Selbstbewusstsein ist gefordert
Resignieren wollen die Zahnärzte im Norden dennoch genauso wenig wie ihr Gastreferent Dr. Peter Engel aus Köln. Der Vorsitzende des Senats für privates Leistungsund Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer sieht sogar allen Grund für ein selbstbewusstes Auftreten der Zahnärzte. „Was sollen wir tun, was empfehlen Sie?“ Die Frage aus den Reihen der Zahnärzte in Neumünster hätte von vielen ihrer deutschen Kollegen gestellt werden können. Schließlich sind die gesundheitspolitischenRahmenbedingungen alles andere als ermutigend, wie Engel zuvor dargelegt hatte.
Der Kammerpräsident der Zahnärztekammer Nordrhein hatte besonders die Auswirkungen der GOZ-Öffnungsklausel schonungslos analysiert. Engel sieht die Klausel als entscheidenden, aber kaum zu verhindernden Umbruch an: „Das wird die Strukturen in der Zahnärzteschaft verändern.“ Die Öffnungsklausel soll es privaten Krankenversicherungen ermöglichen, mit einzelnen Zahnärztegruppen Verträge abzuschließen. Dabei geht Engel davon aus, dass die Bedingungen für die Zahnärzte – abgesehen von einigen Ködern zum Start – unter dem heutigen Vergütungsniveau liegen werden. „Das führt in ein Hamsterrad“, prophezeite der Gast aus Köln. Weitere Folge: Patientenströmewerden in die Vertragspraxen gelenkt– wer nicht dabei ist, verliert Patienten. Als Folgen erwartet Engel ferner, dass den Zahnärzten jede Menge Vorschriften, etwa zum Qualitätsmanagement, zur Fortbildung oder über Behandlungsgarantien, auferlegt werden, wohingegen sie aber gebührenrechtliche Zusagen vergeblich erwarten. Und weil nur ausgewählte Praxen diese Verträge schließen, prognostiziert Engel eine kaum zu stemmende Belastungsprobe für die Einheit der deutschen Zahnärzteschaft: „Es wird ein Riss durch die Kollegenschaft gehen.“ Die aus der Öffnung resultierenden Folgen und die allgemeine Entwicklung im Gesundheitswesen mit der Tendenz zur staatlichen Einmischung sind nach Ansicht Engels weder für die Zahnärzte noch für den Patienten vorteilhaft – das Arzt-Patientenverhältnis wird zunehmend kontrolliert: „Orwell war dagegen eine Märchenstunde.“
Herausforderung
Trotz des düsteren Szenarios besteht weder für Engel noch für die Zahnärzte Grund zur Schwarzmalerei. Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Hans-Peter Küchenmeister, der die IBB-Veranstaltungsreihe für berufspolitischengagierte Zahnärzte ins Leben gerufen hat, sieht die Aussichten als Heraus- forderung an, der die Zahnärzte mit neuen Strategien begegnen müssen. Er kündigte an, die Voraussetzungen für ein starkes Auftreten der Praxen zu verbessern. „Damit sich zahnärztliche Praxen in einem dynamischen Markt behaupten können, müssen wir das betriebswirtschaftliche Wissen weiter erhöhen“, sagte Küchenmeister. Entsprechende Angebote für Berufsanfänger werden im Norden bereits gut angenommen.
Auch Vizepräsident Dr. Michael Brandt verwiesauf die Stärken des Berufsstandes. DerKieler Zahnarzt riet seinen Kollegen, auf das über Jahrzehnte gewachsene Verhältnis zum Patienten zu setzen und die Servicequalität gegenüber möglichen Konkurrenten in anonymen, von Konzernen gelenkten Versorgungszentren herauszustellen. Dabei ist für Brandt klar, dass Patienten auch in diese Zentren abwandern werden: „Natürlich gibt es die Schnäppchenjäger, aber wollen wir die in den Praxen halten?“ Eine Aufgabe der Kammer wird es nach Ansicht des Vizepräsidenten sein, den Patienten die Vorteile der freien Praxen klar zu machen.
Rolle als Freiberufler
Dr. K. Ulrich Rubehn, Vorstand für Gebührenrechtin der schleswig-holsteinischen Kammer, appellierte an die Kollegen, sich ihre Rolle als Freiberufler in einem Markt bewusst zu machen und entsprechende Initiative auch in Verhandlungen um die Vergütung der eigenen Leistungen zu zeigen. Da sich aber nicht jeder allein gegen Erstattungsstellen durchsetzen kann, sieht Rubehn die Zeit reif für ein gemeinschaftliches Vorgehen durch die bestehenden Strukturen in der Zahnärzteschaft. Er ermunterte seine Kollegen zum verstärkten Dialog mit den Patienten über den drohenden Qualitätsverlust, sollte das von Engel beschriebene Szenario eintreten.
Auch Engel hatte zwar nicht das erhoffte „Kochbuch“ mit berufspolitischen Rezepten, aber den Rat, selbstbewusster als in der Vergangenheit die eigenen Leistungen zu bewerten und gegenüber Patienten und Beihilfestellen zu vertreten. Grund dazu haben seine Kollegen nach Ansicht Engels, denn: „Ob es in 15 Jahren noch eine private Krankenversicherung gibt, weiß ich nicht. Ob es dann noch eine gesetzliche Krankenversicherung gibt, weiß ich auch nicht. Aber Zahnärzte und Patienten, die zahnärztliche Leistungen nachfragen, wird es noch geben.“
Dirk SchnackDorfstr. 14 a24589 Schülp