Expertenforum in Karlsruhe

Zahnarzt als Spezialist mit Überblick

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Neben dem Hausarzt etablieren sich immer mehr Fachärzte im System. Aber wieviel Spezialisierung brauchen wir eigentlich? Und bei wem ist der Patient besser aufgehoben? Um dieses heiße Eisen ging es beim Expertenforum der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe.

Die Ausdifferenzierung der medizinischen Profession sei zwar Voraussetzung für mehr Leistung im Gesundheitswesen, aber nicht ohne Nebenwirkungen, erläuterte Prof. Dr. Bernt-Peter Robra aus Magdeburg: „Es entstehen Nischen mit Spezialisten – und die damit verbundenen Schnittstellen führen zu einer Fragmentierung in Bezug auf Diagnose und Therapie.“ Tendenziell führten erfahrene Spezialisten besondere Behandlungen zwar besser durch. Einer OECD-Studie zufolge steige jedoch die Qualität bei sinkenden Kosten pro Patient, wenn mehr Allgemeinärzte im System arbeiten.

Primat Primärversorgung

Ein Gesundheitssystem, das seinen Schwerpunkt auf die Primärversorgung legt, verbessere also die gesundheitlichen Ergebnisse gegenüber einem mit Konzentration auf Spezialisten. Warum? „Ganz einfach: Die Versorgung wird besser gesteuert“, erklärte Robra. Der Hausarzt werde zum „Gatekeeper“, der die Patientenversorgung in dem komplexen System koordiniert und dadurch auch beschleunigt.

„Eine Zusammenschau der Facharztbesuche durch den Generalisten ist nötig“, bestätigte Prof. Jochen Gensichen aus Jena. Die Patienten vertrauten dem Hausarzt, und genau dieses Vertrauen sichere die Akzeptanz in die Primärversorgung. Diese werde aufgrund der Demografie freilich vor neue Herausforderungen gestellt: „Die Versorgung chronisch Kranker ist heute das Kerngeschäft des Hausarztes!“ Doch auch hier eigne sich die Hausarztpraxis als zentrale Anlaufstelle, um Chroniker und Multimorbide zu versorgen und ihre Weiterbehandlung durch Fachärzte im System zu steuern. „Ein chronisch Kranker, der vom Schirm verschwindet, ist eine Katastrophe“, betonte Gensichen. Akademiedirektor Prof. Dr. Wilfried Walther pflichtete ihm bei: „Ihn auf dem Radar zu halten – das kann nur der Hausarzt leisten.“

Generalistische Klammer

Dass der Zahnarzt im Unterschied zum Allgemeinmediziner von Anfang an Spezialist ist, nämlich Arzt für orale Erkrankungen, betonte Dr. Günther E. Buchholz, stellvertretender Vorsitzender der KZBV. „Eine Schwerpunktbildung kann zwar durchaus angebracht sein, eine weitere Auffächerung in Klein-klein macht dagegen überhaupt keinen Sinn“, stellte Buchholz klar. „Der springende Punkt ist, dass der Zahnarzt den Gesamtfokus nicht aus dem Blick verliert.“ Insofern sei das Spektrum zahnärztlicher Berufstätigkeit auch größer geworden – ein Spezialistentum in Form neuer Fachbereiche habe sich jedoch nicht entwickelt. Stattdessen im Kommen: die postgradualen Masterstudiengänge. Wer sich spezialisiert, versuche eben eine Nische im heiß umkämpften Markt zu besetzen. Groß sei daher auch die Versuchung seitens der Verbände, Claims abzustecken und diese exklusiv zu beanspruchen. „Im Endeffekt ist der Wert der Spezialisierung aber nur dann zu greifen, wenn es eine generalistische Klammer gibt“, betonte Buchholz. „Ansonsten erhält der Patient keine Behandlung mehr aus einer Hand und die Teildisziplinen existieren unkoordiniert nebeneinander – was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.“ Buchholz: „Mit seiner Zersplitterung hat der ärztliche Berufsstand seine Verhandlungsposition im GKVSystem geschwächt. Diese Entwicklung ist für Zahnärzte nicht wünschenswert.“ In Sachen Selektivverträge plädiere die KZBV daher für eine kollektivistische Form, an der jeder partizipieren kann und die einen Benefit für Patient wie Zahnarzt zum Ziel hat. Auf mögliche Gefahren der Spezialisierung wies Dr. Michael Schulze, Vorsitzender des Weiterbildungsausschusses der Landesärztekammer Baden-Württemberg, hin: Lange Weiterbildungszeiten und eine frühzeitige Spezialisierung führten die Mediziner unter Umständen beruflich in die Sackgasse. Mit festgelegten Curricula könne man dieser Unsicherheit begegnen. Dass der Trend zur Spezialisierung auch den Wunsch des Zahnarztes nach Profilierung widerspiegelt, verdeutlichte Dr. David Klingenberger vom Institut der deutschen Zahnärzte (IDZ) in Köln. Caries Decline, die Zahnarztdichte und eine hohe Zahnarztbindung machten es dem einzelnen Behandler häufig schwer, neue Patienten dazu zu gewinnen. Arbeitsschwerpunkte seien deshalb für viele Praxen ein Ausweg, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Allerdings stehe am Ende vielfach die Ernüchterung. Klingenberger: „Ein klarerer übergeordneter Rahmen könnte dem Zahnarzt dabei helfen, sich zu orientieren.“

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