Geothermie

Erdwärme - der heiße Kern

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Lange Zeit interessierten sich weder Häuslebauer noch Investoren ernsthaft für Erdwärme. Doch seit die Bundesregierung die Nutzung der Energie aus dem Inneren der Erde fördert und die anderen Energiepreise explodieren, hat sich die Geothermie zum heißen Thema entwickelt. Für preiswertes Heizen stehen die Chancen gut, doch Anleger müssen auf gute Angebote noch warten.

Der Gedanke an den nächsten Winter lässt die Menschen jetzt schon frösteln, denn er dürfte ziemlich teuer werden. Zwar hat der Ölpreis seit dem Höchststand von 147,50 Dollar in den letzten Tagen etwas nachgegeben. Doch seine derzeitige Höhe von 127 Dollar pro Barrel (Stand: 23. Juli 2008) bedeutet mehr als eine Verdopplung innerhalb eines Jahres.

Wer sein Zuhause mit Gas wärmt, muss sich ebenfalls mit Preissteigerungen von 20 Prozent und mehr für diesen Herbst anfreunden. Doch nicht nur die fossilen Brennstoffe werden allmählich unbezahlbar, auch die Strompreise ziehen – berechtigt oder nicht – stetig an. Die Atombefürworter freut’s, denn in ihrer Not rufen viele Politiker wieder nach der umstrittenen Energiequelle. Ihr Argument: Die alternativen Energien reichen nicht aus, um in Zukunft den Bedarf zu befriedigen. Sonne und Wind stehen in der Tat nicht ständig zur Verfügung. Außerdem sind die weithin sichtbaren Windräder nicht gerade eine Zierde der Landschaft.

Als eine mögliche Lösung bietet sich die Geothermie an. Auf Deutsch bedeutet der aus dem Griechischen stammende Begriff Erdwärme. Gemeint ist damit die Energie, die in der Erde gespeichert und von dort abrufbar ist. Sie entsteht durch den Zerfall radioaktiver Isotope. Zum Teil stammt sie auch aus der Zeit, in der die Erde entstanden ist. So herrschen in ihrem innersten Kern, dessen Durchmesser fast 7 000 Kilometer beträgt, Temperaturen von mehr als 5 000 Grad. Geht man nur von der äußeren Kruste mit einer Dicke von zehn Kilometern aus, so nehmen Experten an, dass allein die in diesem Bereich gespeicherte Energie dem 210 000-Fachen des weltweiten Verbrauchs im Jahr 2004 entspricht.

In Deutschland reichen die Vorkommen, um das 600-Fache des Jahresstrombedarfs zu decken. Bislang aber entfallen noch nicht einmal zwei Prozent der weltweiten Stromerzeugung auf Geothermie. Dabei weist diese Quelle zwei Riesenvorteile auf, die sich eigentlich nicht bewerten lassen: Die Wärme aus dem Inneren der Erde kostet nichts und steht im Gegensatz zu Wind und Sonne jederzeit zur Verfügung.

Der Schatz von Mutter Erde

Sehr gute Bedingungen hierzulande existieren im Oberrheingraben. Er reicht vom Südrand des Taunus bis in den Schweizer Jura. In Tiefen von 2 500 bis 4 000 Metern herrschen dort Temperaturen von mehr als 150 Grad. Das heiße Untergrundwasser ist gut zu erreichen. Attraktiv für Bohrungen ist auch das Molassebecken zwischen Donau und Alpen. Eine Besonderheit ist der geringe Mineralgehalt des Wassers. Das bedeutet, dass die Korrosionsgefahr für die Anlagenteile hier relativ gering ist.

Das sieht im Norddeutschen Becken anders aus. Die Tiefenwässer sind stark mineralisiert. Hier herrschen erst in einer Tiefe von 4 000 bis 5 000 Metern Temperaturen zwischen 140 und 160 Grad.

Für die Stromgewinnung eignen sich zwei Methoden: Bei der Hydro-Geothermie sucht man nach heißem Wasser in Gestein bis zu 5 000 Metern Tiefe. Es wird an die Oberfläche gefördert, um ihm dort die Wärme mit Wärmetauschern zu entziehen. Die andere Methode ist das Petrothermale Verfahren – auch Hot Dry Rock (HDR) genannt. Es nutzt heiße Gesteinsschichten in bis zu 7 000 Metern Tiefe. Um an die Wärme zu gelangen, wird Wasser von der Erdoberfläche in das heiße Gestein gepresst. Über eine zweite Bohrung wird das heiße Wasser wieder entzogen.

Inzwischen produzieren mehrere Geothermie- Kraftwerke Strom aus Erdwärme, indem sie heißes Wasser fördern, so zum Beispiel schon seit 2003 in Neustadt-Glewe, seit 2007 in Unterhaching und Landau. Seit Kurzem arbeitet im Elsass nahe der deutschen Grenze in Soultz-sous-Forets das erste Kraftwerk mit HDR. An Attraktion gewonnen hat die Erdwärme, seitdem das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) reformiert wurde und die Geothermie eine stärkere Förderung erfährt. Danach steigt die Einspeisevergütung von Erdwärmestrom ab Januar 2009 auf 27 Cent pro Kilowattstunde. Das nächste Erdwärme-Kraftwerk wird wohl im Herbst in Bruchsal seine Arbeit aufnehmen. Zurzeit befinden sich 150 Kraftwerke in der Planung.

Wer privat Erdwärme als Energiequelle nutzen möchte, kann – wenn er zum Beispiel in Unterhaching wohnt – sich an das dortige Fernwärmenetz anschließen lassen. Hausbesitzer können sich eine eigene Quelle mithilfe einer Wärmepumpe erschließen. Ihre Funktionsweise ist schnell erklärt: Sie arbeitet nach dem Kühlschrank-Prinzip. Dabei wird der Luft im Erd-Inneren Wärme entzogen und mit höherer Temperatur über die Kühlschlangen auf der Rückseite wieder an die Umgebung abgegeben. Die Wärmepumpe holt sich die Wärme aus ihrer Umgebung. Luft, Erde oder Wasser dienen dabei als Träger.

Als idealer Wärmelieferant bietet sich Grundwasser an. Es hat den höchsten Anteil an Umweltwärme: 80 Prozent der zum Heizen benötigten Menge. Dazu sind zwei Bohrungen nötig: eine zum Pumpen und die andere für die Rückführung. Dabei werden dem gepumpten Wasser, das zwischen 10 und 14 Grad warm ist, zirka 2 bis 4 Grad entzogen. Das abgekühlte Wasser wird wieder dem Grundwasser zugeführt. Leider sind die Bedingungen für diese Methode häufig nicht gegeben, weil nicht genügend Grundwasser vorhanden ist.

Deshalb greift man zur zweitbesten Methode: der Nutzung von Erdwärme. Sie liefert bis zu 75 Prozent der Energie für ein warmes Zuhause. Als Hilfsmittel, um diesen Schatz zu heben, bieten sich zwei Lösungen an:

Erdwärmesonden

Dafür bohrt man ein Loch bis zu einer Tiefe von 100 Metern. Darin wird eine Erdwärmesonde eingeführt. Gefüllt mit einer Mischung aus Wasser und dem Frostschutzmittel Glykol und angetrieben von einer kleinen Umwälzpumpe nimmt sie Wärme auf und gibt sie wieder ab. Über den Daumen gepeilt spenden Erdsonden zirka 30 bis 50 Watt pro Meter Tiefenbohrung.

Erdwärmekollektor

Dabei werden keine tiefen Bohrlöcher gegraben, sondern die Kunststoffrohre im Garten verlegt. Dazu reicht eine Tiefe von 1,20 Metern, um die notwendige Wärme aus dem Erdreich zu gewinnen. Dieses System arbeitet wie die Sonde auch mit Sole, die in das Rohrsystem gepumpt wird. Wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Funktionieren ist eine ausreichende Länge der Rohre. Wie lang sie sein müssen, hängt von der Wärmeleitfähigkeit des Bodens und der für das Haus benötigten Energiemenge ab. Ein Quadratmeter Boden liefert 15 bis 40 Watt Erdwärme. Benötigt wird eine Fläche, die etwa 1,5- bis zweimal so groß ist wie die Wohnfläche.

Als dritte Energiequelle bietet sich die Außenluft an. Sie kann bis zu 65 Prozent der notwendigen Energiemenge liefern. Eine draußen oder im Inneren des Gebäudes aufgestellte Wärmepumpe nimmt mithilfe eines Ventilators die Luft auf und entzieht ihr die Wärme.

Ein gutes Klima gepumpt

Neben der hohen Umweltverträglichkeit und den auf Dauer niedrigen Betriebskosten dieser Technik verspricht der Einbau einer Wärmepumpe einen weiteren Vorteil: Wer seine Wärmepumpe mit einem zusätzlichen Wärmetauscher ausstattet, kann die Heizung zur Klimaanlage umfunktionieren. Dann kühlt die Sole das Wasser im Heizungskreis und sorgt so bei Hitze für angenehm niedrige Raumtemperaturen.

Voraussetzung dafür ist eine Flächenheizung, entweder auf dem Fußboden oder an der Wand. Sie eignet sich besser für das Erdwärme- System, weil sie mit einer niedrigeren Vorlauftemperatur von etwa 40 Grad arbeitet. Radiatoren benötigen 55 Grad – dafür reicht die aus der Erde geförderte Wärme nicht, erst zusätzlicher Einsatz von Strom hebt die Temperaturen auf ein kuscheliges Niveau.

Optimieren lässt sich das System, indem die Wärmepumpe mit einer Solaranlage kombiniert wird. Über sie kann im Sommer das Wasser gewärmt werden. Als Alternative bietet sich die Kraft-Wärme-Kopplung an. Leider lohnt sich deren Einsatz in Deutschland bislang nur für größere Objekte. Grundsätzlich sollten Häuser, die mit einer Wärmepumpe beheizt werden, gut gedämmt sein.

Kluge Hausbesitzer, die sich für diese Technik entscheiden, holen sich den Rat eines Experten. Der kann beurteilen, ob sich der Aufwand lohnt. Außerdem ist die Genehmigung der jeweiligen Aufsichtsbehörde erforderlich. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel stellt die Untere Wasserbehörde die wasserrechtliche Erlaubnis aus.

Trost von Vater Staat

Viele Stromversorgungsunternehmen, wie EnBW in Baden-Württemberg, fördern den Einbau einer Wärmepumpe mit günstigen Stromtarifen. Ein Trost, denn die Investitionen, die auf den Haubesitzer zukommen, sind ziemlich hoch. So kostet eine gute Wärmepumpe knapp 10 000 Euro. Hinzu kommen die Kosten für den Einbau und mehrere tausend Euro für die Erschließung der Erdwärmequelle. Am sinnvollsten ist es, die Erdwärmetechnik in die Planung eines Neubaus einzubeziehen. Für Altbauten ist der Aufwand möglicherweise zu groß, auch wenn der Staat Fördermittel für den Einbau privater Wärmepumpen bereitstellt. Über die Hausbank können Interessenten günstige Kredite bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau beantragen. Darüber hinaus gibt es finanzielle Unterstützung auch von Seiten der Gemeinden und der Länder. Am Ende dürfte die Rechnung aufgehen.

Die Geothermische Vereinigung vergleicht die Kosten für einen jährlichen Energiebedarf von 18 000 Kilowatt-Stunden, wenn sie mit Gas, Öl oder mit Erdwärme erzeugt werden. Auf der Basis der Preise von März 2007 ergibt sich, dass die Mehrkosten für den Einbau einer Wärmepumpe bei 5 500 Euro (Öl) und 9 200 Euro (Gas) liegen. Doch dank der niedrigeren Betriebsausgaben hat die Wärmepumpe am Ende die Nase vorn. Denn die jährlichen Betriebskosten unterbietet sie gegenüber Öl mit 930 Euro und Gas mit 830 Euro. Die Erdwärmesondenanlage rechnet sich demnach gegenüber einer Ölheizung nach sechs und gegenüber einer Gasheizung nach elf Jahren.

Der Boom bei der Erdwärme nimmt dank des EEG derzeit an Fahrt auf. Das beflügelt auch die Fantasie der Anleger. Sie hoffen auf ähnlich gute Verdienstmöglichkeiten wie sie die Solarindustrie zu bieten hatte.

Doch bislang gibt es kaum interessante und risikoarme Gelegenheiten, an der Entwicklung der Geothermie teilzuhaben. Von den börsennotierten Unternehmen beschäftigt sich das westfälische Familienunternehmen Daldrup & Söhne mit Geothermie. Der Bohrspezialist ging Ende letzten Jahres an die Börse. Seitdem hat der Kurs der Aktie deutlich angezogen. Sie startete mit 13,50 Euro und stand Mitte Juli bei rund 34 Euro. Interessant ist der amerikanische Erdwärme- Spezialist Ormat. Er baut geothermische Kraftwerke. Bislang produziert er 410 Megawatt. Damit kann er 330 000 amerikanische Haushalte versorgen. Erdwärmepumpen stellt die Schweizer Firma Schulthess her. Auch der Kurs dieser Aktie profitiert vom steigenden Ölpreis und dem rasant zunehmenden Interesse an alternativen Energien.

Anleger, die schon aus Gründen der Risikostreuung lieber in einen Fonds investieren, werden beim Thema Erdwärme kaum fündig. Das bedauert auch Erol Bilicen, Leiter der Client Services bei der Bank Sarasin in Basel: „Wir würden gerne mehr in Geothermie investieren, doch leider bietet sich nichts an.“ Wer auf alternative Energien setzt, für den können die Sarasin Fonds New Power und New Energy interessant sein; die legen ihren Schwerpunkt aber auf Sonne und Wind. Lediglich Schulthess und Ormat sind mit kleinen Aktienanteilen vertreten.

Von den hohen Gewinnaussichten im Geschäft mit der Geothermie versuchen derzeit verschiedene Anbieter geschlossener Fonds, zum Beispiel Green Energy oder Sachsenfonds Investoren, zu überzeugen. Doch Verbraucherschützer Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart rät von der Beteiligung an geschlossenen Geothermie-Fonds ab: „Sie sind viel zu riskant. Denn niemand weiß, bevor eine Bohrung beginnt, ob man auch fündig wird. Bis tatsächlich ein geeigneter Ort gefunden wird, können schon einige Millionen Euro verbraucht sein.“

Das Fündigkeits-Risiko stellt auch für Werner Bußmann, Geschäftsführer des Verbandes Geothermie, das größte Risiko dar: „Wenn es dafür eine gute Versicherung gibt, kann es eine lukrative Sache sein, in den Bau von Geothermie-Kraftwerken zu investieren. So aber ist das Risiko zu hoch.“ Denn jeder gebohrte Meter kostet zwischen 1 500 und 2 000 Euro. Wenn da etwas schief geht und mehrere Bohrungen nötig sind, um fündig zu werden, gehen die Kosten in die zig Millionen.

Schwierigkeiten bei der Bohrung führten auch in Unterhaching dazu, dass die veranschlagten Kosten von 36 Millionen Euro sich am Ende fast verdoppelt hatten. In Basel mussten die Arbeiten an dem ersten Hot Dry Rock-Pilotprojekt stillgelegt werden, weil in der Umgebung die Erde gebebt hat. Nach den Ursachen wird geforscht.

Die bislang gewonnenen Erfahrungen werden sich auszahlen. Denn Erdwärme ist eine nachhaltige Energiequelle. Wird sie dem Untergrund entzogen, fließt sie wieder nach. Solange der Mensch nicht übertreibt.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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