Die schönsten Wochen des Jahres
Wer selbständig tätig ist, trägt Verantwortung und genießt Privilegien: Er kann in einem bestimmtem Rahmen eigene Entscheidungen treffen, kann seine Praxis führen wie er es für richtig hält. Und er legt fest, wann und wie lange er in den Urlaub fährt. So weit, so gut. In der Realität führt die Freiheit des Reisens durchaus zu Problemen. Denn während abhängig Beschäftigte in der Regel lediglich einen halbwegs sortierten Arbeitsplatz hinterlassen müssen, um an den Strand entschwinden zu können, braucht es bei Selbständigen eine gründliche Vorbereitung, um die eigene Urlaubsplanung unter Dach und Fach zu bringen.
Die einfachste Lösung für die eigene Urlaubszeit ist, den Betrieb ebenfalls zu schließen und die Patienten für die Dauer des Urlaubs an einen anderen Zahnarzt zu verweisen. Wer das nicht will oder wer dadurch wirtschaftliche Nachteile befürchtet, der braucht eine Vertretung innerhalb der eigenen Praxisräume. Und das erfordert neben viel Vertrauen auch eine gehörige Portion Organisationstalent.
Am einfachsten scheint es bei einer Einzelpraxis oft, die Patienten an einen Kollegen in der näheren Umgebung zu verweisen und die Praxis für die Dauer des Urlaubs zu schließen. Dazu bedarf es rechtlich gesehen lediglich einer eventuellen vorherigen Ankündigung bei den Patienten, eines Hinweises an der Praxistür und einer Ansage auf dem Anrufbeantworter über die Dauer des Urlaubs und die Erreichbarkeit des Vertreters. Eine derartige kollegiale Vertretung, bei der die Patienten einfach die Praxis des benachbarten Zahnarztes aufsuchen, stellt ausdrücklich kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Zahnarzt und seinem Vertreter dar. Sie bedarf daher auch keiner Genehmigung der zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung.
Die Nachteile einer solchen Lösung liegen auf der Hand: Der verreisende Zahnarzt riskiert, dass aus dem vorübergehenden Wechsel seiner Patienten in eine andere Praxis ein dauerhafter werden kann. Ideal ist dagegen die Situation in einer Gemeinschaftspraxis: Dann bleibt für die Patienten alles beim Alten. Sie brauchen keine neue Adresse aufzusuchen, nach der Urlaubszeit werden sie beim nächsten Termin einfach ihrem gewohnten Zahnarzt zugeteilt. Bei einer Praxisgemeinschaft gestaltet sich die Vertretung ebenfalls einfach, da sich der Zahnarzt durch die mit ihm verbundenen Kollegen vertreten lassen kann.
Für die Bestellung von Vertretern sind von allen Zahnärzten die Vorgaben der jeweiligen Berufsordnung zu berücksichtigen. Lässt sich ein Zahnarzt außerhalb der Praxis vertreten, muss er in der Regel nur Name, Anschrift und Telefonnummer des Vertreters in geeigneter Form bekannt geben. Ansonsten hat er berufsrechtlich ausschließlich die Pflicht, für eine entsprechende Vertretung zu sorgen. Hat er eine Kassenpraxis, muss er außerdem die besonderen Bestimmungen des Vertragszahnarztrechts beachten; maßgeblich für die Voraussetzungen einer Vertretung ist dabei die Zulassungsverordnung für Zahnärzte.
Schwieriger ist es, wenn der Zahnarzt seine Einzelpraxis für die Dauer seines Urlaubs nicht schließen möchte. Dann benötigt er eine eigenständig in seinen Räumlichkeiten arbeitende Vertretung, die die Praxis in seinem Sinn weiterführt (bei miteinander verheirateten Inhabern einer Gemeinschaftspraxis müssten gleich zwei Zahnärzte ersetzt werden). Im Idealfall findet der Zahnarzt einen Kollegen, auf den er dauerhaft zurückgreifen kann. Das spart langfristig nicht nur Zeit für die Suche, sondern schont auch die Nerven. Beim nächsten Mal braucht er seinem Vertreter nicht mehr sämtliche Abläufe zu erklären und kann wesentlich entspannter am Strand liegen oder durchs Gebirge wandern.
Wer noch keinen geeigneten Kollegen im Auge hat, kann Inserate in Zeitungen oder im Internet durchforsten. Einige Kammern bieten eine Jobbörse im Internet, über die Praxisinhaber gezielt nach einem geeigneten Vertreter fahnden können. Hat der Zahnarzt in einer ersten Auswahl einen oder mehrere Kandidaten gefunden, dann sollte er unbedingt einen persönlichen Gesprächstermin abmachen, bevor er sich endgültig entscheidet. „Neben dem persönlichen Eindruck zählt dabei insbesondere die fachliche Qualifikation“, so Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. jur. Albrecht Wienke aus Köln. Aus der Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung folge die berufsrechtliche und zugleich haftungsrechtliche Pflicht des Praxisinhabers, sich zu vergewissern, ob die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Vertretung in der Person des Vertreters erfüllt sind, so Wienke.
Nach § 32 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte kommt als deren Vertreter grundsätzlich nur ein anderer Vertragszahnarzt in Frage oder ein Kollege, der mindestens ein Jahr in unselbständiger Stellung als Assistent eines Vertragszahnarztes oder einer vergleichbaren zahnmedizinischen Einrichtung tätig war. Die Zulassungsverordnung nennt insoweit Universitätszahnkliniken, Zahnstationen eines Krankenhauses oder des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder der Bundeswehr und Zahnkliniken. Alternativ zählt auch ein anerkanntes Diplom aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, wenn der Vertreter über eine staatliche Zulassung zur Berufsausübung verfügt.
Der Praxisinhaber sollte sich unbedingt sämtliche notwendigen Unterlagen in jedem Fall vorher vorlegen lassen und sollte zur eigenen Sicherheit Fotokopien davon anfertigen, rät Wienke. Wichtig ist insbesondere die Approbationsurkunde des Vertreters. Daneben sollte sich der Zahnarzt auch Weiterbildungs- oder sonstige Qualifikationsnachweise sowie eine Berufshaftpflichtversicherung zeigen lassen. „Man wird den Praxisinhaber auch für verpflichtet halten müssen, sich vom Vertreter eine ausreichende Fortbildung nachweisen zu lassen, insbesondere wenn der Erwerb der Approbation oder der besonderen Qualifikation schon längere Zeit zurückliegt“, so Wienke. Besitzt der Kandidat keine Approbation, dann müsse sichergestellt sein, dass die Berufserlaubnis auch die Tätigkeit als Vertreter umfasst. Der Vertreter könnte sich ansonsten wegen Verstoßes gegen das Zahnheilkundegesetz strafbar machen. Unter dem Aspekt der Beihilfe könnte sogar auch der Praxisinhaber verantwortlich gemacht werden.
Eine Altersgrenze für den Vertreter gibt es nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes nicht. Erlaubt sind als vorübergehende Vertretung ausdrücklich auch Kollegen, die das 68. Lebensjahr bereits vollendet haben. Denn bei einer Vertretung für nur einige Wochen im Jahr sei die körperliche und psychische Belastung reduziert, so dass es bei einer solchen Vertretung auch nicht erforderlich sei, dass der Vertreter das volle Leistungsspektrum der Praxis erbringe (BSG, Urteil vom 30. 06. 2004, Az.: B 6 KA 11/04 R).
Bedingungen für Vertretung
Die Zulassungsverordnung für Zahnärzte bestimmt, dass sich Praxisinhaber bei Urlaub, Krankheit, zahnärztlicher Fortbildung oder einer Wehrübung für die Dauer von bis zu drei Monaten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten (maßgeblich ist nicht das Kalenderjahr!) vertreten lassen dürfen. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung (vor und/oder nach der Geburt des Kindes) können sich Zahnärztinnen bis zu sechs Monate vertreten lassen. „Werden die berufs- und zulassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz eines Praxisvertreters nicht eingehalten, drohen insbesondere unangenehme wirtschaftliche Folgen“, führt ergänzend Rechtsanwältin Dr. Kathrin Janke, Köln, aus. „Ist die Beschäftigung von anderen Zahnärzten entgegen den vertragszahnärztlichen Bestimmungen von der KZV nicht genehmigt, sind rückwirkende und unter Umständen nicht unerhebliche Honorarkürzungen“ zu erwarten.“ Auch ein Disziplinarverfahren und gegebenenfalls eine Zulassungsentziehung seien wie ein Strafverfahren denkbar. Generell gilt, dass der Zahnarzt die Vertretung der zuständigen KZV melden muss. Ausnahme: kurzfristige Vertretungen, die nicht länger als eine Woche dauern. Soll die Vertretungsdauer länger als drei Monate binnen zwölf Monaten (es ist auch hier nicht das Kalenderjahr entscheidend!) dauern, benötigt der Praxisinhaber zusätzlich eine Genehmigung der KZV.
Vertragliche Regelung
Sind sämtliche Voraussetzungen gegeben und hat der Zahnarzt auch persönlich einen guten Eindruck von seinem Vertreter gewonnen, dann sollten die Bedingungen der Vertretung unbedingt in einem schriftlichen Vertrag festgehalten werden. Entsprechende Muster gibt es von verschiedenen Berufsverbänden und KZVen. Dieser Vertrag kann, sofern nicht anders vereinbart, unter Einhaltung bestimmter Fristen gekündigt oder von vorneherein auf eine bestimmte Dauer abgeschlossen werden. Der Vertrag sollte neben der Dauer der Vertretung und der vorgesehenen Arbeitszeiten insbesondere Angaben über die Vergütung des Vertreters enthalten. Je nach Wunsch können Praxisinhaber und Vertreter ein Pauschalhonorar oder eine Honorierung nach Tagessätzen vereinbaren. Darüber hinaus sollte festgelegt sein, welche erfahrene Praxiskraft mit dem Vertreter zusammenarbeiten wird. Ebenso, dass der Vertreter lediglich in solche Patientenakten Einsicht erhält, die für die Behandlung der jeweils behandelten Patienten nötig sind. Sinnvoll ist außerdem ein Passus, nach dem der Vertreter die Patienten nur für die Dauer des Vertrages behandeln und nicht abwerben wird.
Mit der vorübergehenden Übergabe der Praxis an eine Vertretung sind zahlreiche haftungsrechtliche Fragen verbunden. Und die enden keineswegs mit der Pflicht zur Überprüfung der fachlichen und persönlichen Eignung des Vertreters, sondern umfassen grundsätzlich auch eventuelle Behandlungsfehler des Vertreters. „Denn der Praxisvertreter schließt den Zahnarztvertrag mit dem Patienten nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Praxisinhabers als dessen Vertreter“, so Janke. „Selbst wenn der Zahnarzt seinen Vertreter sorgfältig und nach bestem Gewissen ausgewählt hat, ist er vertraglich für eventuelle materiellrechtliche Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeld aufgrund von Behandlungsfehlern des Vertreters haftbar.“ Das ist jedoch kein Problem – die (bestehende) Berufshaftpflichtversicherung umfasst regelmäßig auch die Haftpflicht für Behandlungsfehler eines (qualifizierten) Vertreters.
Daneben haftet der Vertreter selbst für etwaige eigene Behandlungsfehler aus unerlaubter Handlung. Diese persönliche Haftung des Vertreters ist nicht durch die Berufshaftpflichtversicherung des Praxisinhabers gedeckt, so dass der Vertreter für eine eigene Absicherung sorgen muss! Für etwaige Ausgleichsansprüche des Praxisinhabers gegen seinen Vertreter sollte sich der Inhaber daher vor Beginn der Vertretertätigkeit vergewissern, dass der Vertreter über eine ausreichende eigene Haftpflichtversicherung verfügt.
Ein weiterer Grund für eine Haftung des Vertreters sind nach allgemeiner Auffassung eventuelle Schäden, die dem Praxisinhaber aufgrund unwirtschaftlicher Behandlungsweise des Vertreters entstehen. Da im Außenverhältnis gegenüber der KZV immer der Praxisinhaber zur Einhaltung der vertragszahnärztlichen Bestimmungen verpflichtet ist, treffen den Vertreter die Konsequenzen einer unwirtschaftlichen Behandlung erst, wenn der in Regress genommene Zahnarzt die Ansprüche an ihn weiterleitet.
Die Ermessensfrage
Sind alle Fragen für die interne Vertretung rund um die Urlaubsvertretung geklärt, kann der Zahnarzt in Ruhe starten. Anders liegt der Fall, wenn er sich dazu entschieden hat, seine Praxis für die Dauer seines Urlaubs zu schließen: Will er seine Patienten vorab darüber informieren oder nicht? Entscheidet er sich zu einer Anzeige oder einem Aushang, dann gibt er seinen Patienten die Möglichkeit, zuvor noch Termine für wichtige Behandlungen einzuholen. Auf der anderen Seite vergrößert er mit der öffentlichen Ankündigung das Risiko eines organisierten Einbruchs. Langfinger lieben es, wenn sie wochenlang in aller Seelenruhe ihr Unwesen treiben können. Eine generelle Empfehlung lässt sich hier kaum geben, das individuelle Gefahrenpotenzial für seine Praxis kann der Zahnarzt am besten selbst einschätzen.
Robert UhdeGrenadierweg 3926129 Oldenburg