Leitartikel

Ein unmoralisches Angebot?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Pflaumen und Äpfel, die nicht von den Bäumen kommen, weil die Preise im Keller sind, und Milchbauern, die ihre Milch auf herbstlichen Äckern verklappen – Wettbewerb? Wettbewerb untereinander kennen und leben wir Zahnärzte schon länger. Er ist geprägt von Konkurrenzdruck, wirtschaftlichen Zwängen und der Zukunftssicherung der Praxen. Die Große Koalition wollte Wettbewerb und hat ihm mit Gesetzen den Boden bereitet. Die kommende Regierung wünscht ihn ebenfalls und will den bereiteten Boden nicht brach liegen lassen.

Im Gesundheitswesen sind die Weichen in § 73 c SGB V für Selektivverträge ausdrücklich gestellt. Die Regelungsmöglichkeiten können und wollen wir nicht negieren, solange sie den vorgegebenen Gestaltungsspielraum nicht verlassen. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, muss wissen, dass jeder Selektivvertrag für alle Beteiligten mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken verbunden ist. Das gilt auch für die Krankenkassen. Ihnen fließen aus dem Gesundheitsfonds für solche Verträge keine zusätzlichen Leistungen zu, sie müssen aus den normalen Beitragseinnahmen bestritten werden. Für zusätzliche Vergütungen ist daher – gerade in diesen Zeiten – kaum Raum. Auch angestrebte Budgetbereinigungen bleiben eine unsichere Sache, denn die Bereinigungsverfahren sind mit den Gesamtvertragspartnern zu bestimmen. Und solange es noch Budgets gibt, solange werden die KZVen selbstbewusst die Finanzmittel für die Leistungen aus dem Kollektivvertrag sichern. Diese Unwägbarkeiten mögen ja auch der Grund sein, warum bislang im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung zum Thema Selektivvertrag wenig zustande gekommen ist. Doch jetzt haben einige Kassen den „Zahnersatz zum Nulltarif“ im Visier – vermeintlich ist das für sie unproblematisch, weil keine Bereinigung der Gesamtvergütung ansteht (allenfalls für ZEBegleitleistungen), weil mögliche zusätzliche Kosten indirekt von den deutschen Zahntechnikern und nicht zuletzt von uns Zahnärzten getragen werden. Wettbewerb?

Der ins Gerede gekommene Indento-Vertrag der DAK und anderer Krankenkassen ist so ein mehrseitiges Vertragskonstrukt zulasten Dritter. Worum es der DAK dabei geht, gibt sie unumwunden zu. In einem Brief an die zm-Redaktion betont die DAK, als Reaktion auf die zm-Berichterstattung „Kein Grund für Knebelverträge“ (zm 19/2009): „[Es] wurden die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, ... Vereinbarungen zu treffen, die besonderen Versorgungsbedürfnissen Rechnung tragen. Hiervon macht die DAK Gebrauch. Im Zeitalter der Globalisierung gestaltet sich der Markt – auch der Gesundheitsmarkt – neu und dann ist es sehr von Nachteil, aufgrund fehlender Konzepte und Strukturen daran nicht teilzuhaben.“

Nun ist das Thema zu ernst, um zu spekulieren, wie die DAK das mit der Globalisierung so meint. Auf jeden Fall hat sie sich für uns Zahnärzte etwas Besonderes ausgedacht: Honorarverzicht bei Regelversorgung, limitierter GOZ-Steigerungssatz bei gleichartigen Versorgungen, eine PZR zum Dumpingpreis, die zu lausiger Qualität führen muss, verlängerte Gewährleistungsfrist, vertragliche Bindung an vorgegebene Labore und Materialien – alles garniert mit einer gepfefferten Bearbeitungsgebühr. Auch das ist Wettbewerb. Fairer Wettbewerb?

In einem Interview mit der Berliner Zeitung (2.10.09) führte Jens Spahn, CDU, aus: „Es kann nicht darum gehen, aus Krankenkassen gewinnorientierte Aktiengesellschaften zu machen. Wir sind sicher keine Privatisierungsfetischisten. Ziel muss es sein, den Kassen auf der einen Seite mehr Freiheiten im Wettbewerb untereinander und im Verhältnis zum Leistungserbringer zu geben und auf der anderen Seite das Wettbewerbsund Kartellrecht durchgängig anzuwenden. [...] Wir merken etwa bei den Rabattverträgen für Arzneimittel, dass die übergroße Marktmacht der Kassen mittelständische Strukturen kaputt zu machen droht. Die kleinen Pharmahersteller in Deutschland bleiben auf der Strecke, große Generikahersteller aus Indien drängen mit Dumpingpreisen auf den Markt. Das kann langfristig nicht unser Ziel sein. Da braucht es dringend eine Wettbewerbsordnung.“

Wir werden sehen, was aus dem Wildwuchs wird. Natürlich bleibt es jedem Kollegen, jeder Kollegin unbenommen, sich in derartige Vertragsstrukturen einzuschreiben. Nur: So wie die Krankenkassen ihre Versicherten beraten, so beraten wir unsere Kollegen und unsere Patienten. Dazu analysieren wir auch Selektivverträge. Was jetzt auf dem Tisch liegt, geht zulasten Dritter – zulasten der Zahnärzte. Testurteil daher: nicht empfehlenswert. Das muss der Kollege wissen, den das Vertrags-„Angebot“ erreicht. Ein unmoralisches Angebot? Vielleicht. Ein vergiftetes Angebot? Ganz sicher.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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