Trümpfe stechen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sicherlich hat sich solche Fragen jeder von uns schon einmal gestellt: Warum habe ich eigentlich das Vertrauen meiner Patienten? Warum kommen die ausgerechnet zu mir in die Praxis, machen bereitwillig den Mund auf und geben ihre Gesundheit in meine Obhut? Wegen der frischen Blumen am Empfang, dem netten Team oder dem sicheren Parkplatz vor der Tür? Nein, nur auf so einer Basis können wir keine erfolgreiche Praxis führen. Für die Patienten tun wir nicht nur, was wir können – nein, wir können, was wir tun! Wir binden Patienten durch fachliche Kompetenz. Deshalb kommen sie zu uns, bleiben uns treu und bringen sogar Freunde und Familie in unsere Praxen. Das ist unser Schlüssel zur erfolgreichen Existenz. Klar mussten wir uns das verdienen. Aber ebenso klar ist, dass das auch Verantwortung schafft.
Besonders wichtig ist das in Zeiten des Wandels, die auch bei uns im Berufsstand angekommen sind. Wandel durch mehr Wettbewerb – auch untereinander; Wandel durch zunehmende Versicherungsalternativen jenseits der GKV-Leistungen und durch die so ausgelöste verständliche Preissensitivität bei unseren Patienten. Darauf bauen neue Geschäftsmodelle, die von außen auf die Arzt-Patienten-Beziehung wirken. Darauf zielen neue Vertragsmodelle von Krankenkassen ab, die zum Teil mit nicht-ärztlichen Partnern entwickelt wurden, die Versicherte ködern und binden sollen.
Und darauf setzen manche Kollegen: diejenigen, die via Internet HKP’s „ersteigern“, um anschließend mit einer modifizierten Planung ihren Schnitt zu machen, die mit der „Nulltarifmasche“ Patienten anlocken oder das richtungsweisende Zweitmeinungsmodell missbrauchen, in dem sie zwar nur um ihre fachliche Meinung gefragt werden, aber von sich aus die Preiskarte spielen. Vermeintliche Trümpfe sind immer die Material- und Laborkosten beim Zahnersatz – ob bei „Dentalreisen“ an den Balaton, auf die Balearen oder auch per Luftfracht aus Fernost.
Dennoch: Die Befürchtungen, die der Berufsstand auf diesem Feld einmal hatte, sind bis heute nicht eingetreten: Allenfalls ein Prozent der Patienten, so hat eine Untersuchung des Instituts Deutscher Zahnärzte (IDZ) ergeben, wäre bereit, zur Behandlung ins Ausland zu fahren. Und das auch nur bei Preisdifferenzen, die bei einem Drittel und mehr der anfallenden Gesamtkosten liegen müssten. An dieser Ecke entsteht der heimischen Zahnärzteschaft keine flächendeckend nennenswerte Konkurrenz.
Etwas anders sieht das schon bei den Importen aus. Inzwischen nutzen etwa zehn Prozent aller Zahnärzte Zahnersatz aus anderen Ländern. Aber die Zahlen des IDZ verdeutlichen, dass die Kollegen trotz massiven Preisdrucks sehr differenziert vorgehen. Auslandszahnersatz ist eher für einfache Standardversorgungen geeignet. Je komplexer die prothetische Situation, je höher die ästhetischen Ansprüche, desto unerlässlicher wird eine wohnortnahe Versorgungskette. Schließlich tragen wir allein gegenüber dem Patienten die Gesamtverantwortung für die Qualität der prothetischen Versorgungskette und für das Endergebnis. Und wir kennen die Entscheidungsmotive unserer Patienten: Qualität und Vertrauen, Sicherheit und Kompetenz, Preis und Verantwortung.
Letztlich ist das die „sichere Bank“ des Patienten: Nicht der Preis für die Leistung ist treibender Faktor, sondern das Vertrauen in das Können und die Verlässlichkeit des Zahnarztes. Und genau das muss auch in Zukunft der Ansatz unserer Profession bleiben. Denn Qualität und Sicherheit sind unseren Patienten einiges wert. Wer das berücksichtigt, wahrt nicht nur das Vertrauen zwischen Zahnarzt und Patient. Er schafft damit letztlich auch die existenzielle Grundlage für deutsche Zahntechnik.
Eine Entwarnung ist das aber nicht. Das Behandlungsfeld Zahnersatz ist – ökonomisch betrachtet – auch künftig kein existenzielles Ruhekissen. Wenn wir uns den Vertrauensvorschuss aber erhalten und daran arbeiten, gibt es für den Zahnarzt und sein Team, auch für den Zahntechniker vor Ort, durchaus attraktive Möglichkeiten. Daran wird auch fernöstlicher Zahnersatz nichts Grundsätzliches ändern.
Mit freundlichen, kollegialen Grüßen
Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV