

Nicht immer logisch

Heftarchiv Gesellschaft
Raucher haben es schwer. In zahlreichen europäischen Ländern ist es ihnen inzwischen untersagt, am Arbeitsplatz, in Hotels und Restaurants oder in öffentlichen Transportmitteln ihrer Sucht nachzugehen. EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou ist dennoch nicht zufrieden. Er träumt von einer gänzlich vom Tabakrauch befreiten Europäischen Union (EU) Dabei will ihm ausgerechnet die Tabakindustrie helfen.

Dass gerade die Hersteller von Tabakerzeugnissen beim EU-Gesundheitskommissar vorstellig werden, um für rauchfreie Alternativen zu werben, mag überraschen. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Vorgehen der Tabakindustrie als geschickte Strategie. Immerhin gehören nebenZigaretten und Zigarren auch rauchfreie Produkte zum Sortiment vieler Tabakhersteller. Hierzu zählen insbesondere Kautabak, Schnupftabak oder der in Norwegen und Schweden beliebte sogenannte feuchte Mundtabak. Dabei handelt es sich um einen mit Salzen und Aromen versehenen Tabak, der in kleinen Portionen zwischen Lippe und Zahnfleisch geschoben wird und dort seine nikotinhaltige Wirkung entfaltet.

Marktführer für feuchten Mundtabak in Europa ist das schwedische Unternehmen Swedish Match. Es darf sein als „Snus“ bezeichnetes Produkt allerdings nur innerhalb der eigenen Landesgrenzen verkaufen. Denn eine Richtlinie aus dem Jahre 1992 verbietet den EU-weiten Handel mit feuchtem Mundtabak. Bei ihrem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1995 hatten die Schweden der EU aber eine Ausnahmeregelung abgerungen, da der Konsum von „Snus“ in Schweden seit langem weit verbreitet ist.

Seither versucht Swedish Match immer wieder, das EU-weite Vertriebsverbot zu kippen, um sich neue Märkte zu erobern. Gemeinsam mit Tabakaktivisten wirbt das Unternehmen damit, dass „Snus“ wesentlich gesünder sei als Rauchen und zudem keine Nichtraucher schädige. Auch sei der Handel mit Kau- und Schnupftabak überall in der EU erlaubt. Es sei daher nicht gerechtfertigt, Rauchern den Zugang zu einer weniger gesundheitsgefährdenden Alternative zu verwehren, so Swedish Match.

Ärzte und Zahnärzte warnen

Ärzte und Zahnärzte warnen hingegen vor dem Genuss des feuchten Mundtabaks. Denn der Konsum führe unstreitig zur Sucht. Die Produkte enthielten zudem ebenso wie Rauchwaren gesundheitsgefährdende Stoffe, wie Nikotin, Nitrosamine, Schwermetalle und Aldehyde, so die österreichische Initiative Ärzte gegen Raucherschäden. Der Gebrauch von „Snus“ halte Raucher zudem davon ab, auf arzneimittelrechtlich geprüfte Nikotinersatzpräparate, wie Kaugummi oder Pflaster, umzusteigen, die ihnen im Gegensatz zum Mundtabak den Ausstieg aus der Sucht ermöglichen sollen.

Klare Belege dafür, dass der Genuss von „Snus“ Raucher zu einem Verzicht auf Zigaretten verleite, fehlten zudem bislang, kritisiert der Council of European Dentists (CED) in Brüssel. Dies betonte er auch in einer Stellungnahme, die er im Zuge des EU-Konsultationsprozesses gegenüber dem Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR) abgab. Dieses unabhängige wissenschaftliche Gremium berät die EU-Kommission in Gesundheitsfragen. Die EU solle vielmehr geprüfte und sichere Methoden der Nikotinsuchtprävention unterstützen, so der CED.

Swedish Match hingegen versichert, dass der geringe Prozentsatz an Rauchern in Schweden – nur etwa 17 Prozent der Schweden greifen regelmäßig zum Glimmstängel – auf den weit verbreiteten Konsum von „Snus“ zurückzuführen sei.

Auch das von Kyprianou beim SCENIHR in Auftrag gegebene Gutachten kommt lediglich zu dem Schluss, dass der vergleichsweise geringe Zigarettenkonsum in Schweden ebenso das Ergebnis erfolgreicher Anti- Raucher-Kampagnen sein könne.

Zwar schade „Snus“ der Gesundheit offensichtlich weniger als vergleichbare Produkte, so die Fachleute. Dies gelte vor allem für das Risiko, an Lungen- oder Bauchspeicheldrüsenkrebszu erkranken. Dennoch sei auch der schwedische Mundtabak generell gesundheitsgefährdend. So führe der Genuss beispielsweise zu Läsionen in der Mundschleimhaut sowie zu einem irreversiblen Zahnfleischschwund. Hinzu käme ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Bluthochdruck, Diabetes oder andere Stoffwechselstörungen.

Ob es trotz der Bedenken der Wissenschaftler, Ärzte und Zahnärzte dazu kommt, dass das europäische Handelsverbot für feuchten Mundtabak kippt, ist ungewiss. Die Kommission prüft derzeit eine solche Möglichkeit.

Auch folgt die europäische Politik nicht immer den Gesetzen der Logik. So setzt sich die Kommission seit Jahren vehement dafür ein, die Nikotinsucht zu bekämpfen. Die Mittel hierfür zweigt sie wiederum aus dem europäischen Subventionstopf für den Tabakanbau ab. Und der war in den vergangenen Jahren stets gut gefüllt. Letztes Jahr beispielsweise flossen 321 Millionen an Beihilfen. Der Kampf gegen den Tabakkonsum ist der EU hingegen lediglich fünf Prozent davon wert.

Petra SpielbergRue Belliard 197/b4B-1040 Brüssel

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