Pressekonferenz des Deutschen Ärztinnenbundes

Die Zukunft der Medizin ist weiblich

Heftarchiv Gesellschaft
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Der Anteil der Approbationen von Ärztinnen bei den Ärztekammern wächst. Im letzten Jahr lag er bei 57,9 Prozent. Auf einer Pressekonferenz in Berlin mahnte die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes Astrid Bühren, verkrustete Strukturen aufzubrechen und die zunehmende Feminisierung des Medizinberufs als Chance zu begreifen. Fach und Berufsbild müssten in vielen Teilen völlig neu gestaltet werden, um eine langfristige Stellenbindung praktizierender Ärztinnen zu gewährleisten.

Statt Versorgungsengpässe und einen Ärztemangel zu beklagen fordert Astrid Bühren, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB), familien- und frauenfreundliche Arbeitsbedingungen in Kliniken und Praxen umzusetzen. Sie betrachtet die fortschreitende Feminisierung der Medizin als Chance. Im Hinblick auf die alternde Bevölkerung seien gerade die älteren Patienten für die zugewandtere Medizin von Ärztinnen empfänglich. Laut Bühren profitieren die Patienten von längeren Anamnese-Gesprächen und dem erhöhten Einfühlungsvermögen von Ärztinnen. Bühren erhofft sich zukünftig zudem einen höheren Anteil von Ärztinnen in der Gremienarbeit. Weniger Sitzungen in den Abendstunden und mehr Telefonkonferenzen seien ein Beitrag zu einer familienfreundlicheren Gremienkultur. Nach Ansicht von Bühren sind flexible Arbeitszeitmodelle eine Entlastung sowohl für Ärzte als auch für Ärztinnen.

Heterogene Verteilung

Auffällig ist, so wurde auf der Pressekonferenz betont, dass der Anteil der Ärztinnen zwischen den einzelnen Fachgebieten sehr stark divergiert. Dazu die jüngste BÄK-Statistik: Der Anteil der berufstätigen Ärztinnen lag im Jahr 2008 insgesamt bei 41,5 Prozent. Während aber im Fachbereich Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Großteil der Belegschaft (55 Prozent) durch Ärztinnen gestellt wird, mangelt es vor allem in den Bereichen Chirurgie (16,7 Prozent) und Urologie (11,3 Prozent) an weiblichem Fachpersonal. Dies liegt nach Aussage von Katrin Welcker, Chirurgin und leitende Oberärztin am Klinikum Bremen-Ost, primär an den familienfeindlichen Arbeitsbedingungen. Die Dienstpläne würden zu lange Schichten aufweisen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, erklärte sie vor der Presse. Welcker ist der Auffassung, dass Frauen gerade für minimal-invasive Operationen neben ihrer gleichwertigen Kompetenz auch die „geeigneten physiologischen Voraussetzungen mitbringen“. Daher sei es notwendig und sinnvoll, die Arbeitszeitmodelle im Fachbereich Chirurgie für Ärztinnen attraktiver zu gestalten. Laut Welcker wollen derzeit nur 16 Prozent der angehenden Ärztinnen Chirurginnen werden. Diese Zahl sei aber zu gering, um den flächendeckenden Bedarf an chirurgischen Fachärzten in den kommenden Jahren sicherzustellen.

Mangel in den leitenden Positionen

Referent Rolf Kreienberg, Gynäkologe und Ärztlicher Direktor der Uni-Frauenklinik Ulm, hält es für wichtig, dass Ärztinnen auch vermehrt in die Wissenschaft gehen, um den theoretischen Kenntnisstand aufrecht zu erhalten und im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Kreienberg fordert, dass die Denkstrukturen im Leitungsbereich aufgebrochen werden müssen. „Es darf nicht mehr erwartet werden, dass ein Arzt oder eine Ärztin allein eine 24-Stunden Schicht schiebt. Drei-Schicht-Systeme sind möglich, wenn das Vertrauen unter den Kollegen gestärkt wird und die Übergaben richtig erfolgen.“ Zudem sollten die strengen Weiterbildungsmodelle auf Familientauglichkeit geprüft werden. Kreienberg hält es darüber hinaus für wünschenswert, wenn Ärztinnen auch „in leitende Positionen Eingang finden“. Gerade hier gebe es noch einen deutlichen Mangel an Ärztinnen.

Auch bei der Zahnärzteschaft korrespondiert der steigende Anteil an Ärztinnen nicht mit einer entsprechenden Besetzung in leitenden Positionen, dazu Dr. Brita Petersen, Vorsitzende des BZÄK-Ausschusses für die Belange der Zahnärztinnen: „Derzeit sind bundesweit 39 Prozent der Zahnärzteschaft weiblich. Dieser Prozentsatz variiert von 33 Prozent in Westfalen-Lippe bis 59 Prozent in Sachsen. Inzwischen sind über 60 Prozent der Studienanfänger Frauen. Allerdings finden sich diese Verhältnisse nicht in den Karrieren, etwa an Universitäten wieder“.

Dass ein Aufbruch der festen Strukturen in der Medizin notwendig wird, belegt auch die Bundesärztekammer. Sie verzeichnet einen allgemeinen Trend zur Arbeitszeitverkürzung, weshalb sich das Arbeitszeitvolumen auf mehr Köpfe verteilen müsse. BÄK-Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery hatte bereits wiederholt an die Politik appelliert, die Arbeitsbedingungen für Ärzte zu verbessern. Moderne junge Menschen, gleich ob Arzt oder Ärztin, seien nicht mehr bereit, ihren Lebensstil dem Beruf vollständig unterzuordnen und massive Überstunden zu leisten. Montgomery bedauert, dass in vielen Klinikabteilungen 20 bis 50 Prozent der Stellen unbesetzt blieben. Zu den flankierenden Maßnahmen gehörten eben auch der Ausbau der Kinderbetreuung und die Entlastung von Bürokratie. Der gemeinsame Fokus sollte auf eine langfristige, flächendeckende und moderne medizinische Grundversorgung durch qualifizierte Ärzte und Ärztinnen gelegt werden.

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