Für mehr Leben – für Organspende
Rund 27 800 Organtransplantationen wurden im vergangenen Jahr in Europa durchgeführt. Mehr als 63 000 Menschen aber stehen auf der Warteliste für ein Spenderorgan, wobei 3 800 von ihnen im Jahr 2008 während der Wartezeit auf das lebensrettende Organ verstorben sind. Diese Zahlen wurden anlässlich des Welttages und Europäischen Tages der Organspende in Berlin bekannt gegeben. Dort fanden am 4. Oktober unter Beteiligung zahlreicher prominenter Künstler, Politiker und auch Betroffener mehrere Hunderttausend Besucher den Weg zum Brandenburger Tor, wo mit Aktionen und Informationsveranstaltungen, aber auch begleitet von Unterhaltung wie einem Open-Air-Konzert, auf die Problematik aufmerksam gemacht wurde. Der Tag stand unter dem Motto: „You have the power to donate life – be an organ donor“.
Weiterhin erheblicher Mangel an Organen
Wie bedeutsam das Thema ist, macht ein Aufruf von Bundespräsident Horst Köhler anlässlich des Weltorganspendetages deutlich: „Wir sollten alle bedenken, dass jeder Einzelne von uns mit der Bereitschaft zur Organspende zum Lebensretter werden kann“, so Köhler. Die Zahlen sind allgemein alarmierend und dabei macht auch Deutschland keineswegs eine Ausnahme: So warten hierzulande rund 12 000 Menschen auf ein neues Herz, eine neue Niere oder ein anderes lebensrettendes Organ. Nur rund einem Drittel der Betroffenen aber kann tatsächlich durch eine Transplantation geholfen werden. Der Mangel an Spenderorganen hat dabei hierzulande im vergangenen Jahr 889 Menschen das Leben gekostet.
Auch wenn der Organspendemangel ein weltweites Problem ist, so ist die Situation in Deutschland noch dramatischer. Denn die Bereitschaft zur Organspende ist hierzulande besonders gering: So liegt Deutschland nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation innerhalb Europas mit 14,6 Spendern pro eine Million Einwohner nur im unteren Mittelfeld und unter dem EU-Durchschnitt von 16,1 Spendern pro eine Million Einwohner. Spanien ist mit über 34 Spendern/eine Million nach wie vor „Weltmeister“ in der Organspende, gefolgt von Portugal mit 26,7 und den USA mit 26,3 Spendern. „Aufgrund seiner spezifischen Ausgestaltung des Transplantationswesens und seiner Krankenhausstrukturen ist Spanien Vorbild für viele Länder“, heißt es in einer Mitteilung der Stiftung Organtransplantation.
Hemmschuh Zustimmungslösung
Zur Erklärung des Phänomens werden die unterschiedlichen Strukturen in den Krankenhäusern, Abweichungen der medizinischen Standards sowie länderspezifische Gesetze angeführt. So gilt in Spanien und Portugal wie auch in einigen anderen Ländern Europas die sogenannte Widerspruchslösung, bei der von einer Bereitschaft zur Organspende ausgegangen wird, wenn dem nicht zu Lebzeiten explizit widersprochen wird. Geschieht dies nicht, so können im Todesfall Organe entnommen werden – übrigens nicht nur bei Einheimischen, sondern durchaus auch bei Deutschen, wenn sie in diesen Ländern versterben. Anders in Deutschland und ebenso in Dänemark und Griechenland: In diesen Ländern gilt die erweiterte Zustimmungslösung, bei der der Organspende also aktiv zugestimmt werden muss, entweder direkt durch Unterzeichnung eines Organspendeausweises oder indirekt nach Feststellung des Todes durch die hinterbliebenen Angehörigen. Allerdings besitzen nur 17 Prozent der Deutschen einen Organspendeausweis, obwohl laut einer aktuellen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 80 Prozent der Organspende positiv gegenüberstehen.
Weiter steigender Organbedarf
Dabei steigt die Zahl der Menschen, die ein neues Organ benötigen, weiter an, und allein in den USA kamen, so hieß es in Berlin, im Jahr 2008 fast doppelt so viele Menschen auf die Warteliste, wie Transplantationen vorgenommen werden konnten. Im Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ warten derzeit mehr als 110 000 Menschen auf die lebensrettende Operation, wobei 2008 jedoch lediglich 27 000 von ihnen geholfen werden konnte.
Während in den Industrienationen genaue Statistiken hinsichtlich des Bedarfs an Organspenden und den tatsächlich durchgeführten Transplantationen geführt werden, fehlen weltweit verlässliche Zahlen und das betrifft vor allem die Länder Asiens und Afrikas. Es liegen somit nur Schätzungen vor, wobei die „Organización Nacional de Trasplantes“ (ONT) für 2007 von weltweit rund 99 300 erfolgten Eingriffen ausgeht.
Internationale Anstrengungen
Diese Zahl soll mit weltweiten Aufklärungsveranstaltungen wie dem aktuell stattgefundenen Welttag der Organspende langfristig gesteigert werden. Getragen wurde die Veranstaltung in Berlin von der Deutschen Stiftung Organtransplantation in Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation, Fairtransplant und dem Council of Europe. Denn der Organmangel ist ein weltweites Problem, das entsprechender internationaler Anstrengungen bedarf: „Der weltweite Mangel an Organen und der medizinische Fortschritt vereint die Beteiligten in dem Bestreben, eine effizientere, gerechte und vollständige Versorgung aller Patienten auf den Wartelisten zu erreichen“, so die Deutschen Stiftung für Organspende. Es gilt nach ihren Forderungen zunächst, allgemeine Standards zu etablieren und damit die Qualität und die Sicherheit von Transplantationen auf internationaler Ebene zu verbessern. „Korruption und Transplantationstourismus können nur gemeinsam durch staatliche Regulierungen bekämpft und verhindert werden“, heißt es in einer Erklärung der Organisation. Erst im Frühjahr 2008 hatten in Istanbul Vertreter aus 78 Ländern einstimmig eine gemeinsame Erklärung gegen Organhandel und Transplantationstourismus verabschiedet. „Diese vielfältigen Aspekte sind neben der Aufklärung der Öffentlichkeit wichtige Ansatzpunkte, um dem weltweiten Organmangel langfristig entgegen zu wirken“, teilt die in Frankfurt ansässige Stiftung mit.
In diesem Jahr fand bereits der fünfte Welttag und der elfte Europäische Tag der Organspende statt. Nachdem die Ausrichtungsorte in den letzten Jahren in Asien und Südamerika lagen, stand nach Genf im Jahre 2005 jetzt erstmals wieder Europa im Fokus. Dem Welttag angeschlossen war dabei ein internationaler Organspendekongress der „International Society for Organ Donation and Procurement“, bei dem Experten aus zahlreichen Nationen über Möglichkeiten für eine bessere internationale Vernetzung zur Förderung der Organspende diskutierten.
Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln